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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Magdeburg, 4. April 1843

Lieber Karl!

So eben ging ich nach der Sitzung nach Hause um zu sehen, ob von Dir noch kein Brief angekommen sei; und endlich finde ich ihn vor. Ich erwartete ihn täglich und hielt es deshalb für überflüssig, Dir vorher zu schreiben, um so mehr als ich meine allgemeine Bereitwilligkeit zugesichert hatte. Ich konnte auch in der That, Dir keinen festen Termin in den letzten Tagen zusichern, weil mehrere meinen Wirkungskreis verändernden Bestimmungen erwartet wurden. Nun sind diese aber noch nicht eingetreten, und habe ich tüchtig geackert, um mir das Feld frei zu machen. Wegen morgender Sitzung und mehrerer schleuniger Sachen kann ich aber doch erst Freitag2 hinüber kommen; wenn ich nicht abschreibe, komme ich also am Freitag mit dem zweiten Personenzug, der – ein Haller – um 10 Uhr Morgens hier abfährt und ungefähr um 6 Uhr Abends in Berlin eintrifft. Urlaub werde ich hoffentlich erhalten. Vor Ostersonntag3 denke ich aber ebenfalls nach Magdeburg zurückzureisen.

Der Mutter werde ich auch noch vor meiner Abreise von hier schreiben. – Gestern hatte ich eine große Freude und Ueberraschung, indem ich nach meiner Rückkunft von dem Spaziergang einen großen Ballen vorfand, in diesem eine Kiste, und in der Kiste das Relief der Mutter von Affinger in Gyps. Sehr schön, bedeutend und würdig, ausdrucksvoll und plastisch, aber alt und etwas scharf und ernst; er machte das Bild, wie die Mutter von der Krankheit noch nicht ganz hergestellt war; das Alter und die Schroffheit der Züge erschrak mich zuerst etwas; doch versöhnte mich bald mit dem Bilde, weil es den Kopf sehr karakteristisch und mit Energie aufgefaßt hat. Die beweglichen Züge der Mutter müssen auch plastisch dargestellt, ungewohnt starr erscheinen.

Wegen der Größe und Schwerfälligkeit der Kiste, in welcher noch Kleidungsstücke der Mutter etc. eingepackt waren, kann ich das Bild nicht wohl nach Berlin mitbringen, da es einer Beschädigung ausgesetzt ist.

Doch von Allem mündlich mehr; grüße die Berliner Freunde fürs erste herzlich.

Leb recht wohl, lieber Karl, bis auf

Wiedersehen

Dein treuer Bruder
Immanuel.