Ich respectire die Gründe, die Sie zurückhalten, nicht gleich zu kommen und rede deßhalb auch nicht zu. Sie sind gefaßt und ruhig, so darf man Sie glaub ich auch nicht einmal auffordern der Gefahr aus dem Wege zu gehen; Sie sind auch hoffe ich nicht ängstlich und werden also, sobald die Krankheit nachläßt, wozu ja die Zeitungen schon Hoffnung machen1, auch ohne meine Ermahnung kommen. Lassen Sie nur, wie ein Berliner Correspondent sagte, Vorsehung und Vorsicht nicht schwinden, so wird ja mit Gottes Hülfe Alles gut gehen.
Alles Examenswerk haben Sie dann nun Gottlob hinter sich; ich wünschte Sie hätten über der Cholera nicht vergessen, mir etwas davon zu sagen, wie denn Alles abging, und ob Sie nun noch der Meinung sind, gleich auf Herbst zu schulmeistern. Doch dieß Alles mündlich. Ich schreib Ihnen nur diese Paar Zeilen, der Einrichtung Ihrer Reise wegen. Wollen Sie und können Sie auf das Fest hier2 eintreffen, so sind Sie sehr willkommen in unserm Hause; es ist eine Tölpelei von Ihnen daß Sie von Unterkunft in der Stadt sprechen. Ich hoffe nicht daß wir irgend einen Besuch haben werden, vielleicht Gladbach den Sie kennen und der den Verkehr unter uns nur beleben wird, nicht stören. Dann kommt Beseler noch dazu. Richten Sie sich übrigens ein wie Sie wollen. Am Ende könnten Sie das Fest gern mit nehmen, obgleich viel Langeweile dabei sein wird. Vielerlei Leute kann man wohl zu sehen, schwerlich zu genießen kriegen. Da sie indessen meinen es werde in Göttingen so entsetzlich ennuyant sein, daß Sie nicht ein Paar Tage darin zuzubringen getrauen, so wäre dieß ein Grund mehr daß Sie diese Zerstreuung noch mitzunehmen suchten. Diese Ihre Bemerkung hat Sie bei meiner Frau nicht im geringsten gut angeschrieben, sie hatte gemeint es sollte Ihnen in unserer Häuslichkeit recht sehr gemüthlich und behaglich werden, da sie Sie aber jetzt für ein Berliner Weltkind hält, das sich um sie nicht kümmert, so will sie nun weiter nichts von Ihnen wissen und bedauert es nicht mehr, daß sie Ende September ohnehin von hier weg muß; dieß werde Ihnen, meint sie, nur angenehm sein, da Sie blos mich zu besuchen scheinen. Wenn Sie sie nun wieder gut machen wollen, so kommen Sie ja so zeitig als möglich im September, damit Sie sie doch noch sehen und Abbitte thun können. Dem Fest aus dem Weg gehen kann ich nicht; wozu hätte ich nun 25 Thaler für Barett und Talar ausgegeben? So burschikos darf man hierorts nicht sein. Ich hoffe übrigens weit mehr von dem Feste seit es ziemlich gewiß ist, daß unser König nicht kommt und auch der von Baiern nur pseudonym, so daß also keine Repräsentationen und dergleichen Statt haben werden. Reisen Sie also ja allein und direct durch den Harz und erwarten Sie mich nirgends. Sie müssen sich dann späterhin nothwendig auf längeres Bleiben einrichten. Dahlmanns3 freuen sich sehr auf Sie, und da können Sie manche Zeit zubringen. Sie müssen mir morgens Zeit zum arbeiten lassen, Nachmittags machen wir dann Parthien, deren unzählige und sehr schöne hier sind. Ein so trauriges Nest ist Göttingen gar nicht; auf einige Stunden hin ist die Gegend schön, und gegen Ihr Berlin ein reines Paradies. In den ersten Octobertagen wollen Sie in Berlin sein? November wollen Sie sagen. Rechnen Sie nicht, daß ich mich auf unter 3 – 4 Wochen zufrieden stellen lasse.4.
Es freut mich daß Ihnen meine Historik gefallen hat. Wir können wohl vielerlei darüber plaudern. Ich habe indessen auch Ihres Vaters Philosophie der Geschichte gelesen und bin sehr gespannt, ob wir in betreff beider Bücher uns zu einerlei Ansicht vereinigen werden. Sie könnten, wenn Sie noch die Abschrift der Anzeigen haben, eine ganz interessante Paralelle ! zwischen beiden ziehen.5 Ich habe wohl Ursache mich über Vieles zu freuen. Manches so sehr gesunde und kräftige Wort in Ihres Vaters Buch erquickte mich, und ich weiß nicht wie zu seiner Ansicht vom Katholicismus und dergleichen sich manche seiner Schüler verhalten.
Beseler werden Sie also wohl jedes Falls hier treffen6 und mit ihm weder unter Einer Decke kneipen. Ich fürchte, daß jenes früher einmal berührte Bündniß auseinander gehen wird, und unter den eingetretenen Verhältnissen weiß ich nicht ob es nicht recht gut ist. Von diesen Mysterien seiner Zeit mündlich; ich hoffe daß sich Beseler gegen Sie darüber aussprechen wird.
Ich wünsche Ihnen Alles Beste, lieber Erich, halten Sie sich mit Ihrer Familie7 wacker und aufrecht. Mir droht wohl in der Nähe wieder ein Verlust, der meines Vaters, der krank und schwach ist, seit sein Weib hinging. Sie wird ihn nachziehen und dann steh ich – ein entlaubter Stamm. Doch will ich suchen mit Fassung diesen Zoll der Natur und ihrer Nothwendigkeit zu bringen.