was lange währt, wird gut, – und so hoffe ich auch, daß es mein Brief wird, daß Du ihn wenigstens ohne Groll über die lange Zögerung aufmachen wirst. Du magst Dich wundern, daß ich keinen Drang gefühlt habe, mit Dir über die Göttinger Sieben2 mich zu bereden; aber die Übereinstimmung unserer Gefühle war ausgemacht, und in Deinen feurigen Hoffnungen konnte ich Dir nicht folgen. Nicht als wenn ich die ganze Angelegenheit nicht von unberechenbarem Werth für die deutsche Sache, und namentlich die Sache der deutschen Wißenschaft gehalten hätte, und noch halte; aber ich bin der Meinung für die unmittelbare Gegenwart läßt sich wenig hoffen; es gilt jetzt nur Samen zu streuen, und die Grundlage für spätere Freigeister zu gewinnen, und von dieser Seite konnte nichts Beßeres geschehen, als was in Göttingen sich begeben. Denn die Männer beklage ich nicht, trotz des schweren Ungemachs, welches sie betroffen: sie beneide ich und begreife sie glücklich, daß hier in dieser dürftigen Zeit Gelegenheit geboten ward, sich unsterblich zu machen. –
Mein Eifer wollte ihnen hier eine Addreße bereiten: ich zog aber sogleich den Entwurf zurück, als ich bei der Mehrzahl meiner Collegen Indifferenz oder Furchtsamkeit wahr nahm; denn eine engbrüstige Addreße, wozu sie sich wohl meistentheils verstanden hätten, wollte ich natürlich nicht abschicken. – Jetzt sinn ich über eine Schrift, in der ich die sieben Göttinger dem deutschen Volke in ihrer Persönlichkeit und ihrer wissenschaftlichen Bedeutung vorführen will;3 damit soll eine Vertheidigung ihres Schrittes gegen einzelnen Angriffe verbunden und zuletzt Resultat dieser Angelegeneheit für die Stellung der Wissenschaft zur Nation gezogen werden. Ich denke dieß nun auf folgende Art zu bewerkstelligen. Das Ganze wird in Briefen abgefaßt. Das erst charakterisiert denjenigen, an den die Briefe gerichtet sind: ein ehrenwerther Gutsbesitzer an einem entlegenen Wohnort, der Aufschluß von mir über die Leute haben will, für die er subscribirt hat. Die Universität Göttingen wird kurz vorgeführt, und die Stellung der Sieben im Allgemeinen angegeben. In den drei folgenden Briefen folgt ihre Charakteristik in folgenden Gruppen: Dahlmann und Albrecht, die Grimms4 und Gervin, Ewald und Weber. (Die beiden letzten bearbeiten zwei sachkundige Collegen.) Im vierten Brief soll ich als Jurist Rechenschaft geben über die juristische Geltung ihrer Erklärung, namentlich ob das Staatsgrundgesetz5 noch für sie gegolten habe. Ich weise darauf hin, daß in solchen Sachen nicht der Jurist, sondern das Rechtsgefühl sprechen müßte; daß unsere Jurisprudenz für staatsmännische Auffaßung nicht gehe. Ausfall gegen Deutsche Jurisprudenz. In kurzen Zügen wird angegeben, wie das Staatsgrundgesetz rechtlich vertheidigt werden muß; aber dieß thut für die Sieben nicht nöthig, da sie sich für verbunden erachten, und daher vom Eide festgehalten wurden. – Im fünften Brief übernehme ich doch die Abwehr der Angriffe, und richte diese gegen das Berliner Wochenblatt6; im sechsten bekämpfe ich (Mühlenbruchs) Aufsatz in der allgemeinen Zeitung7, und erhalte Gelegenheit, mich dabei über die Stellung eines deutschen Universitätsgelehrten, und über den Unterschied eines Mannes, der vom Geiste wahrer Wißenschaft durchdrungen ist, im Gegensatz zu den gewöhnlichen Handlangern auszusprechen. – In Beziehung auf diese Schrift8 habe ich nun eine zweifache Bitte an Dich: einmal9, daß Du mir Deine Meinung über das ganze Unternehmen und die Anlage sagst, und ob Du en gros oder en detail etwas daran zu erinnern hast; dann, daß Du mir umgehends diejenige Nummer des politischen Wochenblatts schickst, in der vor einiger Zeit eine Anfechtung der Sieben enthalten war, so wie Du frühere, welche sich auf die hannöverische Sache beziehen, namentliche jene, wo aus der Natur des Diensteides dem Könige das Recht nachgewiesen ward, den Eid auf das Staatgrundgesetz zu erlaßen.10
Ich bedarf dieser Stücke, und kann sie hier nicht kriegen; da ich aber schon bei der Ausarbeitung bin, so muß ich sie recht sehr bald haben. Nöthigenfalls kannst Du für mich das Quartal, worin sie enthalten sind, kaufen. Aber schicke sie bald und sprich vorläufig nicht von der Sache, wenn ich auch meinen Namen nicht verschweigen werde.
Gervinus und ich haben uns über die bewußte Geschichte freundlich ausgesprochen, und sind wieder ganz im alten liebevollen Verkehr, der vielleicht nach Überwindung dieses Gegenstandes noch herzlicher geworden ist.
Ich möchte Dir noch viel schreiben, lieber Hegel, namentlich auch über die Köllner Sache; ich spare es aber auf. Ostern11 gehe ich nach Kiel; im Sommer nach Helgoland ins Seebad (willst Du mit)? Michaelis hoffe ich, sehen wir uns. Antworte bald, et cura ut valeas.