XML PDF

Susanna Maria Tucher, geb. Haller, an Karl Hegel, Nürnberg, 8. Januar 1830

Herzlich danke ich Dir mein guter lieber Carl für Deinen lieben Brief2 und für die darin enthaltenen guten Wünsche. Die Vorsehung möge auch die erfüllen, die ich für Deine lieben Eltern für Dich und Deinen lieben Bruder und für alle meine Lieben in der Stunde des Uibergangs in das neue Jahr – an sie gerichtet habe. Sie hat bisher Euren Wachsthum Ihr lieben Söhne gesegnet und Euch gesund erhalten, und so führt sie Euch denn auch von einer Stuffe zur andern, zu Eurer lieben Eltern und meiner Freude. Euer Fleis, Euer Gehorsam, und gutes Betragen wird jezt wie in der Folge immer der Lohn, in der Liebe und Achtung guter Menschen nicht nur, aber auch durch innere Zufriedenheit finden und so möget Ihr nach meinem Wunsche auf dem guten Weg bleiben. Du mein lieber Carl hast nun bald jene Zeit erreicht, auf die ich mich schon lange für Dich, aber auch für mich gefreut habe. Wenn Du Student bist, so wirst Du auch einmal mit Deinem lieben Bruder die Ferienzeit zu einer Reise hieher benützen, daß Ihr dann nicht in die Verlegenheit wie bei der Harzreise3 gerathen sollt, verspreche ich im Voraus. –

Von unsern lieben Caspar Hauser4 wirst Du wohl gern etwas hören. Leider kan ich Dir keine entsprechende Folge aller Untersuchungen noch melden, doch sind deren immer noch mehrere und zwar sehr weitläufige im Gang und werden fortwährend mit großem Eiffer betrieben, mehrere aber sind schon erledigt, und haben nichts ergeben, was zur Entdeckung führen kann. – Uibrigens hat das Apellationsgericht5 für gut befunden ihm einen Vormund zu geben und dem hiesigen Stadtgericht6 aufgetragen, unsern lieben Gottlieb dazu zu verpflichten. Dieser läßt sich‘s nun recht angelegen seyn, so wohl für seine Sicherheit, für seine Erziehung und Bildung, und für die Sicherstellung seines Unterhalts zu sorgen. Für die Erste hat er den Auffenthalt bei Professor Daumer nicht hinreichend gefunden und er nahm nun den 7 Kaufmann Biberbach, ein lieber, gebildeter, gut denkender  Mann, der Kaspar in seine Familie mit und unter seine besondere Aufsicht nimmt. Er wohnt in einem Zimmer, zu welchem ein verschloßener, besonderer Vorplatz führt, in seinem Vorzimmer sind beständig 2 Polizeidiener, und seine Fenster sind mit Gitter und Läden wohl versehen. – Es sind Lehrer für ihn angenommen, welche sich bis jetzt an seinen Lerneifer sehr erfreuen. Durch den Magistrat8 ist auf Verwendung Gottliebs sein Unterhalt vollkommen gesichert, übrigens wird er Neugierigen und zudringlichen Personen entzogen, die ihn vor seinen lezten Unfall nur zu häufig in Gesellschaft bitten ließen, welche auf keine Weise vortheilhaft auf Kaspar wirkten. – Dies ist alles was ich Dir von ihm zu sagen weis. Seine Gesundheit ist gut, er wird stärker und sieht recht gesund aus, nur seine Augen welche so lange nicht das Licht schauen durften, sind durch den lezten Unfall wieder sehr angegriffen, und hindern ihn hauptsächlich noch am zeichnen, was er so gerne thut. – An Weihnachten9 wurde er von mehrern Personen reich beschenkt, auch bei uns war er, und äußerte – nun sey 10 doch sein Wunsch wenigstens halb erfüllt: er habe als bestes Weihnachtsgeschenk sich einen Vater, oder eine Mutter gewünscht, nun hätte er an Gottlieb einen, der Vatersstelle vertritt, bekommen hoffen daß die nächste Weihnachten … seinen wirklichen Vater b

Nun mus ich aber eilends Brief noch fort zu bringen Dich Deinen lieben Manuel … recht viel Liebes und Schönes … In treuer Liebe verbleibe …