Ich habe Dir schon recht lange nicht geschrieben; es vergehen mir aber hier die Tage und Stunden, ich weiß nicht, wie; der Ehestand kostet viel Zeit; dabei die Eltern, Freunde und endlich das Amt; es ist schwer, alles zu vereinigen. Die gute Wirkung haben diese Verhältnisse, daß sie eine gewisse Ruhe und Gemächlichkeit geben, da man mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und übertriebenem Eifer nicht durchkommt. Im Ganzen habe ich wohl Ursache, mit meiner Lage recht zufrieden zu sein und mich für die schöne Vereinigung angenehmer und schöner Verhältnisse glücklich zu preisen. Ich wäre sehr undankbar, wenn ich das nicht recht erkennen wollte. – Mein Weibchen war zwar in den letzten Wochen öfters leidend und wurde besonders von Kopfweh viel geplagt; es kommen dabei jedoch mancherlei Symptome vor, welche man als Vorzeichen eines glücklichen Ereignisses ansehen kann, wenn es auch noch zu gewagt wäre, sich der Hoffnung mit ganzer Sicherheit zu überlassen. Ich will daher die gute Hoffnung nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit hier andeuten. Ich kann mich diesem Gedanken auch noch nicht ganz hingeben, da man sich am Ende dabei immer täuschen kann, und die Erfüllung selbst noch entfernt liegt. Der Gegenstand ist dabei so ungewohnter Art, daß die Fantasie sich kaum damit beschäftigen mag. –
Mein Weibchen ist übrigens, auch wenn sie unwohl ist, immer gut, lieb und heiter, und wir führen ein friedliches glückliches Leben zusammen. Der Verkehr mit den Schwiegereltern führt auch im Ganzen keine Beschwerden mit sich; über Einmischung in unsere Häuslichkeit können wir uns durchaus nicht beklagen; im Gegentheil haben wir uns nur der vielfachsten und rührendsten Beweise ihrer Liebe zu erfreuen. Wenn es ihnen auch am liebsten wäre, wenn wir jeden Tag Mittag und Abend bei ihnen zubrächten, so sind sie doch in ihren Anforderungen nicht übertrieben, indem wir selbst gern ihren billigen Wünschen nachkommen und in diesem Verkehr eine große Annehmlichkeit unseres Lebens erkennen. – Von Gesellschaften halten wir uns möglichst entfernt, weil wir ohnehin schon mehrere Abende bei den Eltern zubringen und Friederike dergleichen nicht gut vertragen kann. Bei meinem veränderten Leben komme ich mit manchen alten Bekannten ganz auseinander.
Unsere Mutter hat sich, Gott sei Dank, sehr gekräftigt; ihre geistige Frische ist wieder die alte, und wenn auch ihre Körperkräfte gegen früher abgenommen haben, so scheint sie doch, das Maaß jetzt mit mehr Vorsicht zu berücksichtigen. In diesen Tagen war sie sehr durch eine gefährliche Krankheit Goßners alterirt1; er ist aber schon wieder so weit hergestellt, daß er heute gepredigt hat. – Von der Fürstin Gallitzin wird Dir die Mutter wohl erzählt haben; Du mußt ihre beiden Briefe2 lesen, welche sehr merkwürdig und charakteristisch sind; sie sind ebenso Zeugnisse ihres Verstandes, ihrer Bildung, als ihrer vornehmen Rücksichtslosigkeit, ihrer grenzenlosen Eitelkeit, und ihrer an Wahnwitz grenzenden Ueberspannung. Das Gefühl des Dankes scheint ihr unbekannt zu sein, und ihre Liebe ist auch der Eitelkeit, Stolz und dem Wahne dienstbar.
Von Nürnberg haben wir mehrere interessante Nachrichten. Onkel Siegmund ist zum Magistratsrath gewählt3; Gottlieb war von der Ritterschaft4 zum Landtag gewählt, hat aber den Urlaub vom König nicht erhalten. – Fräulein von Holzschuher5 ist inzwischen auch hier angekommen. – Von Senffts, die in Thiergarten wohnen, haben wir noch nichts gesehen und gehört; sie scheinen sehr eingezogen zu leben. – Bei Frantzens ist alles wohl; zur Vermehrung der Jugend will Frau Professor Franz im Januar ins Kinderbett kommen; das giebt einen etwas großen Kinderseegen.
In der Politik ist nicht viel Anderes zu erzählen, 6 sind jetzt bald zu erwarten; doch werden sie, so viel ich weiß, nicht viel Neues bringen. Auf einen anderen Minister des Inneren, als Herrn von Bodelschwingh können wir auch nicht rechnen, also ebenso wenig auf eine liberale Wendung unserer Verfassungsfrage. Die kirchlichen Bewegungen sucht man nicht durch Reformen, sondern durch Zögern und Zeitgewinnen, zu beschwichtigen; ihre Kraft wird aber dadurch nicht gebrochen und das Volk nicht auf andere Gedanken gebracht. – Ein interessanter Gegenstand, welcher jetzt berathen wird und einen heftigen Kampf veranlassen möchte, ist die Errichtung einer preußischen Nationalbank auf Aktien. –
als in der Zeitung steht. Die LandtagsabschiedeBerlin ist jetzt von neuem durch Jenny Lind entzückt; da wir Dich mit Gewißheit zu Weihnachten hier erwarten, so hoffen wir, daß Dir auch der Genuß, sie zu hören, zu Theil werden wird. Wir sahen sie als Donna Anna im Don Juan und als Agathe im Freischütz; sie ist weniger durch ihre Stimme bedeutend, als durch ihren edlen weiblichen empfindungsvollen Ausdruck einer rührenden und hinreißenden Erscheinung. – Auch sahen wir mit großem Genuß des Aufführung von Oedipus mit Musik von Mendelssohn; es war eine erhebende großartige Darstellung. –
Wir rechnen also mit Sicherheit darauf, Dich zu Weihnachten hier zu haben; schreibe uns nur bald, nd freut sich, Dich bald wieder zu sehen. Mit herzlichem Gruß
wann Du kommen wirst. – Mein Frauchen grüßt Dich aufs herzlichste u