Den inliegenden Brief, theuerster Freund, hatte ich gestern gerade versiegelt, als Ihr Schreiben vom 28 dieses Monats ankam mit dem angeschlossenen Brief der Frau von
Egloffstein. Ich habe mich darauf gleich mit all Ihren Bedenken und Befürchtungen an meinen Freund Palm gewandt, und von demselben hier beifolgende Antwort erhalten. Dieselbe wird Sie völlig beruhigen. Räthselhaft bleibt, wo die betreffende Brief post restante sammt dem Gelde (50 …) geblieben seyn könne. Ich will auf den Posten noch einmal nachsuchen lassen; es ging nur nicht gleich heute. Die Hauptsache scheint mir aber genügend aufgeklärt – und unser Flüchtling wird bereits in Görlitz seyn. Ich muß aber noch hinzufügen: Mit diesem Brief zugleich geht ein Brief an Ihre Frau Mutter in Berlin ab, der zugleich eine Copie von Palms Briefe enthält, so daß Ihre liebe Mutter sogleich an Frau von Eglofstein antworten kann, was mir vor allem nöthig scheint, um der tiefbekümmerten Frau sobald als möglich ihren gerechten Kummer zu lindern. Dann habe ich Ihrer Frau Mutter gemeldet, daß Sie den inliegenden Brief der Frau von Egloffstein zurückerhalten. Mir schien diese Art der Rundsendung des Briefes gerathener. Alle nöthige weitere Auskunft in der Sache könnte ich Ihnen gerne verschaffen, übrigens ist die Adresse meines Freundes Palm: Dr. Gustav Palm Evangelisches Institut in Eppendorf Adresse: Esplanade No. 38 Wallseite in Hamburg.
So signirt wird jeder Brief an ihn gelangen; doch wird es kaum noch Briefe in der Sache bedürfen.
Ihr einliegender Brief (No. 2) war ursprünglich eine Einlage in einem Brief an unsern lieben Freund Hoffmann. Grüßen Sie denselben und seine liebe Frau von mir, bis er selbst die Zeilen, die ihm zugedacht sind, erhalten wird.
Was Sie mir über die Theilnahme des Königs von Preußen für die Sache der inneren Mission überhaupt schreiben, dürfte mir freilich nicht neu seyn, aber um so neuer und – warum soll ichs nicht sagen? – überraschender, daß dieser fürstliche Mann von meiner Person Notiz genommen. Es ist mir dabei eine wahre Beruhigung, wie sehr das ohne mein Zuthun geschehen ist und ich will, wenn ich daran eine Folge knüpfen sollte, alles in der Hand des größten aller Herrn zu belassen mich aufrichtig bemühen. Bis jetzt kann ich auch nur glauben, daß jene Theilnahme nur eine vorübergehende hat seyn können, zumal Preußen mit denjenigen Tendenzen, denen ich meine Kräfte gern ganz opfern möchte, erfüllt ist. Ihr Wort bereitet mich aber jedenfalls vor auf die Wappnung gegen | eine Art von Versuchungen, welche in dieser Form eine neue seyn müßten, aber die mich oft demüthigen, wenn ich bedenke, vor wem allein unser Innerstes und unser eigentliches Thun offenbar ist. Mit Ihnen und allen, die die Gewitterwolken und Blitze in der Athmosphaire unserer Jahrzehnte wahrnehmen, theile ich die große Hoffnung der Wiedergeburt des Lebens in der Kraft des Evangeliums, aber seye mir aufs ernsteste wiederholt, wie noth es thut, daß wir selbst die wir durch Gottes Gnade Mitarbeiter seyn dürfen, nicht vergessen, den Segen für uns selbst erflehen. In diesem Sinne wollen wir weiter gehen, vorwärts, und was uns auf dem Wege begegnet als aus der Hand des Herrn nehmen. Sie sehen übrigens, daß mir aus Berlin noch keine Aufforderung der Art geworden ist, sollte es aber seyn, so will ich es Ihnen mittheilen.
Dieß wird wohl der letzte von vielen 100 Briefen des Jahres 1843 seyn. Ich freue mich, daß Sie der letzte sind und hoffe, das neue Jahr wird uns nicht ferner, sondern noch näher bringen. Unter den vielen lieben und theuren Gaben, die mir das verflossene Jahr zugeführt, gehört auch Ihre Freundschaft und Liebe, in der ich verbleibe
Horn den 31 December
1843
Wichern, Johann HinrichJohann Hinrich Wichern11863223X18081881Wichern, Johann Hinrich (1808–1881), in Hamburg geborener evangelisch-lutherischer Theologe und Sozialpädagoge, der im Sinne der Erweckungsbewegung tätig war. Nach seinem Theologiestudium von 1828 bis 1832 an den Universitäten Göttingen und Berlin wurde er durch sein vielfältiges pädagogisches und theologisches Wirken u. a. als Gefängnisreformer und in den Bereichen der städtischen Mission zum Begründer der Inneren Mission der evangelischen Kirche in Deutschland. Schon im Jahre 1833 gründete er das „Rauhe Haus“ bei Hamburg für bedürftige Kinder.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Horn53.5540624,10.0889179Etwa sechs Kilometer östlich der Innenalster in Hamburg gelegener Ort, in dem der evangelisch-lutherische Pfarrer Johann Hinrich Wichern (1808-1881) im Jahre 1833 das „Rauhe Haus“ gründete.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Briefe und Tagebuchblätter Johann Hinrich Wicherns, Bd. I: 1826-1848
, hrsg. von J. Wichern (= Gesammelte Schriften Johann Hinrich Wicherns, Bd. I), Hamburg 1901.
Briefe und Tagebuchblätter Johann Hinrich Wicherns, Bd. I: 1826-1848
1901
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Palm, Gustav11602253118071852Palm, Gustav (1807–1852), Dr. phil., Privaterzieher und Schulleiter in Hamburg; von ihm stammt die Schrift: Aus dem Schreiben eines Laien an einen jungen Freund, der Theologie studieren will, Hamburg 1839.
Hofmann, Johannes Christian KonradJohannes Hofmann11870611X18101877Hofmann, Johannes Christian Konrad (1810–1877), in Nürnberg geborener evangelischer Theologe und Gymnasiallehrer, 1841/42 außerordentlicher Professor der Theologie an der Universität Erlangen, ordentlicher Professor an den Universitäten Rostock (1842–1845) und Erlangen (1845–1877).
Hofmann, Charlotte, geb. Lameyer
Charlotte Hofmann, geb. Lameyer-1883Hofmann, Charlotte, geb. Lameyer († 1883), Ehefrau Johannes Christian Konrad Hofmanns (1810–1877), des ordentlichen Professors der evangelischen Theologie an den Universitäten Rostock und Erlangen.
Friedrich Wilhelm IV., König von PreußenFriedrich Wilhelm IV., König von Preußen11853599417951861Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861), war von 1840 bis 1858/61 König von Preußen.
Görlitz51.1563185,14.991018Etwa 200 Kilometer südöstlich von Berlin an der Neiße in der Oberlausitz gelegene Stadt.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Eppendorf53.5903912,9.9868771Westlich der Außenalster und etwa fünf Kilometer nördlich der Innenalster in Hamburg gelegenes Dorf.
Hamburg53.550341,10.000654Alte Hanse- und Hafenstadt an der Elbe, etwa 100 Kilometer vor deren Mündung in die Nordsee.
Preußen, Prusse Königreich Preußen (französisch: Prusse), auch Ostpreußen als östlichste Provinz des Königreichs.
Innere MissionAus dem Gedankengut der pietistischen Erweckungsbewegung gespeist, rief Johann Hinrich Wichern (1808-1881) die Innere Mission auf dem Wittenberger Kirchentag des Jahres 1848 ins Leben, um mitmenschliche Hilfe zu initiieren und zu verbreitern und durch karitative kirchliche und staatliche Hilfe den negativen Folgen der Industrialisierung zum Beispiel bei allgemeiner Armut (Pauperismus), Verwahrlosung von Kindern und Vernachlässigung von Bildung entgegenzuwirken. In der Inneren Mission wurde evangelisch-christliche Sozialarbeit gebündelt, abgesetzt von der äußeren Mission in den Formen der Juden- und Heidenmission. Im Königreich Bayern folgte Pfarrer Wilhelm Löhe (1808-1872) den Zielsetzungen der Inneren Mission, indem er mit der Gründung der Neuendettelsauer Diakonissenanstalt ein Zentrum für die Ausbildung weiblichen sozialen, pflegerischen und pädagogischen Hilfspersonals (Diakonissen) schuf.