Ich reise übermorgen – dies gleich voran, damit Ihr nicht meint, ich wolle ewig hier bleiben. Beseler war Schuld, daß ich nicht eher fortkommen konnte. Denn er lag über 8 Tage in Cassel krank; erst wollte ich ihn hier erwarten, dann entschloß ich mich zu ihm nach Cassel zu reisen und mußte auch da noch einige Tage bleiben, bis ich ihn fortbringen konnte. Mittwoch1 Abend kamen wir hier an; und nun, da wir uns endlich zusammengefunden hatten, will der Unstern, daß Gervin am folgenden Morgen einen Brief erhält, mit der Nachricht, daß sein Vater auf den Tod krank sey. Er will heute Abend hinreisen; Beseler und ich, wir warten in seinem Hause den nächsten Posttag ab. Der ist für mich Sonntag2; Mittags fahre ich ab nach Halle – dort will ich sehen, ob ich einen Tag bleibe, oder gleich weiterfahre. Dinstag oder Mittwoch3 kann ich dann bei Euch seyn.
Das Wetter war in Cassel schlecht; um mich zu äffen, ist es jetzt wieder schön geworden. Wie wir Sonntag4 Mittag in Cassel ankamen, ich und drei Bekannte (Gervin blieb hier in Göttingen) hatten wir uns zu eilen, um gleich nach Wilhelmshöhe hinaus zu fahren, wo die Wasser zum letzten Male sprangen.
Das Wetter war gerade so, wie da wir vor einigen Jahren die Wilhelmshöhe besuchten; es war kalt und regnete etwas. Das Wasser stürzte eben in einem großen Fall herunter. Das dauerte noch eine Viertel Stunde, bis sich das untere Becken mehr und mehr füllte, und endlich durch Oeffnung der Verschließung der große Strahl mit Macht emporschoß.
An den folgenden zwei Tagen, in denen ich noch in Cassel blieb, verließ ich Beseler nur wenig, für einige Spaziergänge in der Umgegend und um einer Sitzung der Hessischen Ständeversammlung beizuwohnen. Es waren spezielle Landesinteressen, die verhandelt wurden, – Verwilligung des Budget für Straßenbau und dgl.; doch war der Gang der Verhandlung selbst vom größten Interesse für mich und hat großen Eindruck auf mich gemacht5: man erfährt da in einer halben Stunde mehr von den Interessen des Landes, als man in Berlin bei der Preußischen Regierungsweise in zehn Jahren erfahren kann.
Gestern6 Abend war ich höchst heiter bei Dahlmann’s. Dahlmann kam eben von seiner Reise nach Nürnberg zurück; ich glaube, ich habe Euch schon früher davon geschrieben.7 Es ist eine höchst liebenswürdige Familie, in der ich sehr wohl aufgenommen bin.
Doch will ich meiner mündlichen Berichterstattung nicht Alles vorwegnehmen.
Nebenbei habe ich altdeutsch gelernt. „Vil liebe Muter min undt triuwelicher Brůter“ wie geht’s Euch? ich hoffe Euch doch gesund und munter anzutreffen!
Ich hätte noch einen Brief von Euch haben können, wenn Ihr gewußt hättet, daß ich noch so lange hier bleiben würde.
Die Mutter bitte ich, meine Stube nicht mehr scheuern zu lassen, wenn’s noch nicht geschehen ist. Eine gescheuerte Stube ist mir so verhaßt, wie Zwiebeln.
Noch bitte ich, meine Consorten zu grüßen. Gehabt Euch wohl! Auf baldiges Wiedersehn