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Immanuel Hegel an Karl Hegel und Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, Arnsberg, 6. Oktober 1839

Liebe Mutter und Karl!

Gottlieb ist heute Morgen auf sein Gericht gegangen2; Thekla nachdem ich ein paar Stunden mit ihr verplaudert, hat im Haus zu wirthschaften; das Wetter ist abscheulich; unter diesen Umständen weiß ich auf meinem Zimmer eben nichts Besseres anzufangen, als wieder an Euch zu schreiben. An Briefen lasse ich es auf dieser Reise wahrhaftig nicht fehlen und vielleicht wird es eine Beschwerde für Euch sein, sie bei ihrer Länge ganz durchzulesen. Nun – wird es Euch zu viel, so laßt es eben bleiben. Ich kann auf der Reise nicht arbeiten, und außer dem Zeitungenlesen ist das Briefeschreiben meine liebste Beschäftigung in müßigen Stunden. Was ich gesehen habe, erzähle ich gern –

Gottlieb kam früh vom Gericht nach Haus und verhinderte daher die Fortsetzung des angefangenen Briefes. Jetzt sitze ich auf der letzten Station und mein nächstes ist auch mein letztes Ziel. Ich schrieb Euch zuletzt unterm 25sten September von Nürnberg aus4, wo ich die Hälfte meiner Zeit mit Briefschreiben zubrachte, indem ich nicht bloß an Euch und an Hotho, sondern auch an die Louise und Fanny, und nach Arnsberg5 schrieb. Von Verwandten suchte ich nur den alten Onkel und Jannot Schwarz auf; ersterer wird am Körper immer gebrechlicher und am Geist immer schwächer; die Vorstellungen und Gedanken gehen mit ihm durch; er kann sie nicht festhalten und ihnen keine Gestalt geben. Die Sophie war gegen mich sehr freundlich, und zuvorkommend, ganz liebenswürdig; bei ihr lernte ich auch den Herrn Dr. Reuter kennen, aber leider nach Tisch, wo dieser christliche Arzt einen Spitz zu haben pflegt: er schwatzte daher einen fürchterlichen Unsinn, und gab zugleich sein Naturell auf eine Weise zu erkennen, wie er sich sonst vielleicht gescheut haben würde: übrigens würde ich den Charlatan und heuchlerischen Spitzbuben schon an seinem dicken Wamst, seinem Auge und der Konstruktion seiner Nase erkannt haben. – Einen lächerlichen Vorfall hatte ich mit dem Advocaten von Holzschuher; die Sophie war in sein Haus gegangen, um zu fragen, wann ich den Dürer6 am besten sehen könnte, und man sagte ihr dort, daß es um 10 Uhr Morgens am sichersten sey: ich ging daher zu dieser Zeit hin und wurde in sein Geschäftszimmer gewiesen, wo er stehend mit rothem Gesicht seinem Schreiber diktirte, indem ein Bauer neben ihm saß. Auf seine heftige Anfrage sagte ich ihm meinen Wunsch, ohne jedoch vorher meinen Namen zu nennen. Da er mir mit raviater7 Geberde darauf erklärte, daß es jetzt nicht ginge und er keine Zeit habe, so blieb ich einige Augenblicke überrascht stehen und wollte ihm meinen Namen sagen. Ohne aber mich reden zu lassen, schrie er mich an, daß ich mich packen sollte, ich sehr unbescheiden sey etc. Ich machte mich auch sogleich zur Thür hinaus, um mich keiner weiteren Grobheit auszusetzen und ging unverrichteter Sache meiner Wege; zufällig begegnete mir die Sophie, von der ich schon Abschied genommen hatte, und dieser erzählte ich mein Schicksal; wider meinen Willen läuft sie darauf zu Holzschuhers, klärte die Sache auf und schreibt mir um 12 Uhr, daß der Alte sehr um Entschuldigung bäte, daß ich doch ja hinkommen möchte usw. Ich hatte jedoch nicht mehr Zeit und würde auch andernfalls nicht hingegangen sein, ohne jedoch dem Alten bös zu sein, denn er wird wegen des Bildes entsetzlich überlaufen, und daß er bei einem verdrießlichen Handel mit einem Bauer, in übler Laune unterbrochen, herausplatzt und wild wird, ist menschlich und daher verzeihlich. Nichts desto weniger fühlt man sich von solchen Grobheiten beleidigt. –

Von Nürnberg reiste ich am 26sten September Mittags mit der Schnellpost ab und kam um 6 Uhr Abends in Neustadt an der Aisch an. Den alten Deininger traf ich in seiner Pfarrwohnung einsam und wehmüthig, da seine kleine Frau mit dem Kindchen ihn schon seit acht Wochen verlassen hatte; ich kam noch gerade zur rechten Zeit, denn am Sonntag wollte er nach München abreisen, um seine Familie von dort abzuholen. Wir waren beide sehr bewegt, da wir uns nach so langer Zwischenzeit wieder umarmten; ein solches Widersehen hat immer etwas Schmerzliches, denn man gedenkt mit Sehnsucht der schönen Tage, die man zusammen verlebt, die nun unwiederbringlich der sich immer weiter entfernenden Vergangenheit angehören und in gleicher Schönheit für uns nie wieder zurückkehren können. Wie lebten wir uns in jene Zeit ein, wie wurden alle Erinnerungen wieder geweckt! Durch ein plötzliches Licht wurde Alles hell und lebendig, so klar wie der gegenwärtige Tag. Doch diese Gegenwart war nur ein Traum, der unserer spottend ebenso rasch wieder verschwand – der alte Deininger hat sich in etwas verändert; er ist so mild, gut und sanft geworden, sowohl im äußeren Benehmen, Sprache, als im Urtheil: früher schritt er mehr wie ein streitlustiger Kämpe einher, die ihn umgebende Menschheit überschauend und zuweilen verspottend: jetzt hat er das sanfte Wesen eines Geistlichen angenommen: sowohl die Ehe, als sein Amt mögen diese Wirkung gehabt haben. – Er lebt sehr angenehm in seinem Städtchen, welches in dem fruchtbaren und freundlichen Aischgrund gelegen ist; ganz in der Nähe wohnen seine Eltern und seine verheiratheten Geschwister; seine Kollegen hat er in der Tasche, die Einwohner, ein guter Schlag Menschen, sind gern protestantisch, meistens wohlhabend. Der Aischgrund gehörte früher zu Ansbach8, daher eine Zeit lang zu Preußen, und es lebt hier, wie überhaupt im Ansbachischen und Baireuthischen9, eine große Anhänglichkeit an Preußen fort.10 Den zweiten Abend führte mich Deininger in die Harmonie, wo der Herr Landrichter, Herr Decan und andere Honoratioren beisammen saßen; alle sprachen sich mit einer wahren Begeisterung über Preußen aus und ergingen sich in der sehnsuchtsvollen Erinnerung an die glückliche Zeit, die sie unter seinem Szepter verlebt hatten. Mir war dieser Ton sehr überraschend, da mein Ohr ihm weniger im Ausland, als in Arnsberg ganz entfremdet worden. Den armen Teufeln geht’s aber auch jetzt herzlich schlecht: sie leiden stark durch eine leichsinnige und unwissende Regierung, die in den einzelnen Verwaltungszweigen immerfort ihre Grundsätze wechselt, durch die despotische Willkühr des Königs, der kein Gesetz und keine Vorstellungen achtet, und die niederträchtigste Kriecherei hervorruft, und endlich durch die immer fortgesetzte und zunehmende Verfolgung des Protestantismus, der durch Gewalt und jesuitische Hinterlist in seinen Rechten auf jede mögliche Weise beschränkt wird. Indessen hat diese Bedrückung die gute Folge, daß die Protestanten enger zusammenhalten, die inneren Zerwürfnisse vergessen, und der kirchliche Geist in den Gemeinden kräftig und lebendig wird. Die Kniebeugungsgeschichte hat eine außerordentliche Aufregung unter dem Volke verursacht. – Deininger hat sich zur erledigten Pfarrstelle nach Kitzingen bei Würzburg gemeldet und hat Hoffnung sie zu erhalten; in ihrem Besitz, welcher mit einem sehr guten Gehalt verbunden ist, würde er wahrscheinlich bald zum Dekan befördert werden. Seine gegenwärtige Stelle giebt ihm nur ein Einkommen von 800 fl11. – Er machte mich mit seinen Collegen bekannt, von welchen der älteste Dekan des Capitels ist; bei diesem lernte ich auch dessen Neffen, Dr. Schiller – nicht verwandt mit dem Dichter – kennen, welcher in Göttingen und Erlangen Theologie und Philologie studiert und durch ein Programm „über die griechischen Städte in Unteritalien“ den Preis in Göttingen erhalten hat. Er will in diesem Herbst nach Berlin gehen und dort noch ein Jahr studieren; auf Veranlassung Deiningers habe ich ihm eine Adresse an Dich, lieber Karl, mitgegeben; näher habe ich ihn nicht kennen gelernt, doch scheint er besser zu sein, als sein etwas burschikoses Aeußeres und sein röthlicher Knebelbart vermuthen läßt. –

Am Donnerstag Abend kam ich in Neustadt an; am Sonnabend Nachmittag fuhr ich mit der Würzburger Post weiter. In Würzburg war ich in der Nacht angekommen, schlief ich am Morgen noch einige Stunden und setzte dann mit einem Hauderer meine Reise nach Schweinfurt fort. Das Wetter war sehr schlecht geworden; doch unterhielt ich mich auf der Fahrt recht gut mit meinem Reisegefährten, einem Schweinfurter Bierbrauer, welcher, um Schulden einzutreiben, nach Ansbach gereist war, jetzt unverrichteter Sache zurückkehrte, und dem vor den Vorwürfen seiner Frau entsetzlich bang war. Ich sprach ihm Muth zu; er trank zur Stärkung einige Glas Bier unter Wegs; nichts desto weniger nahm seine Angst immer mehr zu, je näher wir Schweinfurt kamen. Zuletzt konnte er es im Wagen nicht mehr aushalten und schlich sich zu Fuß in die Stadt. –

Gestern früh um 9 Uhr bin ich in mein Nest wieder zurückgekehrt; groß war meine Freude, als ich auf der Höhe des Berges angekommen, die Stadt im Kessel vor mir liegen sah; ich erblickte meine Wohnung, die bekannten Häuser und Plätze, wo ich doch manche frohe Stunde zugebracht habe, und freute mich die Freunde wiederzusehen, von denen ich doch mehrere recht herzlich lieb gewonnen. In meinem Hause wurde ich von der Familie des Oberlandesgerichtsraths Ulrich mit Jubel begrüßt; ich war erstaunt das Haus inwendig reparirt, neu angestrichen und mit Blumengewinden13 ausgeschmückt zu finden. Zu meiner größten Ueberraschung hörte ich, daß sich in der Zwischenzeit die älteste Tochter verlobt und vor drei Tagen ihre Hochzeit gefeiert habe. Nachdem ich mich in meiner traulichen Wohnung wieder ganz eingerichtet hatte, machte ich dem Präsidenten meinen Besuch, der mich freundlich empfing. Ferner suchte ich meine Freunde auf, die aber alle noch in dem alten Sumpf staken, und deren Gemüthsstimmung gerade keinen günstigen Eindruck auf mich machte. In der Ferne verschwindet immer das Widerwärtige und Mangelhafte eines Zustandes, und das ganze Bild wird in der Erinnerung verklärt. So geschah es auch mir und mit ungeduldiger Freude fuhr ich Arnsberg entgegen. Nun fand ich aber meine Freunde in der alten mit Ironie und Wuth gemischten Resignation, und die leidigen Schäden traten wieder in grellster Beleuchtung mir vor die Augen. Meine Freude wurde dadurch gestört, die nächste Zukunft mir verdunkelt, und ich saß wieder in dem alten Mist. Dazu kommt ein rauhes kaltes Herbstwetter: die Berge sind in Nebel gehüllt und der Himmel selbst ist nur ein grauer Nebel, denn man sieht nicht gestaltete Wolken. Mit Entsagung muß ich mich nun in das Leben finden, mein Gemüth waffnen und mein Auge für die Schäden blind machen. So wird es bald gehen, eine Art Zufriedenheit eintreten und es werden die Menschen und Jahre mit überraschender Eile vorübergehen. Das Beste ist dann, daß gearbeitet worden, die Arbeit soll jetzt mein Leben sein; ich werde mich von Gesellschaften etwas zurückziehen, und da mein Hausgenosse, Referendar von Vinke ein dünkelhafter weibischer Mensch, ein langweiliger Schwätzer ist, so werde ich auch die Abende zu Haus meistens einsam verleben. Die Erinnerung an meine Reise soll dann die Erholung sein.

In der Gesellschaft hat sich auch in der Zwischenzeit manches verändert: kleine Spannungen haben sich vergrößert; angehende Freundschaften inniger geschlossen; der Musikdirektor hat sich verheiratet; mein Freund d’Alquen, der in demagogischer Untersuchung14 war, ist nach Belgien ausgewandert; der Oberforstmeister von Pachelbl, dessen Haus ich auch zuweilen besuchte, ist nach Potsdam versetzt und endlich der neue katholische Kirchen- und Schulrat in voriger Woche in die Regierung eingeführt worden. –

Von Gottlieb habe ich noch zu erzählen, denn ich bin eben erst in Schweinfurt eingetroffen; ich kam am Sonntag15 Mittag um 2 Uhr an, und wurde von ihnen16 schon seit einigen Tagen erwartet, da Dein Brief mich am 26sten September angemeldet hatte. Dieser lang ersehnte Brief hatte ihnen große Freude gemacht und alle Besorgnisse und Bedenken wegen Deines – für sie – unerklärlichen Stillschweigens niedergeschlagen. Thekla ist ein inniges herzliches Gemüth, eine gute sanfte Schwäbin, ruhig, einfach und offen; das kann man wirklich eine glükliche Ehe17 nennen; die kleine Wilhelmine ist ein allerliebstes Kind, der Mutter ähnlich, braunes Haar und dunkle Augen; lebhaft und lustig; die kleine Helene mehr ruhig und still vergnügt, ein behagliches Wesen. Gottlieb habe ich etwas gealtert gefunden; viel trägt sein graues Haar dazu bei, auch lebt er so einfach und hydropathisch18, daß er dabei unmöglich Fleisch ansetzen kann; doch befindet er sich recht wohl. – Das Wetter war in Schweinfurt nicht zu Spaziergängen und Ausflügen günstig; von den Leuten besuchte ich Dekan Ulrich und Rektor Oehlenschläger, die Deiner freundlichst gedenken19, auch ist jetzt ein Sohn von Grundherr auf Glockenhof in Schweinfurt als Assessor angestellt. Mit Dekan wurde viel Kirchliches und Politisches lebhaft verhandelt; wenn er auch leidenschaftlich die Gegenstände von sehr verschiedenen Seiten und zuweilen einseitig betrachten kann, so ist er doch ein sehr tüchtiger geistvoller Mann, dessen Unterhaltung immer bedeutend und anregend ist. – Am Montag20 Abend wurden wir durch die Ankunft von Vetter Georg überrascht, der von seiner Reise nach Frankfurt und Wetzlar zurükkehrte; er ist sehr groß geworden, größer als sein Vater, und hat ein einnehmendes Wesen. Tholucks waren in Schweinfurt recht lange vor meiner Ankunft zum Besuch21, und haben auch von ihrem Aufenthalt in Berlin erzählt. Dadurch habe ich denn durch dritte Hand erfahren, daß Du damals ganz elend und miserabel gewesen bist, und Dich in großer Aufregung befunden hast. Das alte Kapitel will ich nicht behandeln, da sich jetzt Karl bei Dir befindet und dieser die ihm obliegenden Sorgen gewiß pflichtgemäß erfüllen wird. Doch ist es Unrecht, daß Du mir Dein Unwohlseyn verschwiegen hast, denn Offenheit und unverfälschte Wahrheit muß die erste Grundlage eines Briefverkehrs sein; durch solches Verschweigen verliere ich das Vertrauen und kann Deinen Versicherungen über Dein Befinden keinen festen Glauben schenken.

Da die Post von Schweinfurt nur 2 mal in der Woche nach Kassel geht, so mußte ich die nächste, am Dienstag benutzen und daher Gottlieb schon am 3ten Tag wieder verlassen. Mir wurde es recht schwer, mich so bald von ihnen wieder zu trennen, denn eben war ich erst bei ihnen warm, und mit der lieben Thekla vertrauter geworden, da ich schon Abschied nehmen mußte. Doch ist auch ihre Entbindung so nah, daß ich in das Wochenbett hineinzugerathen befürchten mußte.22 – Von Schweinfurt fuhr ich Abends 6 Uhr ab nach Meiningen, wo ich um 4 Uhr ankam; legte mich dann noch etwas nieder und ging am Morgen in der Stadt und dem Park spazieren. Leider fiel es mir zu spät ein, daß Friedchen Müller, als Frau Direktor Knochenhauer sich dort aufhält; sehr gerne hätte ich sie, wenn es auch etwas früh gewesen, am Morgen besucht. Um 9½ Uhr am Vormittag ging es weiter durch den Thüringer Wald nach Eisenach, durch ein freundliches fruchtbares Land in der Nähe von Liebenstein und Altenstein vorbei. Unmittelbar vor Eisenach durchschneidet man den Kamm des Thüringer Waldes: schöne Waldungen ziehen sich die Höhe hinauf, durch welche gute Fußwege geführt sind; auf dem Berge zurückschauend sieht man Wilhelmsthal, ein Landhaus in der Tiefe des Thals an grünen Wiesen liegen, eng eingeschlossen von waldigen Bergen. Setzt man den Weg weiter fort, so kommt man zu einem Wirthshaus, die Sonne genannt, von wo aus man das jenseitige Thal übersieht, vor sich auf dem Berge die Wartburg. –

In Eisenach bleibt die Post 2 Stunden liegen, von 4–6 Uhr; ich eilte rasch auf die Wartburg hinauf, um wenigstens von dem Wachtthurm aus die Aussicht zu genießen. Ich hatte mehr erwartet, vielleicht mag die Beleuchtung nicht günstig gewesen sein; nur auf der einen Seite sieht man waldigste Berge: sonst sind ringsum die breiten Höhen, die sich in die Ferne ziehen, des Holzes beraubt, und zu Äcker urbar gemacht werden. Das innere der Burg hatte ich nicht Zeit zu sehen, da ich noch zu Mittag essen mußte. – Nach Kassel, wo ich ebenfalls in der Nacht um 3 Uhr ankam, fuhr ich mit drei adligen hessischen Damen. Hier mußte ich bis Freitag Nachmittag liegen bleiben, ging spaziren, besah die Kunstausstellung23, wo ich Lessings Leonore und kleine Figuren von Schwanthaler wiederfand, welche letzteren die berühmtesten Maler darstellen und als Modelle entworfen wurden, für eine Reihe von Statuen, die König Ludwig projektirt hat; das sind meist ganz vortreffliche Figuren, höchst geistvoll und karakteristisch aufgestellt. In der Gemäldegallerie erfreute ich mich des Reichthums an Niederländern24, denn sie besitzen besonders Portraits und Landschaften von Rembrandt. – Hierher fuhr ich bei schlechtem Wetter, die Nacht durch über Arolsen in der Gesellschaft von zwei Westfälischen – Schinken? o, nein! – Kaufleuten, der eine aus Paderborn, der andere aus der Mark. –

Ich erwarte jetzt wieder sehnlichst Briefe von Euch, indem ich gespannt bin, von Karl Bericht über den Antritt seiner Praxis25 zu erhalten, auch weitere Nachrichten von den Freunden und wie er lebt und sich behagt. Auch über die Mutter mußt Du mir ausführlich schreiben, lieber Karl. Uebrigens danke ich noch nachträglich für die Bezahlung der 24 rt an den Referendarius Wilhelmy. Die Mutter hat von mir 64 fl 15 Xr = 36 rt 21 sg 6 Pf. zu erhalten, welche ich von Siegmund in Empfang genommen26; Du aber die obigen 24 rt und ferner 30 fl. Münze = 21 rt (jedenfalls so hoch wegen des Antheils an den Spesen für den Wechsel zu berechnen), welche Du mir in Wien geliehen. Also bin ich im Ganzen Euch schuldig 81 rt 21 sg 6 Pf.. Ich bitte und beauftrage Dich daher, die 100 rt in Staatsschuldschein, welchen ich der Mutter Ende Mai dieses Jahres mit andern 200 rt in Staatsschuldschein gesendet, zu verkaufen, die Schulden zu bezahlen, und den Rest für mich in Cassa zu behalten. (Ich bitte Dich überhaupt, sehe meinen Conto-Courrent ein bischen nach). Nächstens werde ich auch Kleidungsstücke bestellen, Rock, Hose, seidene Weste, wo Ihr dann schon Ausgaben für mich haben werdet: Kleinigkeit, wie Hosenträger, Handschuh habe ich mir in Nürnberg angeschafft. – Mit baarem Geld bin ich jetzt reichlich versehen. – Lebt nun wohl, Ihr Lieben, und gedenkt recht oft

Eures Immanuel