Berlin den 27ten März 1846
Dein lieber Brief mein Herzens Sohn ließ mich an meinem Geburtstag aufs Neue empfinden wie viel ich Gott zu danken habe – und wie reich ich noch bin, daß ich Euch habe Ihr lieben Kinder. Ihr meine liebsten treuesten Freunde, die wir aneinander von Gott angewiesen und durch die innigsten Bande der Liebe an einander gekettet sind.
Du hast mir nachgefühlt wie schmerzlich mich die traurigen Erfahrungen in letzter Zeit berühren. Es war die reinste Liebe ja die ewige Liebe die mich an Goßner und dieses Haus in dem sich die Liebe Christi bethätigen sollte, gekettet hat. Wie viel war schon erreicht, es war nicht ein unverrückbares Ideal, wie wir zu Zeiten erfahren haben. Ich möchte diese Erfahrung um keinen Preis missen und kann Euch sagen so viel mir Gott zum Voraus im Leben geschenkt hat, war es doch die glücklichste Zeit meines Lebens die ich in diesem Hause und dieser Gemeinschaft verlebt habe – es war mir eine Schule für die ich Gott danken werde in Zeit und Ewigkeit – Auf das was wir daran gehabt und was es auch wieder werden wird, so Gott will, will ich nun auch hoffen. Werden wir auch gedemüthigt, so ist uns solche Demüthigung recht heilsam um unseren Frieden willen mit denen wir das reinste und schönste Werk der Liebe verdanken. Die Gemeinschaft der Heiligen ist hienieden doch nur eine Gemeinschaft von | armen Sündern – Unsere herzensgute und energische Hausmutter die das Kranken Haus bisher in musterhafter Ordnung erhalten hat, hat durch manch unverwehrtes Wort das sie in ihrer Aufregung ungeprüft oft unwahr zu Goßner herüber gebracht mit kleinen Fünklein ein großes Feuer angeschürt – weil Goßner dieser Mann der Wahrheit alles für wahr nimmt und wenn ihm das Maas voll zu seyn scheint drein schlägt – und dann wohl auch das Kind mit dem Baad ausgießt. So hab er sich denn eines so ungerechten Gerichts schuldig gemacht das uns vor aller Welt compromitirt – und das nicht so leicht wieder gut zu machen ist. Kranichfeld ist nun an Arnims Stelle Oberarzt und für den trefflichen Reise zwei die nimmermehr seine Stelle ersetzen – und die ihm das Zeugniß geben daß sie das Hospital in trefflichem Zustand gefunden haben. Nun das sich die Wahrheit ausweist und in diesem und Anderm Reise gerechtfertigt dasteht, verläßt die Born theils wegen Kränklichkeit theils im Gefühl ihrer Schuld das Kranken Haus und nun brauchen wir wieder eine neue Hausmutter und müssen uns vor aller Welt schämen – Ach fände sich doch nur die Rechte ich könnte sie nur glücklich preisen an dieser Stelle die warlich nicht so schwer ausgefallen ist. Sie darf nur beaufsichten und die Mutter der Schwestern seyn. Es sind treffliche Mädchen – wir haben immer so viel ernst gläubige Mädchen beisammen gehabt. – Sage doch davon bei allen christlichen Freunden. Es ist ein Nothruf – Gott wolle uns doch nur einmahl eine fromme innige erleuchtete Seele schicken, wie Er sie in diese | Samariterherberge braucht. Schreibe gelegendlich an Wichern ob sich Frl. Lameyer die in seiner Schule war so oder sonst Eine der Seinen nicht dazu eignete.
Ich halte mich in der Sache die mir viele Gemüthsbewegung verursacht hat – da ich nicht verhindern konnte was geschehen ist, jetzt fern – Aber meine Gedanken sind in meiner jetzigen Einsamkeit doch viel drüber – Am meisten schmerzt es mich daß mich diese Geschichte mit Goßner für den Augenblick entzweit hat. Er tritt nieder was ihm im Wege steht wenn er glaubt mit Gott das rechte zu thun – Nun sieht er wohl daß er sich dießmahl geirrt und so hoff ich wird mich die Wahrheit auch wieder mit ihm versöhnen. – Doch will ichs stille erwarten.
Unser Georg ist gestern Donnerstag Abend in Nürnberg angekommen und ich denke nun diesen Morgen wie sich Alle über den lieben Jungen freuen werden und wie viel er in seiner Anhänglichkeit an uns von uns berichten wird. Er geht dann nach München – Ich vermisse ihn sehr. Doch fühl ich mich nicht so einsam und verlassen und trostbedürftig daß ich Dich darum hieher berufen möchte wenn es Dir nicht selbst wünschenswerth ist. Möchte Deine Arbeit in den Ferien glücklich vom Stapel laufen und Du dann um so freier die Sommer und Herbst Ferien zu einer Reise zu uns und nach Frankfurt und vielleicht Nürnberg benützen. Ich danke Dir daß Du mir wenn ich es dringend wünschte das Opfer bringen wolltest, aber sey ruhig um meinetwillen –
Ich bin wieder zimlich wohl und innerlich getröstet. Ich freue mich der Lieben die ich noch bei mir habe | und wenn Du auch nicht dabei bist lebst Du doch mit uns fort. Unser Friederikchen ist Gottlob überaus wohl und blühend – Wie freu ich mich ihrer Hoffnungen und dieses neuen Zuwachs einer noch nicht gekannten Freude! Ich möchte den lieben Kindern näher ziehen – dass Oma oder Großchen das Kindle wiegen kann wenn die junge Frau ausgeht – Wir suchen auch schon und haben dazu noch Zeit bis Juli da ich da erst für October kündigen darf. – Franzens wird das Nest bald auch zu eng. Sie hat das 5te Mädchen. Er war 14 Tage lang krank und sehr ungeduldig über den Aufenthalt seiner Arbeiten und grüßt Dich schönstens.
Nun noch eine Hauptsache – – Frau von
Senft hat mich mit ihrem 2ten
Tochterlein besucht und gestern war ich wieder bei ihr zum Gegenbesuch und haben uns gegenseitig denk ich lieb gewonnen als alte Bekannte, durch Dich einander aufs beste empfohlen. P. Lasius mit seiner
Frau und einem Freund und einem Missionar aus Afrika der hier bei Dieffenbach Chirurgie lernt – da kamen wir bald im vollen Zug der besten Untherhaltung. Wir haben und versprechen wir wollten uns oft besuchen – Sie sprach mit vieler Liebe von Dir – Ida ist eben mit ihrem Vater am Rhein – Die Schwester ist ein herzlich liebes Mädchen.
Nun hätte ich noch von meinem Geburtstag zu schreiben den ich bei Manuel mit den Eltern zugebracht. Wo mir die Lieben ein Tischchen aufbauten u. a. Georgs Bild von
Clärchen gezeichnet.
Eben kommt Friederike und will meinen Brief mitnehmen – Darum nur noch ein eiliges Herzinniges Lebewohl.
Grüße Röpers wie sehr beklage ich ihren Verlust.
Durchlesen kann ich nicht.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Goßner, Johannes Evangelista11854089017731858Goßner, Johannes Evangelista (1773–1858), in Schwaben geborener Theologe, der als katholischer Priester zur evangelischen Lehre konvertierte und Pfarrer wurde. Von 1829 bis 1846 war er Prediger an der Berliner Bethlehemskirche und wandte sich im ganzheitlichen Sinne der Mission zu. Die Goßnersche Missionsgesellschaft (Berliner Missionswerk) und das Berliner Elisabeth-Kinder-Hospital (Elisabeth-Krankenhaus) wurden von ihm u. a. gegründet.
Kranichfeld, N. N.-Kranichfeld, N. N., Oberarzt am Berliner Elisabeth-Krankenhaus.
Anders, N. N.-Anders, N. N., Oberarzt am Berliner Elisabeth-Krankenhaus.
Reise, N. N.-Reise, N. N., Dr., Lichtfreund.
Born, N. N.-Born, N. N., Ehefrau des Majors Born.
Wichern, Johann HinrichJohann Hinrich Wichern11863223X18081881Wichern, Johann Hinrich (1808–1881), in Hamburg geborener evangelisch-lutherischer Theologe und Sozialpädagoge, der im Sinne der Erweckungsbewegung tätig war. Nach seinem Theologiestudium von 1828 bis 1832 an den Universitäten Göttingen und Berlin wurde er durch sein vielfältiges pädagogisches und theologisches Wirken u. a. als Gefängnisreformer und in den Bereichen der städtischen Mission zum Begründer der Inneren Mission der evangelischen Kirche in Deutschland. Schon im Jahre 1833 gründete er das „Rauhe Haus“ bei Hamburg für bedürftige Kinder.
Lameyer, N. N.-Lameyer, N. N., Fräulein in Hamburg.
Franziska- Franziska, schwangere Frau in Erlangen.
Franz, Johannes11671914118041851Franz, Johannes (1804–1851), in Nürnberg geborener Philologe, der nach seinem Studium des Alt- und Neugriechischen an der Universität München dort promoviert wurde und sich habilitierte. Nach einem längeren Italien-Aufenthalt wurde er 1840 außerordentlicher, 1846 ordentlicher Professor für alt- und neugriechische Philologie an der Universität Berlin.
Dieffenbach, Johann Friedrich11852531X17921847Dieffenbach, Johann Friedrich (1792–1847), im preußischen Königsberg geborener Mediziner, der ein bedeutender Chirurg wurde. Nach einem 1812 begonnenen Studium der evangelisch-lutherischen Theologie an den Universitäten Rostock und Greifswald wechselte zum Studium der Medizin an die Universitäten Königsberg und Bonn und wurde 1822 an der Universität Würzburg promoviert. Von 1823 bis 1832 wirkte er als praktischer Arzt in Berlin und kam an die Charité, bevor er 1832 Professor an der Berliner Universität und 1840 Ordinarius für Chirurgie wurde.
Senfft-Pilsach, Ernst Karl Wilhelm11747331617951882Senfft-Pilsach, Ernst Karl Wilhelm (1795–1882), Ehemann Ida Senfft-Pilsachs, geb. Oertzen (1799–1849), wurde nach Militärkarriere und Gutsbesitzertätigkeit Berater König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen (1795–1861), war von 1845 bis 1848 Geheimer Oberfinanzrat im Ministerium des königlichen Hauses als Teil des preußischen Staatsministeriums, 1848 Mitbegründer der „Kreuzzeitung“, aktiv tätig in der pommerschen Erweckungsbewegung und in der Inneren Mission, von 1852 bis 1866 Regierungspräsident in Stettin und Oberpräsident der preußischen Provinz Pommern.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Flottwell, Eduard HeinrichEduard Heinrich Flottwell11663107417861865Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865), preußischer Staatsmann, Minister und oftmaliger Oberpräsident, u. a. von 1841 bis 1844 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1849/50 Oberpräsident der Provinz Preußen, 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Schwiegervater Immanuel Hegels (1814–1891).
Röper (Roeper), Johannes August ChristianJohannes Roeper11658384318011885Röper (Roeper), Johannes August Christian (1801–1885), in Doberan geborener Mediziner und Botaniker, der von 1816 bis 1823 an den Universitäten Rostock, Berlin und Göttingen studierte und im Jahre 1823 in Göttingen promoviert wurde. 1826 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Basel und war dort von 1829 bis 1836 Ordinarius. Anschließend war er bis 1885 ordentlicher Professor der Naturgeschichte und Botanik an der Universität Rostock sowie Direktor des Botanischen Gartens, dazu viermal Rektor und von 1846 bis 1880 Direktor der Universitätsbibliothek.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
AfrikaIm Norden an das Mittelmeer angrenzender Kontinent auf der südlichen Erdhalbkugel.
RheinCirca 1233 Kilometer langer, im Schweizer Kanton Graubünden entspringender Fluß im Westen des Gebietes des Deutschen Bundes, von der Schweiz, durch den Bodensee, am Ende durch die Niederlande fließend und in die Nordsee mündend.
Elisabeth-Krankenhaus (Berlin)Im Jahre 1837 als erstes evangelisches Krankenhaus in Berlin vor dem Potsdamer Tor von dem konvertierten evangelischen Geistlichen Johannes Evangelista Goßner (1773-1858) gegründet. Es wurde nach der im Jahre 1830 konvertierten, stark sozial engagierten Elisabeth Ludovica von Bayern (1801-1873) benannt, der Gemahlin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861).