XML PDF

Susanna Maria Tucher, geb. Haller, an Karl Hegel, Nürnberg, 14. März 1831

Mein lieber Carl.

So wie es mir überhaupt ein unbeschreiblich wohlthuendes Gefühl ist, mich von den Meinen geliebt zu wißen, so ist mir auch jeder Beweis davon eine wahre Freude – und so war’s mir auch Dein und des lieben Emanuels Brief.2 Wenn ich – und wie das so oft geschieht – an Euch meine lieben Enkel denke, so vermiße ich recht schmerzlich Euer liebes Bild welches wenn ich es nach dem was ich an Euch kannte, auch noch so in die Länge ziehe, mich doch im Zweiffel läst, ob die ausgebildetern Züge nicht ein ganz Anderes geben. Dießen Mangel mein lieber Carl wünschte ich bald ergänzt zu wißen; und wenn ich gleich die liebe Mutter nicht bereden will, den Sommer statt mit Euch im Garten in Beringersdorf zuzubringen; so will ich Dir mein lieber Carl meine Einladung für den Herbst, für Vater und Mutter, und für die beiden lieben Söhne recht an’s Herz legen. Dir mein guter fleißiger Sohn wird der Gartenauffenthalt von besonderm Nutzen seyn, weil er Dir den Vortheil einer täglichen, Dir gewiß recht nothwendigen Bewegung gewähren wird.

Von Deinem Fleiß, von Deinem ernsten regen Streben in die Wißenschaft einzudringen höre ich recht viel Gutes und wie innig ich darüber erfreut bin, kann ich Dir nicht genug beschreiben. Ich wünschte Dir meine Freude so recht ausdrücken, Dir gleichsam in’s Herz reden zu können, damit Du auch meiner Sorge daneben gedächtest, ob Du nicht vertieft in’s Lernen Deine Gesundheit darüber vernachläßigst, durch das viele Sitzen, durch Mangel an der dem jugendlichen Körper so nöthigen Bewegung Anlas zu Unterleibsbeschwerden giebst, welche später von den übelsten Folgen seyn und einem das Leben recht verbittern können. – Vergiß nicht mein lieber Carl daß Du nur dann mit Freuden ernden3 wirst, was Du jetzt säest, wenn Du gesund bist. Gesundheit ist die Hauptbedingung unter welcher man nur glücklich seyn kann. Der schönste, beste, glänzendste Erfolg des Wißens, kan den körperlich Leidenden nicht froh und glücklich machen; eben so wenig wie Geld und Ehre ohne Gesundheit. Nimm mir diese meine treue Mahnung nicht übel, möchtest Du sie aus Liebe zu mir, und meiner Erfahrung ein wenig beherzigen. Leise habe ich schon gehofft ein früher gegebenes Versprechen Deines lieben würdigen Vaters durch Dich in Erfüllung gehen zu sehen. Philosophie der Geschichte versprach Er einmal heraus zugeben, ein Buch was auch Frauen in die Hand nehmen und verstehen können. Ich meyne der liebe Vater liest heuer darüber, wenn nun sein lieber Sohn aus diesen Vorlesungen Hefte sammelte4, welche zur Erleichterung der Bearbeitung für die Herausgabe benüzt werden könnten5, – wie schön wäre es, wenn Meister und Lehrling sich so fänden.

Ich hoffe das Fieber hat die liebe Mutter nun ganz verlaßen, und ihr auch die garstigen Chatarre mitgenommen. Deinen lieben Emanuel grüße ich recht von Herzen, und bin und bleibe mit inniger Liebe Deine treue Großmutter

P. S. Deine lieben Onclen und Tanten auch Großonkel grüßen Dich und Manuel auf das herzlichste.