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Georg Beseler an Karl Hegel, Rostock, 1. Oktober 1839

Liebster Hegel!

ich begrüße Dich mit der besten Gesinnung in meiner Nähe, und indem ich Dir alles Gute für die nächste und fernste Zukunft wünsche, hoffe ich, daß unser Verkehr erfreulich und fruchtbringend für uns beide seyn wird. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue, Dich wieder bei uns zu wißen, und wie lebhaft mein Wunsch ist, Dich zu sehen und zu sprechen. Wann Du auch kommst, immer steht Dir unser kleines Fremdenzimmer zu Gebote, und daß es spätestens Weihnachten von Dir bezogen wird, erwarte ich sicherlich. Die Fahrt von Berlin mit der Schnellpost macht sich leicht und bequem, und auch die Kosten sind gering. Auch meine Frau, die bestens für Deinen Gruß dankt und ihn erwidert, freut sich sehr darauf, dich einmal bei uns beherbergen zu können.

Wie verschieden haben wir im letzten Jahre gelebt, und doch gottlob ! stimmen wir darin überein, daß die Zeit schön und die Ernte reich war.

Mir ist Emilie Alles, was eine schöne weibliche Natur einem Mann seyn kann; ich fühle mich glücklich, und habe in geistiger und gemüthlicher Beziehung den gediegensten Halt gewonnen, meine Wurzeln tief in die Erde gesteckt, um frische Kraft und Wachsthum daraus zu ziehen. Du aber bist ausgezogen, und hast die Stimmung schöner Tage und eine reiche Ausbeute für die Zukunft gewonnen. – Halte Deine florentinischen Pläne ja fest: es ist ein glücklich aufgestelltes Unternehmen, womit Du der Wißenschaft und Dir Dienst erweißt. Als Vorstudium zur Einsicht in die rechtliche Gestaltung mittelaltriger und moderner Verhältniße ist Eichhorns Staats- und Rechtsgeschichte (4. Auflage) unentbehrlich; arbeite Dich da durch, und das speciellste und weiteste Studium wird sich leicht daran setzen. Im Einzelnen verlange dann weiter meinen Rath; einen Juristen, der die etwaige Bedenklichkeiten aufklären kann, wirst Du wohl für Hand haben: Homeyer ist zuverläßig und gefällig.

Während Du so dem Positiven Dich zuwendest, habe ich mich an Deines Vaters Rechtsphilosophie1 gemacht, und zwar zu meinem großen Nutzen. Nach Beendigung meiner Monographie2, die mich jetzt fast ausschließlich beschäftigt, gehe ich von Neuem daran, und widme ihr ein abgeschloßenes Studium. Es wird mich nicht bewältigen, aber läutern.

In der vorigen Woche war ich heiter und gut mit Dahlmanns3 in Wismar. Frau4 und Kinder5 liebenswürdig und angenehm, er würdig und gehalten, mit einem männlichen Zorne erfüllt, aber nicht so verbittert, wie ich fürchtete. Er ist jetzt nach Jena zurück, um vom 1. Bande der dänischen Geschichte6 die letzten 10. Bogen drucken zu laßen. Er und die Seinen grüßen Dich herzlich. – Preußens Benehmen gegen ihn und überhaupt in der hannoveranischen Sache7 ist empörend. Wie erklärst Du es? Von Gervinus kam auch in diesen Tagen ein frischer, heiterer Brief an; er wird auch Dir geschrieben haben. Wie schön, wenn wir wieder mit ihm im freundlichen Hause verkehren könnten!

Kannst Du mir durch Deinen Bruder oder sonst in Erfahrung bringen, wo Theodor Engelmann aus Kreuznach, früher bei der Regierung in Arnsberg angestellt, sich jetzt aufhält? und welches seine Addreße? Ich wünsche es zu wißen.

Willst Du öfters Nachrichten von meinem häuslichen und geselligen Leben haben, so besuche meine Schwiegereltern, bei denen ich Dich eventuell angemeldet habe, und die Dich gerne bei sich sehen werden. Das Haus wird Dir gefallen.

Antworte bald, lieber Hegel, und schreib eingehend und umsichtig, damit unsere Korrespondenz ein Ersatz für die örtliche Trennung wird.

Empfiehl mich Deiner Mutter; frankire8 nicht.
Dein
GBeseler.