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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 30. August 1844

Lieber Karl!

So eben hat mich Friederikchen verlassen und mir herzliche Grüße an Dich hinterlassen. Dein lieber Brief kam, wie wir eben zusammen beim Frühstück saßen. Sie las mir eben Manuels Brief von gestern vor, da kam unser Karl auch dazu und so hatte ich meine Lieben beisammen! Schmerzlich hab ich Dich, theurer Sohn, besonders am ersten Morgen, wo ich zum erstenmahl wieder so ganz allein war, vermißt. es war mir als müßtest Du mir einen guten Morgen bringen – doch im Geiste hast Du vom Postwagen aus, gewiß beim schönen Monden und Sonnenschein, an Dein Mütterchen gedacht.

Friederikchen kam auch, und wurde von mir, als meine Einzige, die mir noch blieb, mit Freudenthränen empfangen. Der schöne Morgen blieb aber nicht so beständig, zum ersten Spaziergang für mich – Seit Mitwoch bin ich aber jeden Tag ein paar Stunden Vor und Nachmittags im Garten, und ohne Nachweh. – Gestern Nachmittag in unseren vollkommen ausgelüfteten und durchwärmten Salon – erst mit Affinger und seiner sehr lieben hübschen jungen Frau ein Nürnberger Herzens Schatz! – Affinger strahlt vor Glückseligkeit! Sie brachten mir beiliegende Briefe2 mit, die ich mir für Manu wieder zurück erbitte, mit meiner Uhr – (die ich aber der Warnemünder Post nicht anvertrauen möchte – ) Deine kommt hoffentlich noch durch Kupsch mit – ich schicke sie, wie ich geschrieben hab, von 3 aus zu ihm – und packe auch Neander mit ein4

Friederikchen vertraute mir heute, daß Vater schon zweimahl an Manu geschrieben, er schwanke, ob es nicht doch vortheilhafter für Manuel sey, er bliebe bei Wedel, der ihn die Geschäfte eines Raths mit 600 Thalern anträgt, oder antragen will. „Der König wölle nicht so viel bewilligen, da stünden Andere dazwischen“ – „Es sey für Manuel vortheilhafter, wenn er nicht sein Schwiegersohn5 wär“ – Es sind dieß vielleicht nur vorübergehende Wolken augenblicklichen Unmuths – Doch ersehe ich daraus, wie ungewiß es damit noch steht. Friederike nimmt sich dabei recht vernünftig. Sie wird mir täglich lieber, das liebe Kind!

Sie kam gestern noch wie Affingers bei mir waren, und hatte groß Wohlgefallen an der hübschen jungen Frau. Nachher kam Vater und Mutter mit Elise und Mariechen, die Sybel mit Mariechen, die sich ihre kleine Namens Schwester gleich aufs zärtlichste erschloß – so daß Affinger meinte „ich wollte, die Frau Sybel ließe uns während ihrer Badereise Mariechen“. Diesen Vorschlag scheint sie mit Dank anzunehmen – wenn sichs bis Montag nicht ändert und inzwischen sich die Probe, wie sich beide Kinder zusammen stellen, wenn sie länger beisammen sind, bewährt –

Wie viel denke ich jetzt an Warnemünde wo ich Dich dort weiß! ich begleite Dich in Gedanken aufs Spuhl und vergegenwärtige mir die See in ihrer Herrlichkeit! und freue mich des schönen Sonnenscheins! Möchten Dir die Bäder recht wohl thun! Grüße Deine lieben Freunde Hoffmanns vor allen, den lieben Magister und Röpers aufs Herzlichste von mir – und lasse mich bald von Warnemünde aus hören wie es Dir geht – wer von den Freunden dort ist und sich meiner noch mit Liebe erinnert – Wo Du wohnst?

Eigentlich bin ich doch eifersüchtig, daß Du lieber in Rostock bist, als hier – und daß ich so gar nicht wünschen darf, Dich hieher versetzt zu sehen – Aber Wer kann und darf Vollkommenes in diesem Pilgerleben und Prüfungsstand erwarten? Also wie Gott will!

Ich trinke jetzt Salzbrüe mit frisch gemolkener Milch mit Wohlbehagen. Morgens im Bette, bei wärmeren Morgen und zunehmender Kraft geh ich mit Friederike. Ihr Zahnweh war in diesen Tagen leidlich. Sie will Dir in einigen Tagen schreiben.

Vergiß nicht an die Gallizin zu schreiben. Leb wohl theurer lieber Sohn! Sey Gott befohlen! und aufs herzinnigste gegrüßt von

Deiner treuen Mutter.

P. S. Von Maries Brief6 schick ich nur das Ende, sonst enthält ihr und Theklas Brief nichts Neues, als daß Georg hieher kommt.7

Ich lasse meinen Brief per Post gehen und schicke durch Kupsch der sich vielleicht doch 8