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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 26. März 1844

So darf ich nun wohl nach dieser Hochzeits Woche auf Deine baldige Ankunft hoffen? Ich freue mich darauf und sehne mich darnach Euch Ihr Lieben wiederzusehen. Die Fürstin steht Dir nicht im Wege, sie will den 9ten April reisen und die Zeit die Du noch mit ihr bey mir seyn wirst, wird sie uns nicht stören.

Sie liegt bis 2 Uhr zu Bette, geht dann ins Krankenhaus oder sonst spazieren, isst in ihrem Zimmer um 6 Uhr und kommt erst am Abend zu mir. Da kannst Du unseren Salon den Tag über ungestört bewohnen, auf dem Sopha schlafen, an einem Stehpult aus Deinem ehemaligen Mobiliar arbeiten – indess ich mich in meinem Schlafzimmer, das ich mir zu einem allerliebsten Wohnstübchen eingerichtet hab, meinen Verkehr neben an treibe. Komme nur so bald Du kannst, Dein Mütterchen erwartet Dich mit Sehnsucht! – Manu kommt erst nach den Feiertagen, weil er leider nur wenige Tage bei uns seyn kann und diese kurze Zeit möchte er ungestört nur für uns da seyn. Die Bekanntschaft der lieben Fürstin wird Dich jedenfalls interessieren. Sie freut sich Dich kennen zu lernen. Sie ist als eine viel gereiste und gebildete Frau in jedem Terin2 zu Hause – und liebt wie ich merke und wie Du mir im Voraus gesagt hast, eine Abwechslung der Situationen – so sehr ihr auch einige Zeit solch ein Stillleben, wie sie mir versichert, ein Bedürfniß war. – Die Briefe der ihrigen danken mir auch für alle Liebe die ich ihr erweise, woraus ich sehe, daß sie sich dankbar und befriedigt darüber ausspricht. Nun aber merke ich doch, daß sie neue Bekanntschaften und anderweitige Unterhaltungen z. B. mit Professor Franz mit dem sie gern italienisch über Athen Neapel Rom und Florenz spricht, erheitern. Ich möchte gern aus unserer alten Bekanntschaft einen Hotho Werth3 Göschel perge perge herbeiziehen, aber die Fäden sind abgerissen. Göschel hat immerfort eine kranke FrauPartheys kämen wohl etwa, aber auf förmliche Einladungen kann ich mich nicht einlassen, da die Königin des Festes, gerade wenn man sie haben will, oft nicht kann oder will –

Ich habe mich seit 4 Monaten ganz für sie hingegeben, war seitdem keinen Abend aus – außer allen Verkehr mit meinen alten Freunden – bis auf unsere Sybel und das Krankenhaus – Nun aber sehne ich mich doch auch wieder, nicht sowohl nach anderer Gesellschaft, als nach Euch und in alter gewohnter Weise bei mir selbst zu Hause zu seyn – mit meinen langentbehrten Kindern! –

Ans Reisen mach ich noch nicht denken – ich sehne mich wirklich erst nur nach Ruhe. Die gute Thamm ist uns nun auch bedenklich Herzkrank geworden – und unsere wichtigste Aufseherin Klara, wird eine Pfarrfrau – da kann ich auch nicht vom Kranken Haus fort – die Sorge fürs Kranken Haus macht mir weniger zu schaffen, als meine fürstliche Schwester sammt Kranken Haus. Doch bin ich Gottlob wohl, sehe wohl aus – – Gott hat bis hieher geholfen, ins 54ste Jahr4 hinein –

Es erfreuten mich an diesem Geburtstags Sontag5 Eure lieben Briefe – ich wußte daß Ihr mit besonderer Liebe an diesen Tagen an mich denkt – Von meiner lieben Fanny bekam ich auch einen Brief – sie pflegt mit aufopfernder Liebe ihre alte Tante und ist in sich ruhiger geworden – Sie hoffen alle auf mein Kommen. Manuel lädt mich auch nach Magdeburg zu Flottwells ein – Was wird mir die Zeit für Rosen bringen? nun wie Gott will! Manu schickte mir auch die Biographie6 ich finde manches schiife, aber doch nichts anstösiges – Hätte ich doch Rosenkranz noch einmahl sprechen und sein Manuskript mit ihm lesen können es hätte manches berichtigt und getreuer berichtet werden können – doch was hilfts nun Hinter Drein –

Das Büchlein über den Gründung des Missions Verein mit Karstens und Hoffmanns Predigt und Vortrag7 hab ich und meine Fürstin mit vielem Interesse gelesen. Sie wünscht in Hamburg, wohin sie den 9ten April reisen will Wichern und Frl. Siebeking in ihrer Wirksamkeit kennen zu lernen und kommt dann auch über Lübeck Bremen Rügen nach Rostock, wohin sie sich von uns Empfehlungen erbittet. – Melde sie daher bei unseren lieben Freunden an und höre wo sie anklopfen darf – Sie reist als Generalin Galitzin und sucht Kirchen Prediger alle Wohlthätigkeits Anstalten Spitäler und Gefängnisse auf (im Ochsenkopf8 und Spandau war sie auch schon bei 9) Der gute Röper würde sich wohl ihrer in Liebe annehmen – sie wohnt, versteht sich im Gasthoff, nimt keine Einladung zu Mittag und keine Art von Bewirthung an – Sontags steht sie zur Kirchzeit auf und hört 3 – 4 Predigten so viel sie hören kann nach einander – Sie kann viel in sich aufnehmen aber es geht auch von Einem ins Andere – Mich ermattet diese Unruhe daher ich auch auf die Länge nicht gleichen Schritt mit ihr halten könnte – Nun auf baldiges Wiedersehen Ihr Lieben laß mich bald hören wann Du kommst und wie lange Du bleiben kannst – ach eile doch ja nicht gleich wieder fort – bring die Arbeit und Deinen lieben Bach mit. Die Sybel grüßt –10