Mein lieber Erich2, gewiß! Da Sie sich doch während meines Aufenthalts in Berlin3 ein bleibendes Verdienst um einen …4 Zeitpunkt meines Lebens erworben haben, so dürfen Sie nicht spröde sein, und müssen meinen freundlichsten Dank entgegennehmen. Die Redensart mag nüchtern scheinen, doch kommt sie von Herzen, und wollen Sie ihn nicht selbst annehmen, sondern anders … erwarten, so übertragen Sie ihn Ihrer lieben Mutter, von der ich Ihnen weitläufig schreiben könnte, welchen Eindruck sie auf mich gemacht hat, wenn Sie nicht ihr Sohn wären. – In Leipzig fand ich in Dahlmann ganz den Alten: ich hoffe, daß ihm meine Berliner Mittheilungen einen heitern Nachmittag gemacht haben. Er scheint mir in Leipzig bleiben zu wollen, will wenigstens in diesem und dem nächsten Semester dort Vorlesungen halten, … von den Comitien unterstützen angenommen und wird sie annehmen, schreibt, wie es scheint, etwas über sein und seiner Gefährten Schicksale, und erwartet mit Sehnsucht seine Frau, die er jetzt bei sich hat. Sie verließ uns gestern vor 8 Tagen: ich sah sie also noch 3 Tage, aber nicht lang, denn Bachmann undThöl haben beständig mit ihr …, ich habe hiezu weder Zeit noch Lust. Sooft ich sie sah, schien sie mir stets einige Fuß über der Erde zu schweben, sie fragte kaum nach … über ihren Mann, und des platonischen Schmetterlings ward eben auch nicht in extenso gedacht. Die Wohnung in Leipzig, die Rückehr nach Göttingen Ostern5 zum Abholen der Sachen, und alle Abschiedsträumereien hatte sie zur halben Träumerin gemacht. Ich fürchte, die … Kälte während der Reise hat ihrer Gesundheit nicht wohl gethan. – Von Gervinus gehen Nachrichten ein, aus dem sich eine Art von Vorgehen an dem Gedeihn eines constitutionellen Lebens in Deutschland ergeben soll. Man will wissen, er sei in Frankfurt undDarmstadt kühl empfangen. Seine … ist in St. Goarshausen. Er scheint zu arbeiten. Doch Sie werden Briefe haben. Ewald scheint sein Vaterland verlassen zu haben. So deutet man …|… Worte die er zum Abschied an Studirende in Dransfeld sprach: er werde nicht eher zurückkehren, als bis sein Vaterland ihn rufe: aufdrängen werde er sich ihm nicht. – Im Übrigen bin ich nicht im Stande Ihnen Neues über unsere Zustände mitzutheilen. Denn völlige Spaltung der bürgerlichen Gesellschaft, diese Niedergeschlagenheit bei allen seinen fühlenden Menschen sind Ihnen wohl etwas …. Die sechs6 werden dem Vernehmen nach nicht abgesetzt. Der König soll über sie noch erbitterter gewesen sein, als über die 7, und sofort an Absetzung gedacht haben. Allein der Minister von Schele hätte es gehindert, weil er an einem corpus delicti …, und, wie man wissen will, einige recht … Stärke auswärtiger Gelehrten ihn über die Leichtigkeit der Besetzung der Stellen bedenklich gemacht hätten. Doch kann ich versichern, daß es an vielen auswärtigen Bewerbern um die Stellen nicht fehlt. Doch soll es mit der … etwas windig aussehen! Morstadt aus Heidelberg ist unter ihnen, wie ich gewiß höre. Also hat Alexander von Humboldt nicht unrecht, wenn er meinte, man werde sich drängen.
Ich selbst bin bis jetzt fast gar nicht ausgegangen. Einmal weil ich ein gelindes Schnupfenfieber hatte, und zweitens, weil ich nur wenige Leute hier sehen mag. Wenn das Schicksal mich verurtheilt hier zu bleiben, so werde ich mir im nächsten Sommer einen Garten wieder einrichten, und von aller Welt geschieden meiner Wissenschaft leben. Die Anlage enthält … Sie auf dissens auction erstanden. Ich bitte das Geld an Dr. Goerden gelangen zu lassen | und ihm auch für Zeit den geforderten Frachtantheil zu vergüten. – Lassen Sie einmal etwas von sich hören und grüßen Sie Ihren Bruder.
1Ort und Datum des Briefes stehen am Ende eines Zusatzes, Seite 1, oben rechts. 2
Anrede für Karl Hegel, die sonst nur von seinem Freund Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) bekannt ist.
3
Daß es sich um Berlin handeln muß, ergibt sich aus dem Folgenden des Briefes.
4
Der Brief enthält zahlreiche nicht lesbare Stellen.
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Im Jahr 1838 fiel Ostern auf den 15./16. April.
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Sechs Professoren der „Göttinger Sieben“, die im Jahre 1837 gegen die Aufhebung der 1833 eingeführten liberalen Verfassung im Königreich Hannover protestierten.
Wunderlich, Agathon Gottlob Friedrich WalterAgathon Gottlob Friedrich Walter Wunderlich11735444918101878Wunderlich, Agathon Gottlob Friedrich Walter (1810–1878), in Göttingen geborener Sohn des Klassischen Philologen Ernst Karl Friedrich Wunderlich (1783–1816) und Bruder des preußischen Konsistorialpräsidenten Oskar Wunderlich († 1882). Er war von 1842 bis 1847 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, vorher vier Jahre an der Universität Basel und ab 1847 an der Universität Halle, bevor er 1850 Richter am gemeinschaftlichen Oberappellationsgericht der vier Freien Städte des Deutschen Bundes in Lübeck wurde.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Dahlmann, Friedrich ChristophFriedrich Christoph Dahlmann11852336817851860Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860), Politiker und Historiker, war von 1842 bis 1860 ordentlicher Professor für Deutsche Geschichte und Staatswissenschaften an der Universität Bonn, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Staatenhauses für das Königreich Preußen im Erfurter Unionsparlament.
Dahlmann, Wilhelmine Albertine Louise, geb. Horn
11601453918001856Dahlmann, Wilhelmine Albertine Louise, geb. Horn (1800–1856), zweite Ehefrau des Historikers und Politikers Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860).
Bachmann, Johann Friedrich11776655017991876Bachmann, Johann Friedrich (1799–1876), im neumärkischen Drossen bei Frankfurt an der Oder geborener evangelischer Theologe, der nach seinem Studium an den Universitäten Halle und Berlin von 1825 bis 1829 Pfarrer in Lissabon war, dann an der Luisenstädter Kirche und an St. Jakobi in Berlin. Von 1852 bis 1876 war er Konsistorialrat, dann Oberkonsistorialrat in der preußischen Hauptstadt.
Thöl, Johann HeinrichJohann Heinrich Thöl11875716418071884Thöl, Johann Heinrich (1807–1884), in Lübeck geborener Rechtswissenschaftler, der von 1826 bis 1829 an den Universitäten Leipzig und Heidelberg studierte, 1829 promoviert wurde und sich 1830 habilitierte. Von 1842 bis 1849 war er ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, dann bis zu seinem Tode an der Universität Göttingen. In den Jahren 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Ewald, Georg Heinrich AugustHeinrich Ewald11868285718031875 Ewald, Georg Heinrich August (1803–1875), in Göttingen geborener Orientalist und evangelischer Theologe, der von 1827 bis 1837 außerordentlicher Professor an der Universität Göttingen war, dann als einer der „Göttinger Sieben“ Ende 1837 entlassen wurde, von 1838 bis 1848 an der Universität Tübingen lehrte und forschte und schließlich an die Universität Göttingen zurückkehrte.
Ernst August I., König von HannoverErnst August I., König von Hannover11853092517711851Ernst August I. von Hannover (1771–1851), König von Hannover von 1837 bis 1851, Sohn König Georgs III. von Großbritannien und Irland (1738–1820) und der Herzogin Sophie Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz (1744–1818), gebürtiger Herzog von Braunschweig-Lüneburg, in Großbritannien 1. Duke of Cumberland and Teviotdale, war ein britischer Prinz aus dem Haus Hannover aus einer Nebenlinie der Welfen stammend. Seit 1714 wurde Hannover, zunächst als Kurfürstentum, ab 1814 als Königreich, bis zum Tod des britischen Monarchen Wilhelm IV. (1765–1837; Haus Hannover) in Personalunion mit Großbritannien regiert. Mit der Thronbesteigung der Königin Victoria (1837–1901; Haus Hannover) als seiner Nachfolgerin in England endete diese Personalunion, da das Erbrecht in Hannover keine Frau auf dem Thron zuließ. Daher wurde dort der 66jährige Tory und Onkel Victorias neuer König, der sogleich bei seinem Amtsantritt 1837 das erst 1833 erlassene relativ freiheitliche Staatsgrundgesetz abschaffte, um absolutistisch herrschen zu können. Hierauf erfolgte der Protest der sogenannten „Göttinger Sieben“ Professoren, die infolgedessen allesamt von der Universität Göttingen entlassen wurden. Zu ihnen zählte neben Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) auch Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860).
Schele zu Schelenburg, Georg Victor11875444017711844Schele zu Schelenburg, Georg Victor (1771–1844), in Osnabrück geborener Politiker im Königreich Hannover, der von 1789 bis 1792 an der Universität Göttingen studierte und der engste Berater König Ernst Augusts I. (1771–1851) auch bei der Abschaffung der erst 1833 von König Wilhelm IV. (1765–1837) eingeführten liberalen Verfassung im Jahre 1837 wurde.
Morstadt, Karl Eduard12004085917921850Morstadt, Karl Eduard (1792–1850), in Karlsruhe geborener Rechtswissenschaftler, der von 1809 bis 1812 an der Universität Heidelberg Rechtswissenschaft studierte, im Jahre 1812 an der Universität Freiburg im Breisgau promoviert wurde und dann zunächst Rechtsanwalt in Karlsruhe war. 1819 wurde er ohne förmliche Habilitation in Heidelberg außerordentlicher Professor, wurde wegen zahlreicher inneruniversitärer Auseinandersetzungen aber nie Ordinarius und 1847 in den Ruhestand entlassen.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
DeutschlandKulturgeschichtlich ist damit der Raum deutscher Nation und Sprache gemeint, wo „Teutschland“ im Laufe der Frühen Neuzeit eine Kurzbezeichnung für das „Heilige Römische Reich teutscher Nation“ wurde. Im 19. Jahrhundert wurde „Deutschland“ immer mehr zur inoffiziellen Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Mitteleuropas, zunächst das Gebiet des 1815 gegründeten Deutschen Bundes, dann des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
Darmstadt49.872775,8.651177Etwa 30 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegene Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Hessen.
Sankt Goarshausen50.1548796,7.7160976Die im 13. Jahrhundert zuerst erwähnte Stadt am rechten Ufer des Rheins liegt etwa 35 Kilometer von Koblenz entfernt.
Dransfeld51.5012034,9.7583419Etwa 13 Kilometer südwestlich von Göttingen gelegene Stadt, die nach einem Großbrand im Jahre 1834 neu aufgebaut wurde.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Erich, auch: Erec/Erek/ErikSpitz- bzw. Kosename für Karl Hegel (1813-1901) von seinem Jugendfreund Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) verwendet.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis