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Georg Gottfried Gervinus an Karl Hegel, Heidelberg, 13. Februar 1841

1(Notiz aus einem Briefe.)

“ als Kürzungszeichen Ich höre, daß Grimm sich gar nicht in Berlin gefallen haben soll. Es ist doch auf allen 7 ein Unstern! Die Grimm schreibt, ihren Männern sei wie der Boden genommen seit jener Zeit; wie geht es Dahlmann! Ewald in Unfrieden mit aller Welt, und hat seine Frau verloren! und Albrecht hat ein Hauskreuz bekommen! Und mir? es ist doch am Ende auch Schade, daß ich blos so für mich hin lebe. Es gibt doch den Bestrebungen einen anderen Nerv, wenn man lebendige Wirksamkeit auch noch so kleine hat und sieht. Das erklärt mir Schillers energisches Wirken in Jena, und dann auf der Bühne in Weimar; und das Göthes Bosheit. Man geräth unwillkürlich hinein. Sonderbar, daß ich deutlich fühle, wie ich unter meinen Arbeiten die ich viel weniger betreibe als sonst, viel mehr leide! Ich werde daher, wie Göthe rieth, sobald nichts weitaussehendes beginnen dürfen, denn meine Nerven leiden sehr. Ich hatte sonst einmal den verwegnen Gedanken an eine Weltgeschichte, die weiter und gründlicher und schöner gegriffen sein sollte, als Schlosser’s, ich erschrecke jetzt wenn ich daran denke, obgleich dem Anschein nach keine Lage dafür günstiger scheinen könnte als die meine. Dem letzten Band Literatur-Geschichte2 wirst Du ansehen, daß er zu Ende eilt. Ich behalte für die Romantiker nur Raum zu einem Überblick auf circa 6 Bogen. Doch wird das Opus dadurch geschlossener und bleibt dem ersten Plane, der nur bis auf das 19te Jahrhundert aussah, ganz treu, was mich sehr freut; es rundet und schließst sich nun mit Göthe und Schiller trefflich ab.

Ich war mehrere Wochen unwohl und theilte also Dein Leiden. Du hast mir nicht auf meinen letzten Brief3 geantwortet, namentlich nicht auf die Anfrage ob Du nicht eine kleine Erholungsreise hierher machen möchtest. O daß es doch erst Eisenbahnen gäbe! – Von Ida grüß ich Dich wieder. Sie wohnt jetzt in der Stadt. Ich schrieb Dir wohl daß unsere Interimswohnung im Hörnchen ist für diesen Winter, also in Ida’ens Stuben! Sie steht mit meiner Frau sehr gut, wie wir überhaupt jetzt einen sehr heiteren Kreis haben, nicht eben einen sehr begeisternden. Ida ist ein eignes Wesen; repectabel durch und durch, (° aber doch nicht ohne ganz eigne Sonderlichkeiten, die von einer gewissen Kopfscheu und neugieriger Zerstreutheit ausfließen, Eigenschaften die sie bei Mutter und Verwandten sich angewöhnt haben mag, die ihr ihre Selbständigkeit und Ruhe nicht ließen. Daß sie dieß fühlte und um jeden Preis endigen wollte, ist gewiß der ächte und sehr ehrenhafte Schlüssel zu ihrer Heirath.)4Victorie grüßt bestens. Wenn Du Dönniges siehst so grüß ihn. “ als Kürzungszeichen5