Eure lieben freundlichen Wünsche sind zwar nicht brieflich an meinem Geburtstag eingetroffen; ich war aber doch an diesem Tage ihrer gewiß und die Vergegenwärtigung Eurer theilnehmenden Liebe und Eures Andenkens hat ihn mir in stiller Freude verleben lassen. Wenn nicht andere Sorgen, von denen ich Gott Lob nicht gedrückt bin, so tritt doch an solchem Tage die Unaufhaltsamkeit der Zeit mit eindringlichem Ernst vor das Gewissen, und mahnt die kurze Lebensdauer mit emsigem Bemühen zu nutzen. Wie rasch die Jugendjahre sich entfernen, trat mir in diesen Tagen recht lebhaft vor die Seele, als ich einen Brief von unserem Freunde Deininger empfing, der mich nach langen Jahren wieder begrüßt hat. Ich lege den Brief bei, bitte ihn mir aber wieder zurückzuschicken. Ihr werdet Euch auch freuen über diese herzliche Erneuerung unseres alten Bündnisses und könnt Euch denken, daß ich ihn alsbald mit einem warmen und langen Brief geantwortet habe. Indem ich ihm meine Lebensgeschichte aus den letzten Jahren erzählen mußte, war ich erstaunt über den Reichthum | und die Gunst des Schicksals, welche mich dabei begleitet; es wurde mir aber auch recht klar, wie der Genuß für sich nur den Augenblick ausfüllt, die Früchte der Arbeit, der geistige Erwerb aber allein ein bleibendes Eigenthum werden.
Ihr habt schöne Tage in Warnemünde zugebracht, und oft freute ich mich bei dem klaren Himmel, den ich fast nur vom Zimmer aus gesehen habe, daß Ihr das heitere Wetter und die sternhellen Abende an der See genießen könnt. Ich kann mir recht denken, wie glücklich und einig Ihr dort zusammengelebt habt. Der lieben Siebel danke ich herzlich für das freundliche Andenken, das sie mir nach unserem kurzen Zusammentreffen geschenkt, und die liebevolle Theilnahme, die sie mir zu meinem Geburtstage ausgesprochen hat. Mir ist es eine recht große Beruhigung, daß Du diese treffliche alte Freundin gefunden hast, welche Dir die Lücke zu ergänzen scheint, die die gute Kölle bisher unersetzt zurückgelassen hatte. Wie konnte ich ihr anders als mit Achtung, Vertrauen und Zuneigung entgegentreten, und wie hätte ich in einem Augenblick, da ihr Gemüth aufs Tiefste bewegt war, gleichgültig bleiben können! ich war dadurch so glücklich, ihr sogleich nahe zu treten und auch mit ihr befreundet zu werden. |
Zu Weihnachten hoffe ich, wenn auch nur auf wenige Tage, Dich liebe Mutter in Berlin besuchen zu können, und werde dann wohl auch die Freude haben, Dich, lieber Karl, dort wieder zu sehen. Ein Zusammentreffen in Halle wäre mir ebenfalls sehr erwünscht. Vor 14 Tagen war ich dort, indem ich die Frau Oberpräsidentin auf einer Reise nach Merseburg bis dahin begleitete; fand aber nicht allein Tholucks Haus leer, sondern auch die übrigen Freunde sämtlich verreist. Einen überraschenden Besuch hatte ich inzwischen, indem Christian Schmidt, Bruder unseres Reinhold
Schmidt, sich einen Tag auf der Reise nach Hamburg hier aufhielt. Von ihm erfuhr ich, daß Reinhold mit Familie bereits in Heidelberg sich niedergelassen hat. Theils das rauhe Klima, theils der Mangel philosophischer Freunde, und auch die Abhängigkeit von dem Leben der übrigen Familie und die damit verbundene Beschränkung in seinen täglichen Gewohnheiten, alles dieses hat ihn von Pernau weggetrieben. Christian ist ein lebhafter kräftiger verständiger Mann; das sanguinische Blut und die leichte Erregbarkeit des Gefühls hat er mit seinem Bruder gemein. Mir ist seine Persönlichkeit ebenso angenehm, als interessant. Doch soll er auch seine kaufmännischen Seiten haben.
An meinem Geburtstage war ich des Abends in dem gemüthlichen Familienkreis von Flottwells; auch machte ich an diesem Tage die interessante Bekannt- | schaft des Regierungsraths Reichman, welcher jetzt von Berlin nach Marienwerder versetzt ist, und zum Besuch hierher kam. Er ist ein liebenswerther geistreicher und sehr gebildeter Mann. – Durch Macleans Abgang hat nun mein Leben eine große Veränderung erlitten; ich vermisse ihn täglich. An Gesellschaft fehlt es mir nicht; ich muß im Gegentheil mich dringenden Aufforderungen entziehen, um die nöthige Zeit für meine Arbeiten und andere Beschäftigungen zu erhalten. Außer mit Flottwells verkehre ich am meisten und liebsten mit dem Ober-Regierungs-Rath von Lommer, Regierungs-Rath Honig und Sächsischem Zoll-Bevollmächtigten von Schimpf, und deren Familien; zu diesen gehe ich wohl auch uneingeladen des Abends hin und verkehre gern mit ihnen; doch können sie mir Macleans nicht ersetzen.
Vor einigen Tagen ist endlich auch Kollege Vincke wieder eingelaufen und sein erstes Wort war, daß er bei seinen Freunden und Gönnern, besonders den Grafen Laiken und Rasper von Meding sich angelegenlichst für Deine Wahl zum Archivar verwendet und die besten Hoffnungen habe. Die lange Muße, welche er sich gegönnt, hat doch seine Gesundheit nicht ganz restauriren können.
Auf Beselers Werk bin ich sehr gespannt, und werde es mit Begierde lesen. Einen großen Genuß hat mir Böckhs Uebersetzung der Antigone verschafft, welche mir ganz ausgezeichnet gefallen hat, und ich fast täglich in die Hand nehme. – Ich bin übrigens ganz wohl, vollkommen zufrieden und deshalb auch heiter und behaglich, wenn auch manches | zu wünschen übrig bleibt. – Ich sende diesen Brief nach Berlin, um Dich dort bei der Ankunft zu begrüßen. Grüße Klitzings und Philipp
Mathias herzlich. In Rostock
Wunderlich, Röper und
Karsten. Ist Ackermann nicht zurück. – Lebt wohl Euer Immanuel.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Magdeburg52.1315889,11.6399609Hauptstadt der preußischen Provinz Sachsen an der Elbe und Sitz des Regierungspräsidiums Magdeburg, etwa 150 Kilometer westlich von Berlin gelegen.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Deininger, Georg KarlGeorg Karl Deininger13341475218041860Deininger, Georg Karl (1804–1860), in Reinhardshofen bei Neustadt an der Aisch geborener Theologe, der nach seinem Abitur in Nürnberg von 1824 bis 1828 Student der evangelischen Theologie an den Universitäten Erlangen, Bonn, Berlin, München und Tübingen war, zunächst Hauslehrer in Ansbach und im Jahre 1831 in Tübingen promoviert wurde. Er hatte zahlreiche kirchliche Ämter in Leutershausen, Fürth, Burghaslach, Neustadt an der Aisch, Bayreuth und München inne und wurde 1840 Dekan in Burghaslach, 1849 Konsistorialrat in Bayreuth und 1853 Oberkonsistorialrat in München.
Koelle, Dorothea1292113537Koelle, Dorothea, Ehefrau des Regierungsrates Heinrich Christian Ernst Kölle (1773–1832), wiederverheiratet mit dem verwitweten evangelischen Theologen Ernst Wilhelm Jakob Rade(c)ke (1790–1873), Konsistorialrat in Wernigerode, Freundin Maria Helena Susanna Hegels (1791–1855); siehe auch: Rade(c)ke, Dorothea.
Tholuck, Mathilde, geb. Gemmingen-Steinegg
Mathilde Tholuck, geb. Gemmingen11734367618161894 Tholuck, Mathilde, geb. Gemmingen-Steinegg (1816–1894), zweite Ehefrau des Hallenser Theologie-Professors Friedrich August Traugott (Gotttreu) Tholuck (1799–1877) und Schwester Thekla Therese Eleonore Tuchers (1813–1901).
Tholuck, Friedrich August Traugott (Gotttreu)August Tholuck11875719917991877Tholuck, Friedrich August Traugott (Gotttreu) (1799–1877), evangelischer Theologe und Vertreter des Pietismus, von 1825 bis 1876 ordentlicher Professor der evangelischen Theologie an der Universität Halle.
Schmidt, Reinhold Gottlieb11751433018091886Schmidt, Reinhold Gottlieb (1809–1886), aus Pernau in Livland gebürtig, Student der Philosophie in Berlin, zum Dr. promovierter Logiker.
Flottwell, Eduard HeinrichEduard Heinrich Flottwell11663107417861865Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865), preußischer Staatsmann, Minister und oftmaliger Oberpräsident, u. a. von 1841 bis 1844 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1849/50 Oberpräsident der Provinz Preußen, 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Schwiegervater Immanuel Hegels (1814–1891).
Reichmann, N. N.-Reichmann, N. N., Regierungsrat in Berlin, dann in Marienwerder.
MacLean, Lauchlan (II.)110744449718051879MacLean, Lauchlan (II.) (1805–1879), in Danzig geborener preußischer Verwaltungs- und Ministerialbeamter sowie von 1850 bis 1855 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Nach seinem Abitur an der Fürstenschule Schulpforta studierte er ab 1823 Philosophie und Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen, wurde 1835 Regierungsassessor in Posen, 1836 Regierungsrat in Erfurt, 1843 Hilfsarbeiter im Preußischen Staatsrat und brachte es von 1844 an im preußischen Handelministerium bis zum Regierungsdirektor. Er war mit Auguste Emilie MacLean, geb. Guenther (1813–1848), verheiratet.
Lommer, N. N.-Lommer, N. N., Oberregierungsrat in Magdeburg.
Honig, N. N.-Honig, N. N., Regierungsrat in Magdeburg.
Schimpff, Bruno116553254918071871Schimpff, Bruno (1807–1871), wurde nach seinem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig sächsischer Jurist und Verwaltungsbeamter, 1838 Zollrat in Dresden, 1840 Bevollmächtigter des Königreichs Sachsen bei der Provinzialsteuerdirektion des Deutschen Zollverein für die preußische Provinz Sachsen in Magdeburg, 1846 Oberpostrat in der Oberpostdirektion Leipzig, 1848/49 Referent für Zoll- und Postsachen im Reichshandelsministerium in Frankfurt am Main, dann Rückkehr in den königlich sächsischen Staatsdienst, zuletzt Geheimer Rat und Abteilungsdirektor im Dresdener Finanzministerium.
Laiken, N. N.-Laiken, N. N., Graf.
Beseler, Georg Karl ChristophGeorg Beseler11851019318091888Beseler, Georg (1809–1888), Jurist und preußischer Politiker, war in der Heidelberger Studienzeit neben Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) einer der beiden engsten Freunde Karl Hegels (1813–1901). Er wurde ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an den Universitäten Rostock, Greifswald und Berlin.
Boeckh (Böckh), August11880885017851867Boeckh (Böckh), August (1785–1867), ordentlicher Professor der Klassischen Philologie und Altertumswissenschaften von 1809 bis 1811 an der Universität Heidelberg, von 1811 bis 1867 an der Universität Berlin, deren Rektor er mehrmals war.
Wunderlich, Agathon Gottlob Friedrich WalterAgathon Gottlob Friedrich Walter Wunderlich11735444918101878Wunderlich, Agathon Gottlob Friedrich Walter (1810–1878), in Göttingen geborener Sohn des Klassischen Philologen Ernst Karl Friedrich Wunderlich (1783–1816) und Bruder des preußischen Konsistorialpräsidenten Oskar Wunderlich († 1882). Er war von 1842 bis 1847 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, vorher vier Jahre an der Universität Basel und ab 1847 an der Universität Halle, bevor er 1850 Richter am gemeinschaftlichen Oberappellationsgericht der vier Freien Städte des Deutschen Bundes in Lübeck wurde.
Röper (Roeper), Johannes August ChristianJohannes Roeper11658384318011885Röper (Roeper), Johannes August Christian (1801–1885), in Doberan geborener Mediziner und Botaniker, der von 1816 bis 1823 an den Universitäten Rostock, Berlin und Göttingen studierte und im Jahre 1823 in Göttingen promoviert wurde. 1826 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Basel und war dort von 1829 bis 1836 Ordinarius. Anschließend war er bis 1885 ordentlicher Professor der Naturgeschichte und Botanik an der Universität Rostock sowie Direktor des Botanischen Gartens, dazu viermal Rektor und von 1846 bis 1880 Direktor der Universitätsbibliothek.
Karsten, HermannHermann Karsten11618688718091877Karsten, Hermann (1809–1877), in Breslau geborener Mathematiker, Physiker und Mineraloge, der von 1826 bis 1829 an den Universitäten Bonn, Berlin und Königsberg Rechtswissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften studierte, 1829 promoviert wurde und sich 1830 an der Universität Rostock habilitierte. 1831 wurde er außerordentlicher Professor, war von 1836 bis 1877 Ordinarius für Mineralogie, Physik und Mathematik an der Universität Rostock und war deren oftmaliger Rektor. Er war der Bruder von Emilie Beseler (1816–1900), geb. Karsten, der Ehefrau Georg Beselers (1809–1888) und somit dessen Schwager. Hermann Karsten war verheiratet mit der Pastorentochter Theodore Berg (1817–1867) aus Wustrow an der Ostsee gelegen, mit der er mehrere Kinder hatte.
Ackermann, FriedrichFriedrich Ackermann11575594217991866Ackermann, Friedrich (1799–1866), war Jurist und Politiker. Er wurde 1837 Richter am für beide Mecklenburgischen Großherzogtümer zuständigen Oberappellationsgericht in Parchim, das 1840 nach Rostock verlegt wurde, Ende der 1840er Jahre dessen Vizepräsident und war 1848 Mitglied der Mecklenburgischen Abgeordnetenversammlung; er wurde 1851 in den Ruhestand versetzt. Seit Karl Hegels Berufung nach Rostock gehörte er gleich zu Beginn zu dessen Bekannten- und Kollegenkreis. Zu ihm notierte Karl Hegel in seinem Gedenkbuch zum Jahr 1841: „der jugendlich angeregte u. für alle höheren Interessen begeisterte Oberappelationsrath Ackermann, der leider bald durch nervöse Reizbarkeit gelähmt dem geselligen Umgang und seinen Freunden sich versagen mußte“. Vgl. dazu
Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch
, S. 145 f. (Zitat)
, sowie
Neuhaus, Brautbriefe Karl Hegels an Susanna Maria von Tucher
, S. 92 f. (auch Anmerkungsapparat)
.
Warnemünde54.1779039,12.0812875Von Rostock früh erworbener Ort an der Mündung der Warnow in die Ostsee, der den Zugang zum Meer sichern sollte und sich im 19. Jahrhundert zu einem Seebad entwickelte.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Halle51.4825041,11.9705452Universitätsstadt an der Saale, nordwestlich von Leipzig gelegen, 1680-1701 kurbrandenburgisch, dann Stadt des Königreiches Preußen.
Merseburg51.3564413,11.996148Alte Bischofs- und Residenzstadt, etwa 15 Kilometer südlich von Halle gelegen.
Hamburg53.550341,10.000654Alte Hanse- und Hafenstadt an der Elbe, etwa 100 Kilometer vor deren Mündung in die Nordsee.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Pernau (Pärnu)58.3835136,24.5081751Estnische Hafenstadt am Rigaer Meerbusen der Ostsee, vom Deutschen Orden gegründet und Mitglied der Hanse geworden, etwa 1300 Kilometer nordöstlich von Berlin und etwa 600 Kilometer nordöstlich von Königsberg in Preußen gelegen.
Marienwerder52.8416198,13.59903Etwa 45 Kilometer nördlich von Berlin gelegene Gemeinde.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.