Du erhältst hier den Brief v.1 zurück, der allerdings sehr ledern ist. Auch will ich ihm noch nicht darauf antworten, weil ich ihm jetzt Manches Harte sagen würde, z. B. über die Art mit der er seinen Antheil an der Subscription2 ablehnt. Das Einfachste wäre doch gewesen, und das allein Richtige und Zarte, unter Berufung auf seine Mittel, darauf zum Besten der Anderen etwa Grimms3 und Dahlmanns4 in Jena5, zu verzichten. Wozu jetzt diese Ostentation in der Ablehnung? Überhaupt scheint mir unser Freund durch die Göttinger Glorie ein wenig benebelt zu seyn, und die Ruhe und Stätigkeit, die er im Vergleich zu seinem früheren fahrigen Wesen gewonnen hatte, wieder etwas verloren zu haben. Du, der Du ihn bald nahe hast, mußt dagegen wirken.6 – In Basel wünscht man ihn allerdings; (Dahlmann hat abgelehnt) ich bin aber noch zweifelhaft, ob er sich dort wohlfühlen wird: wenigstens gehört dazu, daß er sich einer bloß wißenschaftlichen Bearbeitung der Verhältnisse hingiebt, und vor allem Flugblätterwesen und dergleichen absteht. Darüber muß Gervinus sich klar werden. Bevor er annimmt, oder ablehnt, wünsche ich, daß er mir noch darüber schreibt. – Wozu überhaupt dieß Flugblätterverbreiten (ohne Censur?), da er seine Sachen ja auch einfach in Basel hätte drucken laßen können? Schreib ihm auch, daß ich mich von „rabbulistischem Wesen“ frei fühle und daß ich zu den Weibern meine alte Stellung, die nur vorübergehend gefährdet ward, wieder eingenommen habe, das heißt daß ich mich von ihnen fern halte.
Zu Pfingsten7 konnte ich nicht kommen, da wir dann keine Ferien haben; im Sommer haben wir aber vom 23ten Juli – 23ten August frei; und ich habe eigentlich Lust, Dich und Dahlmanns dann zu besuchen. Schreibe mir daher, wann Du nach Italien gehst, und ob ich Dich in jener Zeit in Berlin treffe, so wie, ob wir eine gemeinschaftliche Fahrt zu Dahlmanns unternehmen können, – von denen ich übrigens noch nicht weiß, wann sie von […] zurückkehren; wahrscheinlich aber wohl diesen Monat. – Daß ich komme, kann ich übrigens noch nicht gewiß sagen, da mein Bruder mich vielleicht um jene Zeit besucht, den ich indeßen wohl mitziehen könnte. –
An Gans habe ich meine Schrift geschickt und einen sehr freundlichen Brief von ihm erhalten; grüß ihn, wenn Du ihn siehst. – Gestern sagte der
Vicekanzler
mir, der Minister habe ihm gesagt, daß er eine Beschwerde von Hannover gegen meine Schrift erwarte, worauf der Vicekanzler ihm geantwortet: er freue sich darauf, dann auch seine Meinung über diese Sache sagen zu können. Er hat mir nämlich das Imprimatur gegeben. Doch dieß ganz unter uns.
Antworte mir bald, lieber Hegel, namentlich auch über jene Anfrage wegen der Zeit, damit ich mich einrichten kann. Ich schreibe Dir dann jedenfalls noch ausführlich. An Gervinus bestelle die herzlichsten Grüße; mit Dir werde ich jedenfalls weitläuftig an ihn schreiben. Aber jetzt fehlt mir die Zeit und Stimmung.
Grüße die Deinen.
Dein GB.
1Hier fragmentarische, nicht lesbare Stelle; es handelt sich dem Kontext nach zu schließen um einen Brief von Georg Gottfried Gervinus’ (1805-1871). Vgl. dazu hier auch Brief 18380512_01. 2Dies bezieht sich auf eine solidarische Sammlung von Spendengeldern für die sieben Göttinger Professoren, die aufgrund ihres Protestes gegen die Abschaffung des Staatsgrundgesetzes in Hannover durch Ernst August I. von Hannover (1771-1851), vgl. DB , 1837 entlassen wurden; dies galt vornehmlich für jene drei, die nicht nur ihrer Ämter enthoben, sondern auch des Landes verwiesen und somit zu politisch Verfolgten (Dahlmann, Gervinus und Jacob Grimm) wurden. 3Hier Bezug auf die Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1859) Grimm. 4Gemeint ist hier die Familie des Historikers und Politikers Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860); Luise Dahlmann (1800-1856), geb. Horn, war die zweite Ehefrau Christoph Friedrich Dahlmanns und Stiefmutter von Dorothea Dahlmann aus dessen erster Ehe mit Julie Dahlmann, geb. Hegewisch (1795-1826). Dahlmann hatte aus erster Ehe mit Julie Hegewisch (1795-1826) drei Söhne - unter anderem Hermann Dahlmann (1821-1894), Landgerichtsdirektor in Marburg - sowie Tochter Dorothea (gest. 1847), mit der Georg Beseler (1809.1888) eine Zeit lang verlobt war, bevor er die Verlobung löste und später Emilie Karsten heiratete (vgl. hierzu den Brief Beselers an Karl Hegel (1813-1901) vom 27. November 1837: Brief 18371127_01). Zu Dahlmann und seiner Genealogie vgl. DB . 5Nach Dahlmanns Absetzung in Göttingen im Zuge der Affäre um die „Göttinger Sieben“ zog dieser, neben Gervinus und Grimm sogar als politisch Verfolgter des Landes verwiesen, stellungslos und in finanziell prekärer Lage nach Jena. Trotz Beselers Bruch mit dessen Tochter blieb er dem Vater eng verbunden und bemühte sich, für Dahlmann einen Ruf an die Universität Rostock zu erwirken, was allerdings aufgrund der politischen Umstände nicht gelang. Vgl. dazu hier auch den Brief Georg Beselers an Karl Hegel vom 31. Januar 1841 aus Rostock: Brief 18410131_01, sowie
Kern, Beseler., S. 36 f.6Karl Hegel unternahm 1838/39 eine Reise nach Italien, wo er auch mit Georg Gottfried Gervinus und dessen Frau Victorie zusammentraf und gemeinsam reiste. Zu den einzelnen Stationen dieser Reise sowie allgemein zur Reisetätigkeit Karl Hegels in dieser Zeit vgl.
Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 314, sowie
Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 61-87, hier besonders S. 66 f. 73./4. Juni 1838.
Beseler, Georg Karl ChristophGeorg Beseler11851019318091888Beseler, Georg (1809–1888), Jurist und preußischer Politiker, war in der Heidelberger Studienzeit neben Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) einer der beiden engsten Freunde Karl Hegels (1813–1901). Er wurde ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an den Universitäten Rostock, Greifswald und Berlin.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Privatbesitz
.
Privatbesitz1000
Kern
, Bernd-Rüdiger: Georg Beseler. Leben und Werk, Berlin 1982.
Kern
, Beseler.
1982
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Grimm, JacobJacob Grimm
HiKo
11854225717851863Grimm, Jacob (1785–1863), Bruder Wilhelm Grimms (1786–1859), war Jurist, Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Von 1841 an wirkte er in Berlin und wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Grimm, Wilhelm11854226517861859Grimm, Wilhelm (1786–1859), Bruder Jacob Grimms (1785–1863), war Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Wie sein Bruder wirkte er seit 1841 in Berlin und wurde ebenfalls Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Grimm, JacobJacob Grimm
HiKo
11854225717851863Grimm, Jacob (1785–1863), Bruder Wilhelm Grimms (1786–1859), war Jurist, Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Von 1841 an wirkte er in Berlin und wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Grimm, Wilhelm11854226517861859Grimm, Wilhelm (1786–1859), Bruder Jacob Grimms (1785–1863), war Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Wie sein Bruder wirkte er seit 1841 in Berlin und wurde ebenfalls Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Dahlmann, Friedrich ChristophFriedrich Christoph Dahlmann11852336817851860Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860), Politiker und Historiker, war von 1842 bis 1860 ordentlicher Professor für Deutsche Geschichte und Staatswissenschaften an der Universität Bonn, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Staatenhauses für das Königreich Preußen im Erfurter Unionsparlament.
Horn, Wilhelmine Albertine Luise (Louise), verh. DahlmannLuise Horn, verh. Dahlmann11601453918001856Horn, Wilhelmine Albertine Luise (Louise) (1800–1856), war die zweite Ehefrau des Historikers und Politikers Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), Tochter des dänischen Oberstleutnants Friedrich Bogislaus von Horn und der Sophie Georgine Luise Warnstedt sowie Stiefmutter von Dorothea Dahlmann (1822–1847) aus Dahlmanns erster Ehe mit Julie Dahlmann, geb. Hegewisch (1795–1826).
Dahlmann, Dorothea, verh. Reyscher
Dorothea Dahlmann, verh. Reyscher124275062218221847Dahlmann, Dorothea (1822–1847), war die Tochter des Historikers und Politikers Johann Friedrich Dahlmann (1785–1860) aus dessen erster Ehe mit Julie Dahlmann (1795–1826), geb. Hegewisch, als Tochter des Historikers Dietrich Hermann Hegewisch (1746–1812) und frühere Verlobte des Juristen und Jugendfreundes Karl Hegels, Georg Beseler (1809–1888); seit 1844 war sie verheiratet mit dem verwitweten Rechtsgelehrten und Württemberger Politiker August Ludwig Reyscher (1802–1880), zeitweise ordentlicher Professor der Jurisprudenz an der Universität Tübingen, dessen zweite Ehefrau sie war und dem sie zwei weitere Kinder schenkte.
Beseler, Wilhelm HartwigWilhelm Beseler11865863818061884Beseler, Wilhelm (1806–1884), Jurist und Politiker, Bruder des Juristen und Politikers Georg Beselers (1809–1888).
Gans, EduardEduard Gans11868947917971839Gans, Eduard (1797–1839), Jurist und Rechtsphilosoph, wurde 1826 außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin.
Vizekanzler der Universität RostockVizekanzler der Universität Rostock
Both, Carl FriedrichUniversitätsvizekanzler Carl Friedrich Both11626738017891875Both, Carl Friedrich (1789–1875), in der mecklenburgischen Hansestadt Demmin geborener Jurist und Historiker, der nach seinem Geschichts- und Literaturstudium an der Universität Heidelberg und seinem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock in den Justiz- und Verwaltungsdienst des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin ging. Von 1820 bis 1848 war er Regierungsbevollmächtigter für die Universität Rostock, von 1836 bis 1870 ihr Vizekanzler.
Mühler, Heinrich GottlobHeinrich Gottlob Mühlerhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz66085.html#ndbcontent11716298117801857Mühler, Heinrich Gottlob (1780–1857), war preußischer Justizminister und Vater des Juristen, Politikers und preußischen Kultusministers Heinrich Mühler (1813–1874).
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Jena50.9281717,11.5879359Residenz- und Universitätsstadt an der Saale, etwa 80 Kilometer südwestlich von Halle gelegen.
Basel47.5581077,7.5878261Schweizer Stadt am Rhein, circa 150 Kilometer westlich von Konstanz am Bodensee und etwa 70 Kilometer südlich von Freiburg im Breisgau gelegen.
ItalienDie in der Form eines Stiefels als Apeninnen-Halbinsel ins Mittelmeer hineinreichende Landschaft von den Alpen bis Sizilien war politisch bis ins 19. Jahrhundert vom Nebeneinander einer Vielzahl von Staaten und von Fremdherrschaft geprägt. Im Zuge der italienischen Nationalbewegung (Risorgimento) kam es erst 1861 zur Gründung des Königreiches Italien als eines Nationalstaates mit König Viktor Emanuel II. (1820-1878) an der Spitze.
Hannover (Stadt)52.3744779,9.7385532Ehemalige welfische Residenz- und Festungsstadt und bis 1866 Hauptstadt des Königreichs Hannover, dann Hauptstadt der preußischen Provinz Hannover, etwa 300 Kilometer westlich von Berlin an der Leine gelegen.
Doctor, DoktorDoktor als höchster akademischer Grad und Bezeichnung für jemanden, der einen Doktor-Titel trägt.
SubscriptionGeldsammlung für eine bestimmte Angelegenheit, in etwa zu vergleichen mit dem heutigen Crowdfunding.
CensurZensur als von zuständiger, insbesondere staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen etc., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität; auch Behörde oder Institution, die diese Zensur betreibt.
rabbulistischVon „rabulistisch“ im Sinne von spitzfindig, wortklauberisch.
Weib, WeiberDespektierlich-pejorative Bezeichnung für Frauen, abgeleitet von dem Mittelhochdeutschen Wort „wîp“ für die nichtadelige Frau im Gegensatz zu „frouwe“; im Laufe der Zeit erfuhr „frouwe“ eine Bedeutungserweiterung als allgemeine Bezeichnung für Frau, während „wîp“ als „Weib“ eine Bedeutungsverengung und -verschlechterung erfuhr; auch despektierlich-pejorative Bezeichnung für Männer, die nach Ansicht des dieses Wort in diesem Kontext so Gebrauchenden nicht mit den als gut angesehenen, männlich-konnotierten Tugenden wie Zielstrebigkeit, mannhafte Standfestigkeit etc. ausgestattet sind bzw. nicht darüber verfügen; auch noch Koseform in der eigentlichen Bedeutung für: liebevolle Frau als Ehefrau.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis