Ihr müßt es Euch schon gefallen lassen, daß ich meinen Brief an Eure vielgeliebte brüderliche Gemeinschaft und Einheit richte, denn ich begebe mich somit unter des Einen Schutz gegen den Andern, den ich gar habe einem solchen nicht entgegenstellen könnte indem eine so lange alte Briefschuld mich am Ende mahl nicht Recht zu Wort kommen ließe. Freilich ist seit Deinem Brief liebster Manuel wohl auch eine Geraume Zeit verstrichen, doch erwartete ich von Tag zu Tag eine Antwort von Euerer bösen Mutter und da sie durchaus nicht lange warten will, so dacht ich Deine Antwort mit der Ihrigen beschleunigen zu können. Allein vergebens war mein Warten und Harren und Hoffen bis jetzt und so ergriff ich denn endlich die Feder um nicht selbst gleichen Vorwurf auf mein Haupt zu laden, denn daß Ihr lieben Söhne in diesem Punkt der Mutter Ansicht und eigenes Thun und Lassen nicht theilt erseh ich wohl aus der eifrigen und pünktlichen Correspondenz die bei Eurer Trennung und den Aufenthalt in Nürnberg eingetretten war. – Habt indessen herzlichen Dank für Eure lieben freundlichen Briefe und seyd überzeugt, daß wir Euch mit Genzlicher Liebe zugethan sind und nichts mehr wünschen als es Euch thätigen in Euerer freundlichen Mühe bezeugen zu können. Wie oft sind wir in Gedanken bei und mit Euch und durchleben in lebhafter tiefer Erinnerung die schöne Zeit da Ihr bei uns wart.3 Hauptsächlich hier in dem lieben Henfenfeld ists mir eine werthe Erinnerung Euch gehabt zu haben, und die Geliebte die uns schon so früh entrissen4 so heiter, so froh, so beglückt noch gesehen zu haben.
Ich will Gott danken darum, obwohl ich mir manchmal der bittersten wehmüthigen Empfindungen nicht erwehren kann, jezt ohne sie das genießen zu können, was mit Ihr die größte Wonne gewesen wäre. Könnt ich aber mit dem besten Willen Ihr es so schön bereiten, als sie jezt ein Daseyn genießt das erhaben über all unsere Gedanken und Empfindungen ist? – Ach wie eigennützig ist der Mensch und wie klebt er an der Erde Vergänglichkeiten und wie schwer wird es ihm rücksichtslos sich über die Seeligkeit der Seeligen zu freuen! – Wie erhebt mich der Gedanke daß Ihr mit uns Sie so lieben, so ehren gelernt, o erhaltet Euch das liebe herrliche Bild daß es fast segnend wirke auf Euch und Euere Umgebungen. – Wie freue ich mich Eurer lebhaften Erinnerung an Henfenfeld, ach ja wohl ist es jezt wieder gar schön bei uns und wird täglich mehr. Der Garten ist neu angelegt, der Wall um das Schloß terrassirt und mit zwey Obstbäumen und Blumen besezt, der Weeg herauf terrassirt, der Hof und die Brücke geebnet und gepflastert. Das Städel im Hof weggerissen und dadurch eine wunderschöne Aus- und Durchsicht erziehlt – Kurz es gingen so viel glückliche Veränderungen vor daß ich mich recht herzlich freuen will, Euer Erstaunen, Euere Freude darüber zu vernehmen.
Unsere Hoffnungen dazu sind aber leider sehr gesunken durch den Gebietsbefehl Eures gar zu umsichtigen Herrn, der seinen jungen Leuthen nicht traut wenn er sie nicht im Auge behalten kann – doch wer weiß bis künftiges Jahr ändern sich vielleicht günstiger die Zeiten – und der Befehl wird zurückgenommen. Das wünschen wir nun freilich von Herzen, denn wir freuen uns Alle unbeschreiblich auf die Zeit wo Eure gute Mutter wieder unter uns weilt und man von Euch doch auch wieder einmal was hat. Wir Geschwister sind ohnedies leider so gestimmt und noch kann ich die Abwesenheit Gottliebs mir kaum möglich denken, denn obgleich ich jetzt wenig sie gesehen, so kann ich den Gedanken kaum ertragen sie nicht mehr zu finden wenn ich wieder in die Stadt5 komme. Auch wenn Marien’s Unwohlseyn sehr ängstlich und mir kaum hocherfreut seye über die lezten guten Nachrichten von Schweinfurt, ihre Hoffnung auf Veränderung des Klima’s scheint sich zu erfüllen. Gott gebe es! –
Wir leben indessen hier nichts weniger als einsam, theils erhalten wir fleißig Besuch aus der Stadt, theils haben wir freundliche … als da sind der Pfarrer in Reichelschwand, eine Revierförstersfamilie in … dann das Landgerichtspersonal in Hersbruck, ja er kömmt mir überraschend zu bunt, wenn ich in Küche und Speisekammer nicht immer wohl… bin. Indessen lebt es sich dabei recht gemüthlich, wir haben hier … Parthien auf den Bergen und in den Thälern, die Berge sind alle so beschwerlich zu steigen wie das Hans Görgle, besonders schön war eine Parthie auf den Labberg über Habburg gelegen und auf den Rattenberg. Ich will mich recht freuen wenn ich Siegemunds6 in meine Nähe herausbekomme, wir haben 2 Stunden nach Simmelsdorf zu fahren. Die Ostertage7 brachte die ganze Familie bei uns zu. Mit unsern lieben Pfarrersleuten bleiben wir in freundlichem Verkehr, sie schließen sich allen unsern Parthien an und bei schlechtem Wetter unterhielten wir uns im engen Kreiß mit ihnen. Doch liegen diese Zeiten nun meist hinter uns, es ist ja jezt so herrlich, daß ich jeden von Herzen bedauere der die schöne Frühlingszeit nicht in vollem Maaß genießen kann. Euch, Ihr armen Städter, gilt nun hauptsächlich dies Bedauern, es ist nur ein halbes Leben, wie möchte ich’s Euch doch Anders gönnen! Gottlob befindet sich Benoit auch so ganz wohl, er jagt, er fischt, er baut, er gärtelt, er … Alles in größter Lust und Behagen, denn er sieht auch herrlich aus und wird dick und stark dabei; daß dies nun nicht wenig zu unserm Glück beiträgt, könnt Ihr wohl denken.
Er grüßt Euch herzlichst, eben so die Kinder, Karolinchens 7ter Geburtstag wurde gestern gefeiert, sie lernt fleißig bei Pfarrer.
Doch nun seys für diesmal genug, Ihr lieben Jungen sollt gelobt werden wenn Ihr mit Geduld den Gekringel bis hieher gefolgt habt, lebt wohl und mahnt die Mutter daran daß ihr letzter Brief oder vielmehr der Meinige vom 17ten März sich datiert.
Mit herzlicher Liebe Eure Tante