Sie haben mich mit Ihrer letzten Antwort etwas warten lassen, weil Sie erst nach abgestandener Grippe schreiben konnten, ich will Ihnen vor Antritt derselben schreiben, um Sie nicht zu lange warten zu lassen. Sie hat sich nun hier breit nieder gelassen, und hat meiner Victorie und mich so ziemlich lange verschont, bis sie neulich alle 4 Dahlmanns1 befallen, dort wahrscheinlich meine Frau angesteckt hat, die nun ihrerseits mich auch bereits so weit zu influenziren anfängt, daß ich morgen frühe mit einiger Zuversicht erwarten kann gleichfalls den Kopf zu hängen. –
Dieser Satz war etwa am 10ten Februar2 geschrieben; der Anfall kam schneller als ich dachte und war über 8 Tage lang tüchtig mitgenommen, wehe ich erst heute am 20ten fortfahre oder vielmehr wieder anfange. Da mir der Kopf noch immer etwas schwer ist, so will ich Ihre chicanirenden Sticheleien über meine Widersprüche nicht berühren, denn zu sophistischen Subtilitäten fühl ich mich noch gar nicht disponirt. Ich will vielmehr gleich einiges recht Materielle berühren, was mir sehr am Herzen liegt. Ich möchte nämlich einmal möglichst bestimmt wissen, wann denn endlich Ihr Examen3 wohl vor sich gehen kann. Ich frage nämlich darum: Sie sagten einmal, Sie wollten gleich nach überstandenem rigorose4 nach Italien gehen. Ist das noch Ihr löblicher Vorsatz? Dann hätte ich die Motion zu machen, ob wir nicht vielleicht zusammen sollten? Ich muß nämlich meiner Gesundheit wegen, und möchte meiner in voran Anfrischung wegen und will meiner Frau wegen bald noch einmal hin in dieß ewige Land und es wäre doch sehr schön wenn wir diese Genüsse zusammen haben könnten. Ich denke darauf, nächsten Herbst die Reise anzutreten; doch weiß ich freilich nicht gewiß anzugeben, obs gehen wird oder nicht. Würden Sie irgend drauf eingehen, so müßten wir uns möglichst zu accommodiren suchen. Ich wollte wo möglich nicht mehr und nicht weniger als 8 Monate drauf wenden. Schreiben Sie mir nun einmal ob wir irgend auf Sie rechnen können und wann und was Ihre Gedanken davon sind.
Was Ihre demagogischen und misanthropischen Ausfälle angeht, so so kommen Sie nur ja bald, damit wir uns darüber einmal Luft machen, über die Verkehrtheiten des Tags. Auf diese Zeit freue ich mich sowie auf die wo ich im Herbst Beseler wieder zu sehn hoffe. Ich bin doch durch meine kleine Frau nicht so sehr aller außen Welt entrückt, daß ich nicht das Bedürfniß hätte, einmal selbst mit einem Baumstark über dieß oder jenes Politische oder mit einem Thibaut über Homer zu reden. Und diese fehlen mir hier wirklich. Diese Korngäule5 hier sehen über ihr Joch wirklich nicht eine Szenarie weit weg. Dieß ist so und mein inneres Misvergnügen, das ich mich sorgfältig hüte zeigen, wächst täglich so, daß es meine Frau schon zu theilen anfängt; Ich wollte ich wäre hier wieder weg. Ich kann diese Jammerseelen nicht tragen, und da ist unter vieler, gelehrter, hellköpfiger Jugend nicht Einer, der ein Herz zeigte! Mir gehen tausend Dinge im Kopf herum wie man irgend eine Explosion zu Stande bringen könnte, in der literarischen Welt, denn es steht auch außen Alles so still und lahm, daß man die Schwerenoth kriegen möchte. Hier sende ich Ihnen im tiefsten 4 äugigen und 4 öhrigen Geheimniß den Plan zu einem aristophanischen Lustspiel:
Frau Taut6 ist eine Wittwe, deren Mann in der napoleonischen Zeit verdorben und gestorben ist. Zwei erbschleichende Neffen, Fritz und Franz7, bewegen sie sich wieder zu verheirathen, verdrücken ihre etwas entarteten oder zügellosen Söhne, geben ihr einen abgelebten zweiten Mann Herrn Diet (diet, englisch der Bundestag), und den unter die Flügel von zwei Hof- und Schulmeistern, die zugleich Nachtwächter im Dorf oder Gut sind, Mitternacht und Behütersdorf, (Metternich und Plüttersdorf8.), die ihm nun Haushaltungsweisheit lehren. Im Bette aber kommt er bei der rüstigen Wittwe und Matrone in Verlegenheit und blamirt sich; der Eine Hofmeister räth ihm bei August Wilhelm Schlegel sich Raths zu erholen, der ihm sein metallnes Werkzeug leihweise abtritt, womit ers wieder bei der ehrbaren Frau versucht, die ihn nun wie die alte Brunhilde am Hosenband9 den Gunther aufhängt, ihrem alten Hausarzt, dem deutschen Michel, sich eröffnet, der dann mit ihr die verdrückte Jugend in 2 Halbchören der Teutonen10 und der jungen Deutschländer11 aufruft, die in allem Guten und Bösen aufgeführt worden, die dann sich aufraffen, den bösen Rathgeber Behütersdorf kastriren, und die alte Matrone in alte Ehren und Unabhängigkeit einsetzen, in der sie dann den trefflichen Neffen schließlich die Köpfe wäscht und die Ohren zwagt. Ich lechze nach Zeit und Gelegenheit, mich hierfür zurechtzusetzen. Die Xenien sind neuerdings auch wieder aufgegriffen worden. Hatten auch Sie sich, wie Sie thun, den lebendigen Haß gegen die Elendigkeiten unserer matten Zeit noch, dann ohne diese feurige Theilnahme an Volk und Menschheit wird nichts Großes. Bleiben Sie auf dieser practischen Richtung, sie ist unser nächstes Heil. Ich will dieser Tage mein Heft über geschichtliche Kunst zum Druck auf 1 Pr.12 Bogen ausarbeiten, auch da soll manches hierüber wieder einfließen. Es war mir recht interessant was Sie mir über Ihren Wechsel mit dem Thema Ihrer Dissertation schreiben. Sie sind auf einem schönen Capitel hängen geblieben, wobei viel Sinn zu entwickeln ist. Nur ist erst neulich glaub ich wieder was darüber geschrieben. Doch dieß braucht Sie nicht abzuhalten. Beschränken Sie sich nur, das Capitel wird leicht sehr weit.
Von Dresden haben Sie mir gar nichts geschrieben obgleich ich es ausdrücklich erinnerte.
Wer sind denn die Freunde mit denen Sie sich so schön wissenschaftlich unterhalten? Ich möchte auch selbst die Namen wissen. Allerdings haben Sie recht, daß für unser Einen eine große Stadt besser ist. Hier hab ich keine Wahl, als den kurrenten Kreis der Professoren ganz mitzumachen, oder mich ganz excludirt zu sehen. Wer will grade das letzere? wer kann das erstere? Daß Sie in meiner literarischen Geschichte beiher einmal nicht eben einige Anregung gesehen haben freute mich sehr. Ich bin eifrig am 3ten Band, der auf Herbst denk ich fertig werden soll.13 Beseler schrieb mir jüngst. Er hat seine Erbverträge fertig. Er denkt zu sammeln, weitaussehend, für eine Geschichte des deutschen Rechts, nach der Methode meiner literarischen Geschichte. Ich wüßte nichts was mich so freuen könnte; ich glaube ich sammelte Kräfte, um ihn mit einer politisch Deutschen Geschichte nebenher zu begleiten. Ich sehne mich ordentlich auf die nächste Zusammenkunft mit ihm. Machen Sie daß Sie dazu kommen im Herbst.
Meine Frau grüßt Sie wieder herzlich; wir beide empfehlen uns Ihrer lieben Mutter. Auch Ihren Manuel grüßen Sie schönstens.