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Karl Hegel an Universitätsvizekanzler Carl Friedrich Both, Berlin, 24. April 1841

Hochwohlgeborener Herr!
Hochzuverehrender Herr Vice-Kanzler!

Ew.2 Hochwohlgeboren verehrliches Schreiben vom 21ten dieses Monats3, worin die hochgeneigte Anfrage an mich ergeht, ob ich die Stelle eines außerordentlichen Professors der Geschichte an der dortigen Universität mit einem Jahrgehalte von 400 Rth N ⅔ anzunehmen bereit sei, hat mich mit Freude und mit inniger Dankbarkeit gegen Ew. Hochwohlgeboren und die hohe Landesregierung erfüllt. Das ehrenvolle Zutrauen, welches darin für mich ausgesprochen ist, beschämt mich eben so sehr, als es mich zugleich wieder ermuthigt und mir die Hoffnung gibt, daß es meinem treugemeinten Streben gelingen werde, den Erwartungen Ew. Hochwohlgeboren nach dem Maaße meiner Kräfte je länger je mehr zu entsprechen. Indem ich den an mich erlaßenen Ruf dankbar annehme, wird es von jetzt an mein ernstliches und einziges Bemühen sein, Ew. Hochwohlgeboren, der hohen Landesregierung und dem Herrn Geheimen Ober Regierungs Rath Schulze, auf dessen Wort dieselben vertraut haben, meine Dankbarkeit durch gewissenhafte Verwaltung des mir übertragenen Lehramts zu bethätigen. Ew. Hochwohlgeboren haben mir Zeit genug vergönnt, mich für die schwierige Aufgabe meines neuen Berufs mich näher vorzubereiten; ich habe mich deshalb unverzüglich an meinen Freund, Herrn Professor Beseler, gewandt, um von ihm zu erfahren, welche geschichtlichen Vorlesungen zunächst etwa Bedürfniß für die dortige Universität sein und in Ew. Hochwohlgeboren erlauchteten Absichten liegen möchten. Deutsche Geschichte, mittlere, späterhin neue und Universal-Geschichte sind die Privat-Vorlesungen, zu welchen ich mich erbiete. In meinen öffentlichen Vorlesungen gedenke ich die Politik4 des Plato und Aristoteles, den Fürsten5 des Machiavelli und den Geist der Gesetze6 von Montesquieu zu behandeln.

Auf die deutsche Geschichte, welche ich mit besonderer Vorliebe betrieben habe, werde ich die übrigen Vorlesungen wie auf ihren Mittelpunct zu beziehen suchen. Das in unsrer Zeit glücklich wiederbelebte und neu gestärkte Nationalgefühl wird, hoffe ich, auch dem Studium unsrer Geschichte ein erhöhtes Interesse verleihen, und kann seinerseits nur aus der gründlichen  historischen Kenntniß das richtige Verständniß unsrer nationalen Zwecke empfangen.

In Betreff der mir hochgeneigtest zugedachten Entschädigung für Reise- und Umzugskosten glaube ich Alles lediglich Ew. Hochwohlgeboren gütigem Ermessen ganz gehorsamst anheimstellen zu müssen.

Herr Geheimer Ober Regierungs Rath Schulze läßt Ew. Hochwohlgeboren, mit angelegentlichster Empfehlung, gleichfalls seinen Dank und seine herzliche Freude über meine Berufung ausdrücken.

Indem ich Ew. Hochwohlgeboren weiterer Bestimmung ganz gehorsamst entgegensehe, um sodann das Verzeichniß der von mir für das nächste Winter-Semester anzukündigenden Vorlesungen an den derzeitigen Decan der dortigen philosophischen Facultät zu übersenden, freue ich mich im Voraus auf den Augenblick, wo es mir vergönnt sein wird, denenselben die Verehrung und die tief gefühlte Dankbarkeit persönlich aussprechen zu können, mit der ich stets verehre

Ew. Hochwohlgeboren
ganz gehorsamster
Carl Hegel Dr. philosophiae