Das Schicksal hat es doch wunderbar gefügt, daß ich gerade in dieser Zeit so weit von Berlin weg sein muß, da Dich die Liebe so oft dahin führte, und jetzt die Hochzeit Dir die Erfüllung Deiner Wünsche bringt, Dich mit der einzig Einen, die nun gerade in Berlin sein mußte, zu verbinden. Gern wäre ich als Zeuge Deines Glücks zugegen gewesen, und gern hättest auch Du vielleicht die Freude und Theilnahme eines treuen Freundes dabei gesehen, und Deine eigne Seligkeit, wenn es möglich ist, noch höher empfunden. Liebe und Freundschaft, ich meine die ächten, sind in Berlin, die Wisssüchtigen und Verstandesdiener, ohnehin Seltenheiten und doch mehr als irgendwo zu schätzen; so wenn ich in Berlin nicht ohne Freunde bin, so hat sich mir dort in vielen Jahren auch von Ferne nichts der Art gezeigt, worin ich hätte meine Geliebte ahnen können. So hat sich Dein seltenes Glück auch darin bewährt, daß es Dir gelungen ist, das Liebenswerthe, auch wo es selten und verborgen ist, herauszufinden und zu gewinnen. Wenn ich Dir auf weiterhin noch Etwas wünschen sollte, so wäre es, daß es Dir gelänge, das Glück der ersten Tage Deiner Verbindung, so lebhaft und neu, wie es da ist, auch fort und fort fortzuhalten, und ich würde Dir hinzu das ewig neue Glück, welches Gervinus mit seinem „Menschchen“ genießt, als Muster vorhalten, wenn Du darin eine so vollständige Anschauung haben könntest, wie ich sie durch unser langes Zusammensein gewonnen habe. – Mir werde ich wünschen, daß ich Euch hierin, wie im Übrigen, nachkomme und, wenn Gott will, im Einen oder Andren erreiche. – Auch in meinen Studien bin ich hier in Rom unwillkürlich und absichtslos Gervinus recht eigentlich auf die Spur gekommen und ihm darin nachgegangen. Wie ihn früher, so führten mich jetzt gleiche Neigungen und Gesinnungen zum Studium des Machiavell, welche ich von vorn bis hinten wiederholt durchgegangen bin, zu meinem großen Nutzen in Beziehung auf Einsicht in historischen und politischen Dingen und zu meiner großen Freude in Gewinnung derselben Resultate, welche Gervinus in seiner Schrift über Machiavell niedergelegt hat. Hat mir diese nur auch den Muth benommen selbst etwas über Machiavell zu schreiben, so ist doch jener Gewinn für mich groß und belohnend genug, daß ich mich stark fühle zur Beurtheilung einer jeden Geschichtsschreibung, und daß ich eine begründete Einsicht in die wahrhafte historische Methode gewonnen habe. Wäre diese erst allgemeiner gewonnen, wäre Gervinus’ inhaltsvolles Büchlein, die Historik, erst tiefer beherzigt worden, so wie dann theils viele Geschichtswerke jetzt nicht mehr geschrieben werden, theils Aussicht auf eine größere und würdige Geschichtsschreibung daheim, welche den Anstoß zu vielen, großen Dingen in Deutschland geben könnte. Die Einsicht wird auch hier bei uns, wie im Übrigen der That vorausgehen; und wenn ich es auch selbst vielleicht zu keiner historischen That bringe, so will ich doch zur Verbreitung der gewonnene Einsicht das Meinige beizutragen alsbald angegangen.
In wenigen Wochen steht mir die schmerzhafte Trennung von Gervinus und seiner Frau bevor; und wie viel sie mir gewesen würde ich erst nicht nach der Trennung empfinden. Er eilt nach Gastein ins Bad, ich bleibe in Florenz 6 – 8 Wochen, wenigstens bis Ende Mai. Möchtest Du mir dahin ein Lebenszeichen, vielleicht durch einen Einschluß in einem Brief an Gervinus, geben; ich möchte von Dir selbst hören, wie glücklich Du bist, und welches Deine nächsten Pläne für Deine eigne Thätigkeit sind. Unsere gemeinsamen Hoffnungen für Deutschland1 und unsere Thätigkeit dafür muß uns immer verbunden halten, und meine Freundschaft für Dich ist auf nichts fester als darauf begründet. Deine liebe Frau mögst Du viel Gutes über mich sagen und ihr herzliche Grüße bringen von