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Karl Rosenkranz an Karl Hegel, Königsberg in Preußen, 16. Mai 1840

Mit großer Freude, ja mit inniger Rührung habe ich, lieber Karl Hegel2, den günstigen Eindruck vernommen, den meine Biographie bei Ihnen und der Mutter gemacht hat. Wie wunderbar mir oft zu Muthe ist, daß die göttliche Vorsehung mir diese Arbeit zugewendet hat, wie dankbar ich dafür bin und wie ich, diesem Amt Ehre zu machen, Alles aufzubieten suchen werde, wissen Sie schon. Ihr Beifall gilt mir als die mächtigste Garantie für das Gelingen. Ich schreibe nur flüchtig, einige Ihrer Bedenken zu heben.

  • 1) Gegen die Mittheilung des Manuscriptes an Freunde, zumal an solche, wie Marheineke, Hotho, Schulze, habe ich nicht nur nichts, sondern wünsche sie sogar. Denn so sehr ich gegen eigenmächtiges Ändern im Manuscript protestire, so wenig bin ich dem Rath, dem Urtheil Anderer verschlossen.
  • 2) Ich denke, Sie machen dem Verein der Freunde des Verewigten Verein gar keine Bedingung in Betreff meiner Selbstständigkeit. Da wir doch allzumal Freunde sind, wollen wir hoffen, daß bei eventuellen Beanstandungen, wir uns doch immer einigen. Ich will nur nicht, daß man mir so ohne Weiteres eingreife und hatte die Besorgniß, daß Schelling’s Hinkunft nach Berlin3 vielleicht Manches in anderem Licht könnte erscheinen lassen. Dies war auch der Grund, weshalben ich, um der Energie in der Vertheidigung Hegel’s gegen Schelling nichts zu vergeben, ich sogar Unabhängigkeit vom Verein wünschte; aber es sollte dies nur zur Bequemlichkeit desselben, nicht meinetwegen sein.
  • 3) Daß die Biographie innerhalb der sämtlichen Werke erscheint4, ist natürlich das Beste.  Warum soll diese Einheit zerrissen werden? Aber Sie schrieben mir einigemal so mißlaunig über Duncker, Sie gaben diesem Mann so viel Bedeutung, daß ich glaubte, sich nicht von ihm geniren zu lassen, wo es große Zwecke gilt. Er wäre ein Thor, auch für seine Casse zumal, wenn er die Biographie nicht nähme. Will er nicht, so soll es nicht an einem Verleger fehlen.
  • 4) Der erste Band wird nach meiner Berechnung mit der 1½ Druckbogen starken Vorrede 20 bis 21 Bogen stark. Sollten es weniger, nur 15 bis 16 werden, so schlage ich vor, ihn als erste Abtheilung des Bandes bro- chirt auszugeben. Eben so die zweite und dritte Abtheilung. Ich hoffe nämlich, daß dadurch noch uns ganz verborgene Quellen über Hegel geöffnet werden könnten. Cousin in Paris, Windischmann‘s Erben, Creuzer in Heidelberg, Göritzens in Stuttgart, Paulus in Heidelberg müssen gewiß noch Briefe haben und uns ganz unbekannte Menschen würden vielleicht in den Journalen Manches geben, sobald nur, wie ja immer in der Welt, erst der Impuls da ist. – Durch jene Einrichtung der Abtheilungen bliebe Alles für die Zusammenfassung des Buchbinders frei.
    Die Stärke des zweiten Bandes, worin ich das eigentliche speculative Feld betrete, schätze ich auf beinah 30 Druckbogen. Der dritte Band dagegen dürfte wieder nur so stark als der erste werden.
  • 5) Sie sind endlich so gütig, mir für die Propädeutik5 und Biographie die Theilung des Honorars also 1 ½ Louisdor für den Bogen anzubieten, worauf die 200 Thaler, welche ich schon vorjährig empfangen habe, zu verrechnen sind.

Sie wissen, wie mich dieser Umstand innerlich mitunter chicanirt hat. Da ich aber in der That bei der perennirenden Kränklichkeit meiner Frau und meiner Bücherwurmkrankheit nicht Geld genug haben kann, wie auch sagen muß, daß ich natürlich viel mehr Geld mit andern Arbeiten verdienen könnte und doch gewiß noch zwei Jahr um und um zu thun habe, so stehe ich nicht an, in Rücksicht meiner Familie Ihr wohlwollendes Anerbieten anzunehmen. Es gewährt mir die Möglichkeit, ruhig fortarbeiten zu können, indem ich meine Sosier nun auf einstige Zahlungen Dunckers verweisen kann. Duncker hat ja doch genug Profit, da er bei den ferneren Auflagen kein Honorar zu zahlen hat. Ich sehe also diese Sache als abgemacht an und danke schon im Interesse der Biographie herzlich dafür.

Mit besten Empfehlungen an Ihre verehrte Mutter in Eile.

Ihr Karl Rosenkranz.

P. S. Sie scheinen mit dem Manuscript zufrieden. Der Sicherheit halber ist mir Verdoppelung solcher Dinge immer gut, allein ich mußte die Abschrift auch deshalb machen lassen, weil ich mein Manuscript zum Fortarbeiten während des Drucks doch muß hier haben, um nachsehen zu können. Was sagen Sie doch zu den Aufsätzen Ihres Vaters: das Schicksal und seine Versöhnung und das Abendmahl? Sind das nicht einzige Perlen? Es überraschte mich immer aufs Höchste, wenn ich aus dem Papiergewirre so ein Ganzes zusammenfand. Ich werde in die Vorrede einen Dialog zwischen zwei Juden im Zuge Moses durch die Wüste bringen, ob die Rauchsäule eine Kohlenpfanne oder Gott selbst sei, der unsern Hyper =6 Rationalisten, wie Hyper = supernaturalisten gleich am Eingang zum originellen Wegweiser dienen soll.