Wie herzlich freue ich mich der guten Nachrichten die ich zuweilen von Eurer lieben Mutter über Euch erhalte.
Die Zeit eilt so schnell, daß ich wohl sagen kann – bald hoffe ich Euch mit dem Ränz’chen auf den Rücken als Studenten in den Ferien bei mir zu sehen, und darauf freue ich mich denn jetzt schon recht sehr. Ich nehme an, daß Euch dann zu einer Reiße der Besuch von Nürnberg, als Eurem Geburtsort doch immer das Erste seyn wird. Außerdem giebt es auch in unserm lieben alten Nürnberg so Manches, was man auch gerne zweimal sieht. –
Ihr interisirt Euch wohl immer noch für den guten Kaspar Haußer, der wirklich seit einem Jahr wo er aus einem Gefängnis hieher kam, außerordentliche Fortschritte in Erlangung so vieler Kenntniße gemacht hat, von denen an, welche andere Menschenkinder durch Gewöhnung und Umgang lernen, bis zu wißenschaftlichen. Seine Entwicklung ist für die, die um ihn sind, und für Professor Daumer der ihn leitet äußerst interesant. So konnte er zum Beispiel gar keinen abstracten Begriff festhalten, wenn es auch der leichteste war, daß es etwas geben könne was der Mensch nicht mit seinen 5 Sinnen erfaßen könne, das konnte er sich nicht möglich den- ken. Nun lies man ihm lesen, erst ganz faßliches, leichtes, und so wird er nach und nach zum schwerern gebracht. Er liest sehr gerne, aber wenn eine Stelle die er nicht ganz faßen kan, ohne daß er sie abschreibt, und sich dann die Erklärung darüber erbittet, die er leicht faßt und den Zusammenhang zu dem Gelesenen findet. Er zeichnet hübsch, und hat Lust Kupferstecher zu werden, was ihm wohl gelingen wird. Alles was in der Natur sich ereignet, die Veränderungen die die Jahreszeiten mit sich bringen, der Schnee das Eis, wie nun das Keimen, das der Frühling bringt, beobachtet er mit dem höchsten Interesse, und äußert seine unschuldige kindliche Freude darüber. Seine Gesundheit scheint zu erstarken, seine Sinnen sind nicht mehr so gespannt und reitzbar, er ist nicht mehr so emfänglich für das was ihn durch die magnetische Anziehungskraft berührt; er genießt daher auch nun nachdem man anfing ihm leichte Fleischbrühe zu geben, nachher nur einen bißen Fleisch – nur ordentlich jedes einfach bereitete gesottene oder gebratene Fleisch, wenn auch nicht mit vorzüglichen Behagen, doch ohne Nachtheil seiner Gesundheit. Kastlar besucht uns fleißig und nun werden wir ihn auch bald mit uns zu eßen einladen können, da ihn die verschiedenen Gerüche der Speißen nicht mehr so unangenehm berühren.
Ich wünsche Euch meine lieben guten Kinder recht vergnügte Feiertage1, und bitte Euch zum Beweis meines Andenkens und meiner Liebe mit folgende Kleinigkeit in Euer Beutelchen vor der Hand zu thun und Euch Etwas dafür zu kaufen. Ich umarme Euch in Gedanken. Eure treue Grosmutter
P. S. Gottlieb, Benoit, Luise und Sophie auch die neue Tante Mari grüßt Euch von Herzen
Wollt ihr wohl gelegenheitlich an Madame Milder und Geheim Rat Professor Zelter recht viel Schönes von mir sagen.