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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 31. Mai 1845

Lieber Sohn! – Meine liebe Nachbarin Frl. Busse die heute nach Rostock reist zu ihrer schwergeprüften Freundin Wendthausen verabschiedet sich so eben von mir und erbietet sich etwas für Dich mitzunehmen – Du erhälst daher dieses Brieflein durch sie. – Manu sitzt angenagelt an seinem Schreibtisch und bearbeitet die Protoqole2 der Berathungen der Industriellen und kann daher 3 nicht schreiben – läßt Dich aber herzlich grüßen und Dich zur Hochzeit die Mitte Juni seyn wird einladen. Er ist über diesen Aufschub jetzt ganz ausgesöhnt – weil ihn die Arbeiten des Handelsamts in diesem Augenblick so in Anspruch nehmen4 daß er früher keine Zeit zum Heurathen hätte. Wenn diese Arbeiten beendigt sind, will er sich Urlaub erbitten und einige Wochen nach der Hochzeit zu einem Familien Congreß nach Bromberg reisen.5 Er erfüllt damit einen Wunsch des Vaters der dort Brunnen trinken und mit Frau und Töchtern das Seebad gebrauchen will, der verheurathete Sohn und seine Schwester die Präsidentin Bähr sollen auch hinkommen. Da darf Friederike von der sich Vater und Mutter mit so schweren Herzen trennt nicht fehlen. Nachdem will Manuel mit Friederike und mir nach Nürnberg.6

Und so werden sich unsere verschiedenen Intentionen wohl vereinigen – Du kommst zur Hochzeit Mitte Juni und bleibst dann noch 4 Wochen bei mir und bist wenn das junge Ehepaar und das Finanz Ministerium7 14 Tag nach der Hochzeit verreist um so ungestörter bei mir und Deiner Arbeit – Vielleicht entschließt Du Dich uns nach Nürnberg zu begleiten – ich will der Braut die Dir die Fürstin ausgesucht nicht erwähnen und auch ihren Namen nicht wissen, und mir alle Heuraths Gedanken aus dem Sinn schlagen wenn ich Dich persuatire8 mit nach Nürnberg zu gehen. Die lieben Seelen dort sind es an und für sich schon werth und es wäre doch eine allerliebste Parthie wenn wir so alle beisammen in der alten Heimath und Simmelsdorf und Henfenfeld einkehrten.

Ein junger Harsdorf ein Freund von Georg brachte mir Briefe mit herzlichen Einladungen. Thekla ist von einem Söhnlein dem 2ten9 glücklich entbunden. Gottliebs Brief soll das weitere besagen – welcher Kampf ohn Ende in kirchlichen Angelegenheiten unter dieser unfreien verfassungsmäßigen und wiederigen Regierung – Aber je größer die Noth je näher Gott – solche Kämpfe bringen doch wieder in das Erstrebene kaum Leben.

Mit meinem Befinden geht es obwohl in alter Schwachheit die mir keine Anstrengung erlaubt doch zimlich gut – Es ist jetzt im jungen Frühlingsgrün in unserm Garten einladend viel im Freien zu seyn. Und nun kann ich ja meiner Ruhe pflegen. Das Kranken Haus ist durch die Born wohl versorgt Der Anfang war ihr schwer. Daher ich auf ihre Bitte angefragt – aber Goßner ist sehr mit ihr zufrieden und sie lebt sich ein und hat alle gute Gaben dazu –

Der Inhalt des Briefs der Fürstin hat mich sehr interessirt – und enthalte mich aller Glosen über diese geängstigte Seele und freue mich daß ihr es eine Zeitlang wohl geht in der glücklichen Wieder Vereinigung mit ihrer Tochter – Hat sie denn für mich keinen Gruß, den hab ich doch wohl verdient. So fragt auch die Sybel – Hat er für mich keinen Gruß? – wenn sie es auch nicht ausspricht sie war lange sehr leidend – aber nun ist sie wohler und erfreut sich ihrer glücklichen Freiheit und ihrer Kinder und Freunde – oftere Besuche – sie muß sich anlehnen und lieben und geliebt werden –

Nun geht es zu Flottwell zu Mittag – Nimm mit dem wenigen vorlieb. –

Gott stärke Dich bei Deiner Arbeit und lasse dies wohl gelingen –