XML PDF

Georg Wilhelm Friedrich Hegel an Karl Hegel, Amsterdam, 12. Oktober 1822

Es hat mich recht sehr gefreut, mein lieber Carl, hier auch von dir einen Brief2 und Nachrichten von dir erhalten zu haben. Ich ersehe daraus, daß du und Immanuel sich wohl befindet, und hoffe auch Ludwig, – ingleichen hoffe ich, daß Ludwig in den Ferien ebenfalls fleissig gewesen ist. – Es ist recht gut, daß du Clarke’sche Stüke3 übersetzt hast, und ich will sie wenn ich nach Hause komme, durchsehen, und sehen, wie weit du fortgeschritten bist, und die Fehler vermieden hast.

Du hast mir aber nicht geschrieben, ob du in eine höhere Classe versetzt worden bist; dieses wird itzt doch wohl entschieden seyn. Es freut mich, wenn ihr an Immanuels Geburtstag4 vergnügt gewesen seyd; es ist freylich Schade, daß das üble Wetter der Mutter nicht gestattete, nach Potzdam mit euch zu fahren und das Feuerwerk daselbst abzubrennen. Schlimmes Wetter habe ich auch gehabt, aber nur wenige Tage, sonst leidliches und meist recht gutes. Ohne Zweiffel werdet ihr mit der Frau Großmutter seitdem in Potzdam gewesen seyn; diese hat mir geschrieben, daß sie mit euch zufrieden gewesen ist, was mir Freude gemacht hat.

Ich habe viele schöne Städte, Gegenden und Gemählde und Kirchen gesehen. Hierzu Lande wird nur Hollandsk gesprocken. Wenn du und Immanuel dat Plattdütsch in Berlin woll sprecken lernet, so möcht ihr mit de Lüte meer spreken kunnen, dann ik kann. Sie verstehen aber meist französisch und zum Theil auch deutsch. Aber mit dem Französischen kommt man am weitesten – denn diß verstehen die Meisten, besser oder schlechter zu sprechen – nemlich die meisten Leute, mit denen man gewöhnlich zu thun hat.

In Scheveningen, beym Haag, habe ich am Strande der Nordsee Muscheln aufgelesen, wie wir an den Uffern der Ostsee gethan – freylich keinen Sak voll, sondern nur wenige – auch habe ich einen Vogel der Muscheln statt der Federn hat, eingehandelt; den werde ich mitbringen.

Grüße deine beyden Brüdern recht herzlich, alsdenn Herrn Piper, der dem Immanuel den Geraniumstok gegeben; ferner die Anne; – besonders bin ich begierig, ob der Geraniumstok noch grün ist bis ich komme, und der Canarienvogel noch lebt. – Gute Nacht, es ist spät, dein

treuer Vater Hegel