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Georg Beseler an Karl Hegel, Rostock, 12. Februar 1841

Lieber Hegel!

Die Entschiedenheit, mit der Du meinen Vorschlag2 aufgenommen hast, wird mich natürlich nur um so mehr veranlaßen, ihn nach Kräften zu betreiben. Allein es ist bis jetzt nichts weiter als ein Plan von meiner Seite, deßen weiter Wann und Wie noch im Schoße der Götter liegt. Stelle Dir die Sache daher nicht zu sicher und zu nahe vor, damit Warten oder gar Mißlingen Dich nicht wieder bangt. Wenn sich bis Ostern3 nichts entscheiden sollte, so hast Du nur Eins zu thun. Du mußt Dich in Berlin habilitiren, und mit aller Energie an Deiner florentinischen Geschichte4 arbeiten. Ohne besondere Umstände ist der schriftstellerische Name das einzige Mittel, schnell dem Privatdocententhume zu entkommen; gerade in der Historie sind die guten Docenten und Autoren eine seltene und sehr gesuchte Waare. – Kannst Du nicht sofort beides, so laß über das Schreiben einstweilen das Habilitiren anstehen, – beßer als umgekehrt. So viel im Allgemeinen; nun zu unserer Sache.

Einige Umstände sind uns nicht günstig. Einmal beengt mich meine Stellung zu meinem Collegen Türk, der mir persönlich nahe steht, und daher von mir nicht erwarten wird, daß ich ihm einen Stellvertreter herbeiziehe. Allein das bewegt mich doch nicht, weil Türk als Docent nichts leistet, und das Intereße der Universität und meines besonderen Fachs nothwendig die Thätigkeit eines Historikers erheischen. Schlimmer ist, daß der Referent in den Universitätssachen beim Ministerium, auf den ich rechnen konnte, gerade jetzt sein Referat abgegeben hat, und mir daher gegenwärtig diese Stütze fehlt. Der einzige, durch den ich nun wirken kann, ist der Vice-Kanzler von Both, ein Mann von lebhaftem Intereße für die Universität und von entscheidendem Einfluß, auch mir sehr geneigt und vertrauend, leider aber zuweilen eitel und schwankend, so daß nicht immer ganz fest auf ihn zu bauen ist.

Indeßen ich habe es mit aller Feinheit und Energie begonnen, ihn für Deine Berufung zu verarbeiten, und so weit ich es übersehen kann, habe ich ihn ganz dafür gewonnen. Nur habe ich sofort eine Diversion machen müßen, und auf den Fall, daß man die Profeßur der Philosophie mit einem Philosophen vom Fach besetzen will, die Übertragung einer außerordentlichen Profeßur der Ge- schichte, natürlich mit anständigem Gehalt, an Dich in Vorschlag gebracht. Both zieht nun Erkundigungen in Berlin über Dich ein, und zwar bei Schulze, – ob direct oder indirect, habe ich nicht herausbringen können. Jedenfalls muß nun Schulze sofort an Both schreiben, damit die Sache wo möglich bis Ostern arrangirt wird. Er muß Deinen Charakter, Deine Leistungen als Oberlehrer, dann Deine philologischen Studien und vor Allem natürlich Deine Befähigung zum Historiker hervorheben, und seine persönliche Neigung zu Dir so stellen, daß Both sieht, daß er durch eine Verwendung für Dich sich ihm verpflichtet. Die Hauptsache bleibt immer, daß Both sich von Deiner Tüchtigkeit auch von dieser Seite her überzeugt; doch wird es auch gut seyn, daß Schulze die Sache so faßt, als ob der erste Gedanke von der Berufung eines Historikers von Both ausgegangen ist; wenigstens wird meiner beßer nur insofern gedacht, als ich die Nachricht von dem Plane gegeben habe. –

Hat übrigens Both sich directe an Schulze gewandt, was ich fast glaube, so macht sich die Sache ja von selbst. –

Ist Both entschieden für Dich gewonnen, so daß er Anträge bei der Regierung5 macht, so hoffe ich, daß sie durchgehen. Hinderlich wird freilich für jenen oben supponirten Fall seyn, daß die Regierung vor einiger Zeit es officiell aus- gesprochen hat, nur in ganz besonderen Fällen außerordentliche Profeßoren creiren zu wollen. Aber ein solcher Fall liegt ja vor, und dann ist die Consequenz der hohen Regierung nicht eben sehr fruchtbar.

Die Zeugniße, welche Du vom Examen und von der Schulpraxis hast, sende mir nur immerhin zu.6 Ich kann doch vielleicht zur rechten Stunde einen wirksamen Gebrauch davon machen.

So viel für diesmal; ereignet sich etwas Neues in der Sache, so schreibe ich Dir sofort. So viel Du kannst, mußt Du Schulze zum Schweigen zu vermögen suchen; vor Allem aber zur baldigen Correspondenz mit Both. Gott gebe einen guten Ausgang.

Stets Dein getreuer
GBeseler.

P. S. Wenn Du davon erfährst, so scheibe mir auch, ob und wie Schulze an Both geschrieben hat. – Die Philosophie der Geschichte7 habe ich nebst Deiner Dißertation8 tuo nomine an Both geschenkt – es machte sich gerade so; gelegentlich kannst Du mir ein anderes Exemplar zukommen laßen, wenn Du noch eins hast. –