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Dr. Johannes Schulze an Karl Hegel, Berlin, 15. November 1843

Mein theurer Freund,

Es ist mir sehr wichtig, über die Lehrwirksamkeit, die Persönlichkeit, die häuslichen und geselligen Verhältnisse des Privatdocenten bei der dortigen juristischen Fakultät, Herrn Dr. von Gloeden, ein unbefangenes und sicher begründetes Urtheil zu erhalten. Ich bitte Dich, in den fraglichen Beziehungen über ihn nähere Erkundigungen einzuziehen, und mir das Ergebniß derselben vertraulich mitzutheilen. Auf meine Discretion kannst Du unter allen Umständen rechnen. Mit dem früheren Leben und den jugendlichen Verirrungen des Herrn von Gloeden bin ich genau bekannt, und es kommt mir somit nur auf seine gegenwärtigen Zustände und namentlich auch die Beantwortung der Frage, ob er sich wirklich zu einem ernsten und würdigen Leben erhoben hat, an, und ob seine Gattin, die, wie ich äußerlich vernommen habe, von Geburt Französin, früher Kammerjungfrau gewesen ist, auf die Lebens Verhältnisse und die sociale Stellung ihres Gatten wohlthätig oder nachtheilig einwirkt. Durch eine baldige und offene Beantwortung meiner Fragen wirst Du mich dankbar verpflichten.

Deine edle Mutter, welche ich in diesen Tagen in ihrer Einsamkeit besuchte, hat sich wieder von ihrer Krankheit erholt; ihr Aussehen war gesunder, und ihre Stimmung heiterer als sonst gewöhnlich.

In Liebe und Freundschaft ganz

der Deinige
Dr. J. Schulze
Kupfergraben nummer 6.