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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 20. August 1843

So weiß ich Dich denn nun in Hamburg als am – Ziel Deiner Reise – (Ziel – Ziel – lautet verfänglich!) Ich habe Dich auf Deiner Fahrt mit dem Dampfschiff den 3ten August 1843 nach Copenhagen begleitet – Dein Brief2 ist uns der Wegweiser, der uns dort selbst in einen Kreis heglischer Geistes Verwandter eingeführt hat. Ich theilte ihn in der Freude meines Herzens dem ehrlichen Matthies, der eben zu mir kam mit, der unter ihnen einen Universitäts Freund in München fand und schickte ihn gleich weiter an Manuel – aus dessen Antwort auf den Vorhergehenden ich ersehe, daß er Dir schon nach Hamburg geschrieben hat – Aber Dein Mütterchen darf Dir hier als Dein guter Schutzgeist nicht fehlen; Mit meinen Herzenswünschen und Glaubensaugen Dir Dein Wohl Gott befehlen und deß gewiß sind „Er wird es wohl machen“3 begleit ich Dich in dieser mir unbekannten, Dir interessanten Welt –

Du möchtest hier hören, wie mir Hoffmanns gefallen haben – Wir waren wie alte Bekannte, in der ersten halben Stunde im besten Zug – Sie kamen Sontag gegen Mittag – ich hatte den Muth ihnen gleich anzubiethen ob sie mit einer einfachen Mittagssuppe vorlieb nehmen wollten – jetzt oder Morgen. – Sie waren, da sie den Bruder erwartete, und auf Sontag eine Fahrt nach Potsdam projectirt war, für beide Mittage nicht mehr frei – Die liebe Frau sagte aber zu Hoffmann „Sieh, ich wäre bei der lieben Professor Hegel viel lieber als in Potsdam ach laß uns lieber Potsdam aufgeben!“ Ich konnte dieß Opfer nicht annehmen und beschied sie aufs Wetter – das zu meinen Gunsten Sontag wirklich mit bedecktem Himmel entschied. Nach Goßners Kirche – der der lieben Frau, wie sie ehrlich bekannte, nach dieser ersten Bekantschaft nicht mundrecht und viel zu allgemein predigte, wurde ausgemacht daß sie Potsdam aufgaben und zu mir kommen – Da konnte ich ihnen freilich mit weiterer Gesellschaft keine Ehre anthun und bat nur unsern Hausfreund Matthies, der doch manche Bereicherungspunkte mit Hoffmann hatte, und der noch viel mehr von der lieben Frau entzückt war. – Nachtisch kam die Klitzing und so schieden sie erst nach 6 Uhr mit herzlicher Liebe von mir – Ich gab ihnen noch Briefe nach Nürnberg, die ich am Morgen Montag 7 Uhr noch auf die Eisenbahn schickte mit, wodurch sie, da sie sich gar so sehr darüber freute (sagte mein Mädchen) vielleicht die Bekanntschaft meiner lieben Geschwister in Nürnberg macht. Ihre Schwester 4, die ihr so ähnlich sieht, daß ich sie schon vom Fenster aus als ihre Schwester Hoffmann erkannte, ist eine liebe Bekannte von Gottlieb und Thekla – Mitglied ihres Singvereins – Gottliebs sind wohl noch in Stuttgart wohin sie über Leitheim auf 14 Tage – 3 Wochen reisten – Siegmunds in Simmelsdorf, Schwarzens in Henfenfeld, da ist nur noch Sophie und 5 im Garten aber ich denke vor ihrer Abreise sind Gottliebss wieder zurück.

Ich habe mit ihnen, was die Hauptsache ist, ausgemacht, ich wollte wenn ich nach Warnemünde reise, mit meiner Reise auf den Tag ihrer Ankunft hier Ende August oder den 1sten September warten und mich an sie anschließen. – Aber nun hab ich an der Predigerin Sybel, meiner theuren Gehülfin, die leider auch schon von den Anstrengungen des Kranken Hauses so nervenschwach und abgemagert ist, daß sie nach dem Willen des Arztes eines Seebaads bedarf, eine liebe Reise Gefährtin – Wenn sie Dir so zusagt wie Manuel, so wird Dich ihre Gegenwart, mit der die feinfühlende Frau uns nicht stören wird, eine liebe Zugabe seyn. Sie nimmt ihr 5 Jahre liebes, stilles, wohlgezogenes Töchterchen mit – Goßner nimmt es leichter als wir, daß wir beide zugleich das Kranken Haus verlassen, er sieht daß uns beiden eine Stärkung noth thut, und ermuthigt uns den Willen des Arztes und der Nothwendigkeit zu folgen – er hofft wir erstarken – Gott geb es! So reisen wir dann auf eigene Hand, wenn nichts dazwischen kommt Donnerstag den 24sten August – übernachten in Rostock, wenn wir Dich nicht finden im Gasthoff, und gehen am andern Morgen oder Mittag mit dem Dampfschiff nach Warne- münde, wo wir wenn auch nicht gleich bei Weymers, doch sonst wo ein Quartier, wo möglich auf der Schanze6 nehmen. Wir bringen Steppdecken und Bezüge mit und finden auch da gute Betten, ohne daß die Deinigen erst herüber transportirt werden müssen – der lieben Sybel wegen, möcht ich so schnell wie möglich durch Rostock und wenn ich sie untergebracht und wir uns erst in Warnemünde eingerichtet haben, will ich Deine und meine liebe Lermunde dort besuchen und wenn es Deiner Hausfrau nicht zu viele Mühe macht, bei Dir wohnen. Ich wohne in Warnemünde mit der Sybel zusammen, wir nehmen zusammen ein Mädchen, so kommt es ihr und mir viel billiger, kochen uns selbst – Könnten wir nur zu Weymers, da wäre Raum genug für sie und mich und Dich – Beschleunige um unsertwillen nicht Deine Rückreise – ich komme ohne Dich nach Warnemünde und erwarte Dich dort! Welche Freude!

Mit meinem Befinden geht es, bis auf Nervenschwäche, die ich bei der kleinsten Anstrengung fühle, wie sonst nie, ganz leidlich gut – Mein gutes Mädchen ist aber leider brustkrank im Kranken Haus – sie lag mir mehrere Wochen an einem Gasterischen Fieber wie vorigen Winter, nun zeicht sich daß die Lungen krank – ihr Luft Mangel und Husten machen sie unfähig zu dienen. Ein schmerzlicher Verlust für mich! Ich behelfe mich jetzt mit Aushülfe – Überlasse mein Wohnung wohl Schlesingers oder Herrmanns, denen ich eine große Freude damit mache und die mir lieber sind als sonstige bezahlte Wächter – Ich finde nicht so leicht wieder eine Luise so still und sittsam und treu! Machst Du in Hamburg die Bekanntschaft der 7 so grüße sie herzlich und sage mit welchem Theil8