Für Deine brüderliche Theilnahme an meinem Geschick den herzlichsten Dank. Es freut mich im Grund der Seele, bei Gelegenheit meiner ehelichen Verbindung meine ältere Verbindung mit Dir wieder zu erinnern, d. h. mich ihrer von neuem wieder recht bewußt zu werden. Darin theilst Du meinen Glauben ganz, daß Einer, ohne ein Weib gehabt zu haben, nur ein Halbmensch gewesen ist. Wenigstens diene ich für meine Person und mit meiner Person zum Beweise unserer Ansicht. Eine gute Frau ist wirklich die beste Copula2 zu all den herrlichen Prädikaten, die in der Welt herum für ein tüchtiges …3 ausgebreitet liegen. Damit ist aber auch zugleich gesagt und bewiesen, daß Einer nur heirathen darf – so ist er mit einem Male aus dem Hunger- lande spindisirender Abstraktion befreit und in die Mitte lebensgrüner, frischer Wirklichkeit versetzt. Wenn Dir nun, mein edler, klassischer Freund, solche Leute gefallen können, die etwas halten auf das Glück und den Segen des ehelichen Lebens, auf … Ehre und Sitte, die ihren Beruf, er sey klein oder groß mit der guten Zuversicht versehen, etwas Tüchtiges gethan zu haben, wenn das Meiste nur recht gethan worden ist; wenn Dir dergleichen Leute gefallen können, so wirst Du Dich auch bei mir ganz heimlich fühlen, wenn Du mich nächsten Herbst bei Gelegenheit des Philologencongresses besuchen willst. Indeß hast Du mir über die Hauptkatastrophen Deines Lebens so viel Licht gegeben, daß ich mich verbunden fühle, Dir aus Dankbarkeit dafür auch ein Mehreres aus meiner Lebensgeschichte mitzutheilen. Übrigens, merk ich wohl, ist ein so klassischer solider Mensch wie Du bist, eine recht hemmende Schranke für einen so synkretistischen Briefschreiber, wie ich bin. „Von der Brautwerbung an bis zur Hochzeit und häuslichen Einrichtung soll ich Alles recht anschaulich beschreiben.“4 Nun, ihr meine Musen miteinander, reicht mir freundlich die Hände, damit ich das Schwere vollende, was mir auferlegt ist;
Laßt Phantasien mit allen ihren Chören, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, doch, merkt auch wohl! nicht ohne Narrheit hören.
Als ich vor 2 und respektive 3 Jahren in München mich aufhielt, da wohnte in der Barrerstraße in einem großen Haus über zwei Stiegen ein Mädchen, das ich 6 Monate zuvor im Spiegelschen Haus kennen lernte. Der erste Anfang dieser Bekanntschaft war gleich wunderbar genug. Als ich mit Spiegel von Berlin nach Ansbach zurückkehrte, trafen wir Abends in der Dämmerung am ersehnten Orte ein. Wie ein Sohn des Hauses betrachtet, wurde ich von allen Seiten mit Küßen empfangen. Ich erwiederte die Küße nach allen Seiten, und da es schon etwas dunkel war, so nahm ich meine Frau, die damals in Ansbach auf Besuch war, für ein Glied des Hauses und begrüßte sie mit Küßen, wie die andern auch. Dies war die erste Bekanntschaft. In München kam ich oft in das schon bezeichnete Haus, ohne in mir eine besondere Neigung zu verspüren. Später wurden die Besuche häufiger. Ich spielte mit der Familie, ich sang, ich klimperte auf dem Instrument, ich las vor, ich besuchte mit den Mädchen die Menterschweig und andere Orte und ich glaubte immer noch, nicht verliebt zu seyn. Beim Weggehen kam es zuletzt zu einem Händedruck. Sie sagte: Kommen Sie morgen wieder, aber gewiß, und ich sagte: Ja. So viel ich mich erinnere, hab ich dabei jederzeit Wort gehalten.
Als ich mich von München entfernen wollte, da fühlte ich erst, daß etwas Großes in mir vorgegangen sey. Der letzte Abend war rührend. Von Spiegel, …5, Freiberger, Schwarze war ich auf ein glänzendes Souper zu Ott eingeladen. Ich versprach um 8 Uhr zu kommen. Es schlug 9 Uhr und ich konnte mich von dem Liebchen noch nicht trennen. Es wurde mir jetst erst klar, daß ich von einer wunderbaren Macht gezogen werde. Um 10 Uhr mußte ich fort. Wie ich weg kam, lieber Junge, das weiß ich selbst nicht. Als ich unten stand auf der Straße, in dunkler Nacht, da blickte ich noch einmal hinauf zu dem Fenster, an welchem die Gute stand. Thränen quollen mir aus den Augen und das Fenster verklärte sich mir zu einem Stern, der so freundlich schimmerte vor den zitternden Thränen meines Auges, daß ich dies als Zeichen bester Vorbedeutung nahm. Und dann kam ich zu Ott. Die jungen Leute waren schon voll des süßen Weines; sie raisonnirten pferdemäßig über mein langes Ausbleiben, denn sie wußten nicht was mir begegnet war. Der Wein that indeß auch bei mir seine Wirkung, Schwarze mit der Zither ließ es auch nicht fehlen. Wein und Liebe, Schmerz und Wonne waren wohl nie so innig in einander verschmolzen, als in jener Nacht.
Am andern Tag in der Nacht kam ich nach Ansbach, und am dritten Tag saß ich im Examen, vor ehrwürdigen Häuptern, pedantischen Schulmeistern und anderem Gesindel, mich pro ministerio examiniren zu lassen6. Noch nie ist mir dieses Pack schnobernder7 und beißendner Spührhunde so gemein und dumm vorgekommen, als damals. Die Antworten, die ich gab, müssen entzückend gewesen seyn. Ich schämte mich in der Seele, wie ein tüchtiger Kerl, der von krüppelhaftem Gesindel visitirt wird, ob zum Kriegsdienst tauglich sey.
Was nach der Hand folgte, ist jedem klar. Nach schwerem Ungemach und demüthigster Resignation – ich zog aufs Land – leitete sich eine ziemlich gemeßene Correspondirung zwischen mir und dem holden Kinde meines Herzens ein. So verging ein Jahr, bis ich eine Anstellung erhielt. Was ich lange wünschte, hätte ich nun vollziehen können, wenn nicht die unheilvolle Grippe noch ½ Jahr scheußlich gequält hätte, so daß ich am Ende alle Lebenslust verlor. Und vor Unruhe, guter Junge, säß ich noch …, wenn mich nicht ein … plötzlich aus dem Schlafe aufgescheucht hätte. Da flog ein Brief mit einer einzigen Frage nach München und in 8 Tagen war ich brav … und 8 Wochen darauf glücklicher Mensch und Gatte.
Nun sollte ich erzählen, was ich bei den beiden letzten Besuchen in München sah, erlebte, erschaute erhörte p. p. Aber wie kann ich denn auf diesem miserablen Octavblatt, das ich jetzt vor Augen habe, die Welt beschreiben? Könntest denn Du, klaßischer Freund, die Großthaten der Ilias auf einem Fetzen Papier mir anschaulich machen? Ich mag lieber singen, guter Junge, es schreiben. Kommst Du erst zu mir, oder ich einmal zu Euch, nun, dann fragt mich, wie sich, mit einer Braut im Arm, die Madonna von Francia im Rosengarten8 ausnimmt, dann frage mich, mit welcher Empfindung ich meiner Braut das jüngste Gericht Rubens von den bejammerswerthen, scheuseligen Unglücksgestalten an bis hin auf zu den zarten, verklärten, seligen Gestalten zum Mißverständniße brachte. Dann fragt mich was die Kunst auf ein Menschenherz zu wirken vermag – und ich erzähle Euch, daß Ihr mitempfinden sollt, wie mir es dazumal gewesen ist. – Nun noch einen Blick in mein Haus. Oben ein Zimmer mit 3 Fensterstöken. Links eine Wand, daran in der Mitte eine Uhr mit vergoldeter Faßung. Rechts und links … und … darunter …. Auf der Wand gegenüber die heilige Familie, darunter …. Also weißt Du, wo Eure herrlichen Geschenke sich befinden, vor denen ich mit meiner Frau täglich stehe und dabei Eurer dankbar gedenke. Die Sachen sind ganz wohl erhalten angekommen. An Manuel und die übrigen schönste Grüße. In 8 Tagen erhalten sie Briefe –