Lieber Sohn! – Meine liebe Nachbarin Frl. Busse die heute nach Rostock reist zu ihrer schwergeprüften Freundin Wendthausen verabschiedet sich so eben von mir und erbietet sich etwas für Dich mitzunehmen – Du erhälst daher dieses Brieflein durch sie. – Manu sitzt angenagelt an seinem Schreibtisch und bearbeitet die Protoqole der Berathungen der Industriellen und kann daher … nicht schreiben – läßt Dich aber herzlich grüßen und Dich zur Hochzeit die Mitte Juni seyn wird einladen. Er ist über diesen Aufschub jetzt ganz ausgesöhnt – weil ihn die Arbeiten des Handelsamts in diesem Augenblick so in Anspruch nehmen daß er früher keine Zeit zum Heurathen hätte. Wenn diese Arbeiten beendigt sind, will er sich Urlaub erbitten und einige Wochen nach der Hochzeit zu einem Familien Congreß nach Bromberg reisen. Er erfüllt damit einen Wunsch des Vaters der dort Brunnen trinken und mit Frau
und Töchtern das Seebad gebrauchen will, der verheurathete
Sohn und seine Schwester die Präsidentin
Bähr sollen auch hinkommen. Da darf Friederike von der sich Vater und Mutter mit so schweren Herzen trennt nicht fehlen. Nachdem will Manuel mit Friederike und mir nach Nürnberg.
Und so werden sich unsere verschiedenen Intentionen wohl vereinigen – Du kommst zur Hochzeit Mitte Juni und bleibst dann noch 4 Wochen bei mir und bist wenn das junge Ehepaar und das | Finanz Ministerium 14 Tag nach der Hochzeit verreist um so ungestörter bei mir und Deiner Arbeit – Vielleicht entschließt Du Dich uns nach Nürnberg zu begleiten – ich will der Braut die Dir die Fürstin ausgesucht nicht erwähnen und auch ihren Namen nicht wissen, und mir alle Heuraths Gedanken aus dem Sinn schlagen wenn ich Dich persuatire mit nach Nürnberg zu gehen. Die lieben Seelen dort sind es an und für sich schon werth und es wäre doch eine allerliebste Parthie wenn wir so alle beisammen in der alten Heimath und
Simmelsdorf und
Henfenfeld einkehrten.
Ein junger Harsdorf ein Freund von Georg brachte mir Briefe mit herzlichen Einladungen. Thekla ist von einem Söhnlein dem 2ten glücklich entbunden. Gottliebs Brief soll das weitere besagen – welcher Kampf ohn Ende in kirchlichen Angelegenheiten unter dieser unfreien verfassungsmäßigen und wiederigen Regierung – Aber je größer die Noth je näher Gott – solche Kämpfe bringen doch wieder in das Erstrebene kaum Leben.
Mit meinem Befinden geht es obwohl in alter Schwachheit die mir keine Anstrengung erlaubt doch zimlich gut – Es ist jetzt im jungen Frühlingsgrün in unserm Garten einladend viel im Freien zu seyn. Und nun kann ich ja meiner Ruhe pflegen. Das Kranken Haus ist durch die Born wohl versorgt | Der Anfang war ihr schwer. Daher ich auf ihre Bitte angefragt – aber Goßner ist sehr mit ihr zufrieden und sie lebt sich ein und hat alle gute Gaben dazu –
Der Inhalt des Briefs der Fürstin hat mich sehr interessirt – und enthalte mich aller Glosen über diese geängstigte Seele und freue mich daß ihr es eine Zeitlang wohl geht in der glücklichen Wieder Vereinigung mit ihrer Tochter – Hat sie denn für mich keinen Gruß, den hab ich doch wohl verdient. So fragt auch die Sybel – Hat er für mich keinen Gruß? – wenn sie es auch nicht ausspricht sie war lange sehr leidend – aber nun ist sie wohler und erfreut sich ihrer glücklichen Freiheit und ihrer Kinder und Freunde – oftere Besuche – sie muß sich anlehnen und lieben und geliebt werden –
Nun geht es zu Flottwell zu Mittag – Nimm mit dem wenigen vorlieb. –
Gott stärke Dich bei Deiner Arbeit und lasse dies wohl gelingen –
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Hegel
, Immanuel: Erinnerungen aus meinem Leben, Berlin 1891.
I. Hegel
, Erinnerungen.
1891
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Flottwell, Eduard HeinrichEduard Heinrich Flottwell11663107417861865Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865), preußischer Staatsmann, Minister und oftmaliger Oberpräsident, u. a. von 1841 bis 1844 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1849/50 Oberpräsident der Provinz Preußen, 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Schwiegervater Immanuel Hegels (1814–1891).
Gallitzin, Marija Arkadjewna, Suworowa-RymnikskajaMarie Fürstin Galitzin108958823218021870Gallitzin, Marija Arkadjewna, geb. Suworowa-Rymnikskaja (1802–1870), Tochter des Arkadi Aleksandrowicz Suworow (1784–1811) und der Helena Aleksandrowna Suworowa-Naryschkina (1785–1855), Gemahlin des russischen Fürsten Michail Michajlowicz Golicyn, Enkelin des russischen Generalissimus Alexander Wassiljewitsch Suworow (1730–1800).
Harsdorf, Johann Karl Friedrich Christoph-18201873Harsdorf, Johann Karl Friedrich Christoph (1820–1873), Sohn Johann Karl Friedrich Harsdorfs (1783–1843).
Goßner, Johannes Evangelista11854089017731858Goßner, Johannes Evangelista (1773–1858), in Schwaben geborener Theologe, der als katholischer Priester zur evangelischen Lehre konvertierte und Pfarrer wurde. Von 1829 bis 1846 war er Prediger an der Berliner Bethlehemskirche und wandte sich im ganzheitlichen Sinne der Mission zu. Die Goßnersche Missionsgesellschaft (Berliner Missionswerk) und das Berliner Elisabeth-Kinder-Hospital (Elisabeth-Krankenhaus) wurden von ihm u. a. gegründet.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Bromberg53.1219648,18.0002529Etwa 400 Kilometer nordöstlich von Berlin und etwa 170 Kilometer südwestlich von Danzig gelegene Stadt.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
Henfenfeld49.4968771,11.3898656Etwa 25 Kilometer östlich von Nürnberg gelegenes Rittergut, das im Jahre 1817 von dem Nürnberger Kaufmann Benoit (Georg Christoph Benedikt) Schwarz (1801-1876) erworben worden war.
HandelsamtBezeichnung für eine 1844 von König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) geschaffene und ihm direkt unterstellte preußische Handels- und Gewerbebehörde, deren erster Chef Friedrich Rönne (1798-1865) wurde, ehemaliger preußischer Botschafter in den USA.