Manuel hat an Dich geschrieben und Kierulff hat mich gesehen und mich wohler aussehend gefunden, als mich früher gesehen; dieß konnte Dir liebes Herz zur Beruhigung gereigen1; – und daß das Mutterherz Dich auf dem Herzen trägt, weißt Du – und vergibst der schwachen Mutter die alte Unart, daß sie so schwer zum Schreiben kommt – Meine Nervenschwäche macht mich unfähiger als je zu schreiben, es geschieht im Schweiß meines Angesichts. Eine Waschwoche, oder ein lebhaftes Aussprechen, ein Besuch, oder Ausgang consumirt schon meine schwachen Kräfte, da bin ich wohl für die um mich sind noch lebendig, aber für die Abwesenden hab ich nur noch einen Seufzer und ein Herz voll Liebe; – ich möchte das ganze Herz in mein Brieflein hinein legen und sagen, bin so selbst darin, mit welcher Liebe ich an Dich denke! – Ich danke Gott, daß dies am wohlsten in Deinem Zu Hause ist, wo Du ungestört fortarbeitest und bei lieben Freunden Erholung findest, und will dies nicht verdenken, wenn Du dies unruhige Leben hier nicht lange aushälst – Aber es war doch schön daß Du hier warst und daß wir uns wieder ausgesprochen haben, so leb ich nun in allem mit Dir fort – und freue mich Deiner – und warte stille bis der liebe treue himlische Vater noch mehr geben wird – und hoffe auf Ihn, Er wird es! Schreib mir von Deiner Freundin Mutter und I.2 Was sagt sie zu Goßners Comunion Buch? ich sage mit ihm, wir wollen nicht streiten sondern „haben und genießen“ und darum den Heiligen Geist bitten, daß er unserem Christ das Zeugniß gibt und uns in alle Wahrheit leite! – die Seligkeit die uns hier schon geschenkt wird im Glauben, versetzt uns in dieses Haben und Genießen, versetzt uns in die Gemeinschaft des Vaters des Sohnes und des Heiligen Geistes. – „Der Glaube gebieret aus Gott und machet uns ganz andern Menschen von Herzen Muth, Sinn und Kräften, er ist ein göttlich Werk in uns“ sagt Luther.3
Ich hatte in der letzten Zeit vieles was mich tief bewegte. Das Kranken Haus bleibt mein Sorgenkind so lang ich lebe – Nun ich nicht mehr dort arbeiten kann – muß ich, indeß die Martha Geschäftigkeit dort viel zu schaffen hat, die Maria seyn – die allzu lebendige rasche Bora versetzt mir Goßner und die Schwestern in viele Unruhe. Da hab ich immer zu versöhnen und zu beschwigtigen und Liebe zu predigen – doch hoff ich es wird unserer vereinten Liebe und Verlangen und Gebet überwinden – Es ist mitunter viel Schwerer zu überwinden. So hatten wir 6 Mädchen aus einer erwekten Gemeine in Lippe Dettmold, die von dem dortigen Prediger empfohlen wurden, in denen sich viel geistlicher Hochmuth regte, sie hätten lieber in den Kranken Sälen Buße gepredigt, zu der Arbeit aber waren sie, wo man sie hinstellte, ungeschickt und träge, sie eiferten über Goßner, daß er nicht genug Buße predige, daß man den Sabat entheiligte, weil man des Sontags die Krankensäle wie alle Tag reinigte. So wurden die drei, die am meisten Aergerniß verursachten (sie corespondirten mit Geistlichen Brüdern und bestellten sie Nachts an den Zaun und die Pforte) wieder fortgeschickt. Nun kommt aber eine Deputation von drei Männern aus Lippe Dettmold um die Sache zu untersuchen und Goßner zu Rede zu stellen warum er die Mädchen fortgeschickt – und verlangen auch die drei Andern mit fortzunehmen, und Eine von ihnen, eine der brauchbarsten, die eben nach bestandener Probezeit eingekleidet werden sollte, wurde uns wirklich von diesen braven aber fanatischen Leuten, die ihr Recht und unser Unrecht daß Goßner die reine Lehre nicht hätte behaupteten, abtrinnig gemacht – Zwei sind uns geblieben. Aber diese traurigen Vorgänge – bei welchen die Born noch voll ins Feuer geschicktet und wohl auch gegen die Liebe gesündigt und das Kind mit dem Baad hinaus geworfen hat, hat uns viel Noth gemacht und den Frieden des Hauses gestört – Goßner ist gedrückt und wenn er nicht so unerschütterlich glaubte und betete – könnt ers nicht tragen –
Es ist nicht das allein, sondern noch vieles Andere was uns bekümmert – Dafür bedarf auch ich die allermöglichste Sammlung – und Kräfte, die ich nicht aus mir selbst nehmen kann – aber der Herr, der in den Schwachen mächtig ist, gibt sie mir – Ich bin glaubensseliger, gewisser als je, daß was Gott verheißen hat, Er halten will – und erfahre jetzt wieder, was das Gebet vermag – und daß das wahrhaftige Gebet uns in eine Gemeinschaft, in der wir den Geist empfahen, mit Gott versetzt; So wird uns, was Christus dem Gebet verheißen hat! – Er in uns – wir in Ihm! So haben wir das Gebet, denn die Erfüllung gewiß ist – das Kind bittet den Vater, in Seiner Liebe hat es ihm schon zugedacht um was es bittet – Auser Ihm, losgerissen von Ihm, sind wir, so klug wir sind, jämmerlich blind und blos – deute wie Du willst – die wunderbaren Verheisungen die Christus unzweideutig ausspricht, sie werden uns erfüllt – und darüber jubelt mein Herz, in den schwersten Stunden, in denen Er mir am nächsten ist –
Und wovon das Herz voll ist, geht der Mund über4 – und merke dann eigentlich, daß ich zu Zeiten mir darum so starr und unfähig bin – weil ich zu schwach bin für die Anforderungen, die sonst noch das Leben an mich macht – wenn ich in Dieses und Jenes auch noch eingehen soll, so versagt mir der Gedanke und das Wort –
Verbrauche die schon halb gestorbene Mutter, die dem Leben wiedergeschenkt, aber doch noch immer eine recht schwache Mutter ist (die wenn sie das Eine thut das andere versäumt) noch so in Liebe – Was ich Dir nicht seyn kann, erbitt ich Dir von Gott – Geist und Leben aus Ihm – Wenn Du nur erfährst was Glauben heißt. Aber ein so treues Herz wie das Deine, läßt der Herr nicht aus Seiner Hand und schickt Dir erst Seine Engel und Liebesbothen – und klopft fort und fort an. O daß Er keine sauberen Hammerschläge gebrauchte, die selbst erbauten Verschanzungen der eigenen Vernunft niederreißen – die eigene Vernunft ist der verlorene Sohn, sie gehet von dem Erbe, ist aber nicht mehr in des Vaters Haus – Satan hat Macht uns zu verdunkeln, in uns und außer uns – –
Aber sind wir auf dem Weg den der Herr uns vorzeigt – arme Sünder, die sich nicht selbst rein, nicht selbst wiedergeboren machen, nicht selbst entsündigen können wissen wir, daß alle eigene Vernunft und Kraft die sich eine göttliche nennt und es doch nicht ist, denn sie ist abgefallen von Haus aus – denn was sie will thut sie nicht – perge perge. Es ist wahrhaftig so wie Christus sagt. Er ist der Weg – der Meister, das in Ihm bleiben, ist das große Geheimniß das sich den Unmündigen offenbart – öffne Dein Herz diesem Sonnenlicht, das in alle Bereiche des Wissens hinein scheint und es durchdringt und Du wirst Geist und Leben und Licht aus Ihm empfangen; bitte um Gottes Segen – sey ein Kind Gottes! – und schöpfst Du auch erst, wenn Du mit Gott reden und beten und in persönliche Gemeinschaft treten sollst, wie aus einem Brunnen, versuch es nur. Nimm nur das Wort Gottes das der Heilige Geist geschrieben zu Hand, sieh nicht auf die Hand, nicht auf das Organ – bei der Ausgießung des Heiligen Geistes hörte und verstand ihn Jeder in seiner eigenen Sprache. Diese Sprache wirst auch Du noch verstehen, daß sie aus Gott geboren und Geist von seinem Geiste ist – Sieh, nun red ich vom Herzen und nun geht es im Fluge – – Sieh es nicht für ein Drängen an, ich laß Dir und dem lieben Gott Zeit – und hab Dich so wie Du bist, so lieb wie nur ein Mutter Herz lieben kann – –
Der alte dünne kurze Schlafrock ist kaum das Porto werth – doch da es in diesen Tagen wieder kälter wird, schick ich ihn, auch ohne das Schrifthchen, wovon wir kein Exemplar mehr wieder bekommen konnten. Graf Montperny in Leitheim ist gestorben, ich leg Dir die Briefe die ich mit Büchern (von Sailer und Hl. Augustin) bekam bei – Auch bedankt sich der Pathe Karl Marheineke – Mit M. geht es in letzter Zeit besser, er fühlt sich etwas kräftiger, hat seltener sein Anfälle und arbeitet doch noch immer – Steffens hat aber an einem Abend bei Göschel wie er Dante vorlas, einen heftigen Blutsturz, der sich 6mahl wiederholte bekommen und wird es nicht überleben.5 Der liebe Vater Flottwell, hat gestern um mir eine Überraschung zu bereiten, Göschels allein zu Mittag gebeten, keiner durfte mir davon etwas sagen und Göschels waren über diese unerwartete Einladung eben so überrascht, da sie die Mutter noch gar nicht kannten und sich noch nicht vorher besucht hatten – der liebe, liebenswürdige Vater hat eine herzliche Liebe zu uns. Die Mutter bleibt mir aber bei all ihrer Herzlichkeit und Freundlichkeit ferne, so daß es mir nicht möglich ist ihrem Herzen näher zu kommen und etwas über sie zu vermögen – Nun hat Friederikchen Koststunde bei einer baierischen Köchin, die die Königin kommen ließ. Drei Assessoren Bräute, Mathilde Berg, die Frl. Hefter6 gehen drei Vormittage zu ihr – Kochen auf gemeinschaftliche Rechnung und bringen die Kosthäpchen nach Hause. Was das schwer hält Friederikchen von der Mutter loszueisen und das was vorbereitet werden muß, zu erlangen! (Das bleibt aber unter uns, ich will die arme Mutter die es sich und den ihren so schwer macht, nicht verklagen.) Manuel sieht aber nun wie weit die natürliche Gutmüthigkeit und Liebe ausreicht – und legt mir sein Friederikchen ans Herz – und wie glücklich macht mich diese Liebe von Beiden und dieses bei herz innigem Einverständniß, in dem sie mir in allem recht geben – vielmehr als sonst –
Georg ist immer noch mein lieber Herzens Junge, an dem ich meine Freude habe. Nur weiß ich nicht wie es gehen wird, wenn er Manuels Zimmer bezieht – ob wir uns gegenseitig nicht zu sehr nach einander genieren müssen, sein Tabakrauchen – seine Unordnung und Spätaufstehen – in Zimmern die dem Durchgang und so nahe den Meinen sind – Doch denk ich den Sommer wirds noch gehen –
Goßner fragt öfter nach Dir und sagte mir, er hätte mich doch auch besuchen sollen. Auch Göschel grüßt Dich herzlich und sprach mit vieler Liebe von Dir – Er ist jetzt Mitglied des Staatsraths –
Kierulf kam zu uns Tag vor seiner Abreise und konnte mein Anerbiethen einen Mittag bei uns zu seyn nicht annehmen, worüber mich Manuel und Georg der Falschheit bezüchtigten, daß ich höflicher Weise sagte, es ist mir leid – aber er ist doch eine heitere, kräftige, brave Seele und Einer der Dich kennt und liebt und so war mirs wohl eine Freude daß er mich besuchte und mich nach Rostock versetzte – Grüße mir alle die Lieben die mir so viel Liebe erzeugten, Sey nachsichtig und milde gegen Röper, nicht so gleich fertig – Dein Gevatter Stanius beweist Dir mehr Treue, er Dir und Du ihm – Grüße auch den lieben Magister und Deine Freundinnen Mutter und Töchter von Senft – Der Vater war bei Goßner zum Heiligen Abendmahl vor mehreren Wochen auch einen Abend bei Flottwells und sprach mit Manuel von Dir.
Grüße auch die lieben Hoffmanns, die Frau und Stanius und wenn Malgahes7 in Rostock sind sage daß ich noch keine passende Bonne8 gefunden ob ich noch suchen soll?
Ich möchte gerne auf Wichern sein Blatt über innere Mission subscribiren – verschaff es mir. Für die Klitzing ist es wenn Hermann von Roßleben fortgeschickt wird, womit ihr gedroht wird, der letzte Noth Anker zu Wichern – Nun gings mir wieder einmahl aus den …9 Laden! Gott helfe Dir und mir in allem und zu Allem!