An meinem Geburtstag1 muß ich doch bei Dir seyn, lieber Sohn! Und Du mußt wissen wie es mir geht, – Bald2 wirst Du Dich ja selbst davon überzeugen, heute über 3 Wochen Mittwoch den 3ten April ist Osterferien Anfang! Ich kann nicht sagen wie ich mich darauf freue Euch Ihr lieben Söhne da wiederzusehen. Die Anwesenheit der Fürstin (die den 2t[en oder 3ten Osterfeiertag3 um Euch aus dem Weg zu gehen, nach Hamburg, Bremen und Hanover reisen will, die aber vorher noch einige Tage mit Euch zusammen seyn möchte) macht mir und Euch keine Störung. Ich habe mir ein zweites Mädchen gemiethet und lasse diese beiden Mädchen in einer Stube, die mir aus einem andern Quartier, nahe bei meiner Wohnung überlassen wird, schlafen – Die Mädchenstube ist dann, so lang Ihr mit der Fürstin bei mir seidt, meine Schlafstube und die Sophas in meiner Wohn und Schlafstube sind Eure beiden Schlafstellen. Es geht ganz gut – kommt nur! und seht wie es mir geht und macht mir die lang entbehrte Freude, daß ich wieder in alter gewohnter Weise mit Euch Ihr Lieben zusammen seyn und alles Euch mittheilen und mit Euch besprechen kann. Es ist beim längeren Zusammenleben mit meiner fürstlichen Schwester mir doch ein Zwang auferlegt – es geht aus einem andern Ton, in dem ich mich hinein finde als in wie ein fremdes – die Liebe findet sich in dem Andern und versteht den Andern, aber es ist nicht das Meine – ich bin mit ihr auf einem andern Grund und Boden, als auf dem ich aufgewachsen bin verpflanzt und bin auch in meiner gewohnten Häuslichkeit nicht mehr bei mir selbst zu Hause. Doch bring ich dieser herzlich guten Frau, die sich nach allen Stimmen und unter allen Schmerzen „so glücklich als sie nur noch seyn kann“ bey mir fühlt gerne dieß Opfer – Es währt ja auch nicht lange mehr, sie macht jetzt schon einige kleine Ausflüge – will im Mai nach ihrer Villa bei …4 und dann ins Baad und wo dann weiter, weiß sie selbst noch nicht. Es wird daher durch sie mein Reiseplan nach Nürnberg nicht verrückt – sie wünscht ich sollte mit ihr reisen und hat es schon für gewiß ausgemacht, aber das wäre für mich eine zu übereilte und angestrengte Parthie – ich kann erst wenn sie fort ist, mein Haus und meine eigenen Angelegenheiten bestellen – und wäre unterwegs ihre Charge d’affaire5 – abhängig von ihren vielen Bedürfnissen und Einfällen – ein recht geplagter Pack Esel – – Und in Nürnberg hätte ich dann statt mich ungetheilt des Wiedersehens zu erfreuen wiederum nur für sie zu leben. Sie ist noch zu sehr gewohnt über ihre Umgebung zu gebiethen und ich hätte das verzogene Kind, das schon so viel entbehrt, auch durch meine Liebe verzogen, indem ich jetzt beinah ungetheilt für sie lebe und sorge. Das geht aber auch nur bis hieher und nicht weiter! Was Du mir ganz richtig über sie schreibst, hab ich ihr selbst vorgelesen; Ich bin eben so aufrichtig mit ihr als sie mit mir – und so fühlte und gestand sie mir auch, daß Du den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Einige Tage werdet Ihr Euch vortrefflig mit ihr unterhalten, ich freue mich auf den lebendigen Verkehr und Austausch zu dem Ihr sie anregen werdet. Sie war 2 Winter in Neapel, lange in Rom, Florenz. Dann in England seit 16 Jahren zieht sie herum – in Paris im vertrautesten Umgang mit Chateaubriand, Lamartine, Las Cases pp6. Aus ihrem Album seh ich wie ihr als einer frommen schönen und geistreichen Frau überall gehuldigt wurde – und daß sie sich mit dem wenigen was ich als Schwester in Christo seyn kann, in ihrer Einsamkeit bei mir so genügen lässet und ihre ganze Freude im Krankenhaus und Wohlthun findet das Haupt von ihrem ernsten frommen Gemüth –
Nun aber was meine weiteren Reise Pläne betrifft, so will ich vorläufig bis aufs weitere Mündlich nur so viel ich selbst weiß sagen. Ich denke Ostern meine Wohnung für Michaeli7 zu kündigen und will, wenn sich für den Sommer ein Miether findet, schon Juni und Juli fort. Meine Meublen bringe ich theils ins Kranken Haus, theils bei Freunden oder in einem gemietheten Local unter – so möchte ich in Nürnberg, so lange es seyn kann – wenigstens den Sommer und Winter über bleiben. Meine Nerven und mein alter Husten bedürfen mehr Ruhe als mir hier wird – Ich hoffe auch durch mein Weggehen der Hochwächter wieder Platz zu machen. Die Erfahrungen und Schmerzen haben in ihr gewirkt was Gott gewollt – nun ist sie so, wie sie Goßner haben wollte. Sie ist wieder unser aller Freundin besucht das Kranken Haus als Eine die sich aller Ansprüche und aller Einmischung enthält – die aber mit inniger Liebe dem Hause noch angehört. Könnte ich ihr Platz machen so wäre mir dieß schon ein Beweggrund zur Reise nach Nürnberg und eine Beruhigung, dann wüßte ich meine Stelle durch eine Kräftigere und Tüchtigere besetzt.
Unsere liebe Sybel liebt und lebt sich auch mehr ein – da nun Marie und Klara Aufseherinnen sind, hat sie es als Ober Aufseherin sehr leicht, kann ausgehen so viel sie will, thun so viel und so wenig sie will – sie hat keine Verantwortlichkeit, keine weiteren bestimmten Verpflichtungen – Goßner sieht, er darf nicht mehr von ihr fordern, als sie kann und läßt sie bis sich eine Tüchtigere Hausmutter findet – und so sind beide Theile zufrieden. Sie kommt beinahe Täglich Abend zu mir, die Fürstin hat sie gern: sie fährt so eben mit ihr in den Kranken Haus Anstalten herum – Von den andern Freunden bin ich aber seit die Fürstin bei mir ist ganz verlassen – Die weite Entfernung! und Gene! Es ist doch eine rechte Lauheit in den Berliner Freunden. Auch die Klitzing ist mir ungetreu – Herrmann soll zu Ostern in eine Erziehungs Anstalt von hier fort – Matthies bewirbt sich um eine Magistrats Pfarre – sie zieht aus und leidet …8 an Kopf und Blut – so seh ich sie nur, wenn ich zu ihr komme. – Man kann in Berlin leicht dazu kommen allein zu stehen!
Wie ganz anders in Nürnberg! Marie schreibt mir „ja, Du bist uns nothwendig! Du mußt kommen, es ist des Herrn Wille“ was ich zwar nicht glaube, doch seh ich wie sie mich lieben – Diesen Sommer in Simmelsdorf wo der Bau des Schlosses9 vollendet wird, in Henfenfeld und Leitheim zu seyn, wäre mir eine reizende Hoffnung und Aussicht, wenn es Gott so wollte! Nun weiteres mündlich! Den 17ten bekomm ich wohl die umgehende Antwort – Denk auch an Dein Versprechen. Du wolltest mich nach Nürnberg begleiten. Wann wäre es möglich? Wie schön wäre Diß!10