Berlin den 5ten Februar
1846
Mein theurer Sohn! Ich habe mich darauf verlassen, daß Dir Immanuel in unser aller Namen geschrieben hat, sehe nun aber daß er unserer nur in zwei Zeilen beiläufig erwähnt hat; ich habe daher viel nachzuholen, obwohl die armselige Feder die Lücke nicht ergänzen kann, wenn wir Dir, und Du uns fehlest – und nachdem man sich wieder gehabt, ich mich immer wieder erst daran gewöhnen muß Dich zu entbehren. Es war mir (was eigentlich recht schlecht von mir ist) eine Art Satisfaction, daß Du uns zum erstenmahl gestehst, uns dies selbst gestehst, daß Du Dich immer erst in Zustände hinein leben mußt – die eben nicht so zu Deinem Eigensten gehören, wie das heimatliche reichere viel bewegtere Leben und Treiben. Ich höre es so gerne, daß es Dir wohl bei uns ist – obgleich es zu meinen Grundsätzen gehört, daß man am liebsten seyn muß, wo man ist, und daneben sich halten an das Gute wie und wo man es findet. – So danke ich Gott dafür daß Du vors Erste Professor in Rostock bist und denke Er wird weiter für meinen Herzens Sohn sorgen – „verricht‘ das Deine nur getreu“ – Er wird es segnen und fördern –
Franzens Kinderchen spielen bei mir, die gute Frau ist mit dem 6ten Mädchen in Wochen, und da hab ich des Vormittags die Kleinen bei mir, die, wenn sie aufgestanden sind, schon nach der Mutter Hegel verlangen; das war auch ein guter Grund, zum nicht schreiben – Sonst hab ich auch noch die Sorge um Goßner – der nach Neujahr wieder an neuen langwierigen Unterleibsleiden erkrankt und so geschwächt ist, daß er dringend einen Nachfolger verlangt, den er auch schon erwählt hat. Ich war um die Sache zu beschleunigen im Namen des Vorstands des Kranken Hauses mit der Born bei Eichhorn und erhielten Versprechungen, die noch unerfüllt sind. Der von Goßner vorgeschlagene Köppen kommt Ende dieser Woche hier an und wird Sontags seine Probe Predigt halten. Gott gebe daß er Goßner und der Gemeine und das Bedürfniß des Kranken Hauses und der Mission zu befriedigen im stande ist. – Goßner ist schwer | zu ersetzen und mit ihm geht mir, das kannst Du wohl mit mir fühlen, ein unersetzlicher Freund für diese Welt dahin – und wie wird er dem Kranken Haus fehlen!
Daß der liebe Magister Karsten eine neue Auflage des so mangelhaften Trostbuchs veranlassen will, freut mich und bedarf keiner Anfrage, denn was darin Gutes ist, ist nicht mein Eigenthum. Doch ist es auch hier den armen Kranken ein liebes Buch und gerade das einfachste, das ihnen zugänglichste – dieser Segen ist mir ein unverdienter Lohn und eine unerwartete Freude. – Doch wär es gut wenn der liebe Magister Karsten es noch einmahl erweiterte und es in verbesserter Auflage erscheinen ließ –
Ich habe von Emma Lameyer mit ein paar Worten von ihren lieben Reisegefährtinnen zum Andenken ein Sendschreiben von der
Sybeking an ihre Freunde unter den Armen und den 3ten Bericht von Wichern über die Brüder des Rauhen Hauses zugeschickt bekommen und werde ihr dagegen unsern Jahresbericht schicken. Ersteres ist jedem Armen Verein zur Mittheilung an die Armen zu empfehlen. Wichern hab ich aus diesem Bericht wieder aufs Neue liebgewonnen als einen Mann von seltenen Gaben der Weisheit und christlichen Liebe, die er im praktischen Christenthum bethätigt –
Für unsere neu erbaute Kirche die den 10ten März eingeweiht wird, ist Posner aus Liegnitz erwählt und wir hoffen nach der Probe Predigt die ich von ihm gehört habe, einen geistreichen gemüthvollen Geistlichen in ihm zu bekommen – und hab mir mit Manuel 3 Plätze in dieser geheizten Kirche bestellt – Das hat uns Gerlach von England mitgebracht, daß man die Kirchen heizen kann – und hier ists mit 4 Ofen bewerkstelligt – –
Unser Friederikchen ist Gottlob wieder ganz wohl und munter und mir geht es auch gut – ich huste wenig und halte mich still – Sonntags zu Flottwells und dazwischen einmahl zu Goßner der auch in kranken Tagen liebenswürdig humoristisch und wohl auch ernstlich besorgt sein Haus bestellen möchte – Im Kranken Haus ist Friede – wir haben treffliche Mädchen. Ein gelehrter Dr. Med. Sobernheim war in den letzten 4 Wochen vor seinem Ende in seiner Verlassenheit mit seiner geisteskranken Mutter in deren Wohnung verpflegt und war ein dankbarer Kranker; er war wie im Himmel verfolgt und segnete unser Haus – So viel für heute. Manuel schreibt das noch Fehlende – Leb wohl theurer Herzens Sohn! In treuester innigster Liebe Deine Mutter
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Franziska- Franziska, schwangere Frau in Erlangen.
Franz, Johannes11671914118041851Franz, Johannes (1804–1851), in Nürnberg geborener Philologe, der nach seinem Studium des Alt- und Neugriechischen an der Universität München dort promoviert wurde und sich habilitierte. Nach einem längeren Italien-Aufenthalt wurde er 1840 außerordentlicher, 1846 ordentlicher Professor für alt- und neugriechische Philologie an der Universität Berlin.
Goßner, Johannes Evangelista11854089017731858Goßner, Johannes Evangelista (1773–1858), in Schwaben geborener Theologe, der als katholischer Priester zur evangelischen Lehre konvertierte und Pfarrer wurde. Von 1829 bis 1846 war er Prediger an der Berliner Bethlehemskirche und wandte sich im ganzheitlichen Sinne der Mission zu. Die Goßnersche Missionsgesellschaft (Berliner Missionswerk) und das Berliner Elisabeth-Kinder-Hospital (Elisabeth-Krankenhaus) wurden von ihm u. a. gegründet.
Bornträger, Georg Martin Ludwig107340773X17881843Bornträger, Georg Martin Ludwig (1788–1843), in Osterode (Harz) geborener Buchhändler und Verleger, der sich im Jahre 1818 in Königsberg niederließ und zusammen mit seinem Bruder Johann Friedrich Wilhelm Bornträger (1787–1866) eine Verlagsbuchhandlung betrieb.
Eichhorn, Johann Albrecht FriedrichJohann Albrecht Friedrich Eichhorn10433526217791856Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779–1856), in Wertheim geborener Staatsmann, der von 1840 bis 1848 preußischer Staatsminister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten war; in Erfurt war er 1850 im Unionsparlament für das Königreich Preußen Mitglied des Staatenhauses und dessen Alterspräsident.
Karsten, Hermann Rudolf 12090769018011882Karsten, Hermann Rudolf (1801–1882), 1828 Diakon zu St. Marien in Rostock.
Lameyer, N. N.-Lameyer, N. N., Vater des Fräulein Lameyer in Hamburg.
Sieveking, Amalie Wilhelmine11876527217941859Sieveking, Amalie Wilhelmine (1794–1859), in Hamburg geborene Tochter des Kaufmanns und Senators Heinrich Christian Sieveking (1752–1809), beeinflußt von dem Missionswirken Johannes Evengelista Goßners (1773–1858), Mitbegründerin der Diakonie und Inneren Mission, der evangelischen Kirche und Begründerin des „Weiblichen Vereins für Armen- und Krankenpflege“.
Wichern, Johann HinrichJohann Hinrich Wichern11863223X18081881Wichern, Johann Hinrich (1808–1881), in Hamburg geborener evangelisch-lutherischer Theologe und Sozialpädagoge, der im Sinne der Erweckungsbewegung tätig war. Nach seinem Theologiestudium von 1828 bis 1832 an den Universitäten Göttingen und Berlin wurde er durch sein vielfältiges pädagogisches und theologisches Wirken u. a. als Gefängnisreformer und in den Bereichen der städtischen Mission zum Begründer der Inneren Mission der evangelischen Kirche in Deutschland. Schon im Jahre 1833 gründete er das „Rauhe Haus“ bei Hamburg für bedürftige Kinder.
Posner, N. N.-Posner, N. N., Pfarrer aus Liegnitz.
Gerlach, Therese, geb. Moritz
Therese Gerlach, geb. Moritz11658757118261910Gerlach, Therese, geb. Moritz, Ehefrau des Anatomen und Physiologen Joseph Gerlach (1820–1896).
Flottwell, Eduard HeinrichEduard Heinrich Flottwell11663107417861865Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865), preußischer Staatsmann, Minister und oftmaliger Oberpräsident, u. a. von 1841 bis 1844 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1849/50 Oberpräsident der Provinz Preußen, 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Schwiegervater Immanuel Hegels (1814–1891).
Sobernheim, Joseph Friedrich11584293418031846Sobernheim, Joseph Friedrich (1803–1846), in Bromberg geborener Mediziner und Medizinschriftsteller, der an den Universitäten Königsberg und Berlin Medizin studierte und im Jahre 1828 in Königsberg promoviert wurde.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Liegnitz51.204768900000005,16.174675034638256Etwa 280 Kilometer südöstlich von Berlin und etwa 80 Kilometer südöstlich von Breslau gelegene Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der preußischen Provinz Schlesien.
EnglandNeben Schottland, Wales und Nordirland der größte Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien mit London als Hauptstadt.
Elisabeth-Krankenhaus (Berlin)Im Jahre 1837 als erstes evangelisches Krankenhaus in Berlin vor dem Potsdamer Tor von dem konvertierten evangelischen Geistlichen Johannes Evangelista Goßner (1773-1858) gegründet. Es wurde nach der im Jahre 1830 konvertierten, stark sozial engagierten Elisabeth Ludovica von Bayern (1801-1873) benannt, der Gemahlin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861).
Rauhes HausVon dem evangelischen Theologen und Sozialreformer Johann Hinrich Wichern (1808-1881) im Jahre 1833 mit Hilfe Hamburger Bürger gegründete Stiftung zur Rettung verwahrloster oder straffällig gewordener Hamburger Kinder, die sich zu einer ausgreifenden, christlich geprägten Fürsorge- und Erziehungseinrichtung entwickelte.
Matthäuskirche (Berlin)Die am südlichen Rand des Großen Tiergartens in Berlin gelegene evangelische Kirche St. Matthäus, gebaut nach den Entwürfen des Architekten Friedrich August Stüler (1800-1865), wurde am 17. Mai 1846 eingeweiht. Erster Pfarrer war Carl Albert Ludwig Büchsel (1803-1889).