Susanna Maria Tucher, geb. Haller, an Karl Hegel, Nürnberg, [31. Dezember 1819]

Du machst mir viele Freude mit Deinen Briefen2, nicht nur weil ich dadurch sehe daß Du mich lieb hast, und oft meiner gedenkst, sondern weil ich mich auch durch Deine Briefe überzeuge daß Du gute Fortschritte in Deinen Lernungen machst. Ich habe alle Deine Briefe wohl aufbewahrt, und erfreue mich immer wenn ich die Letzten gegen die Ersteren halte, um wie viel beßer immer der Neueste gegen die Andern geschrieben ist. Alles was man thut, immer beßer, und beßer machen, führt am Ende zu einer Stufe der Vollkomenheit, die uns von Gott und der Welt Beifall bringt.

Ich danke Dir schön mein guter Karl für die Muscheln die Du für uns an der Ostsee gesammelt hast, wir werden sie wohl aufbewahren. Ich war sehr erfreut daß Du so viel Schönes auf Deiner Reiße gesehen, und mir wieder erzählt hast. Ich hoffe Deine lieben Eltern werden mit Dir, und Deinen Brüdern in diesem Jahr eine Reiße hieher machen, wo Du freilich nicht so viel | Merkwürdiges als auf einer Seereiße, doch Manches sehen wirst, an dem Du Dich wirst erfreuen können. Auch ist zur Verschönerung unserer alten ehrwürdigen Stadt und ihrer Umgebung so manches geschehen. Vom Wöhrder bis zum Spittler ist ununterbrochen eine Allee gesetzt worden, um die Fußgänger vor der Sonne zu schützen, auf allen kleinen Anhöhen und größeren oder kleinern Plätzen, wie beim Lauffer und beim Spittlerthor zwischen den neuen und Thiergärtner Thor sind Anlagen mit vielen Bäumen, Gesträuchen und einer unzähligen Menge von Rosen angeflanzt, dabei immer Ruhebänke; die größte Anlage ist aber auf dem Kuhberg vor dem Vestner Thor, welche wegen ihrer schönen Lage auch einen kleinen Tempel bekommt. –

Es freut mich lieber Karl wenn ich Dir und Deinen lieben Brüdern ein Vergnügen an Weihnachten3 machen konnte. Wenn ihr die Bücher leset, und die Kupferstiche sehet, so denket meiner dabei. Ich küße Dich und den guten Manuel recht von Herzen, auch den lieben Ludwig, und bleibe Deine treue Grosmutter.