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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 27. August 1846

Geliebter Sohn!

Manuel hat es in dieser Zeit übernommen an Dich zu schreiben – Du hättest aber wohl durch die Zeilen durchsehen müssen, wie es der Mutter dabei zu Muthe war und wie unüberwindlich schwer mir zu solchen Zeiten wird, zu schreiben –

Georgs Verlust war mir der Verlust eines Sohnes2, denn ich hab ihn geliebt, wie einen Sohn und der Schmerz der Seinen, eine Zugabe zu dem meinen – Ich weiß woran ich mich halte und was mich getröstet, aber man wird zu solcher Zeit stiller und daher hast Du keinen Brief von mir bekommen – indeß doch kein Tag vergeht, in dem Dich Dein Mütterchen nicht besonders ans Herz nimmt –

Heute den 27ten August weiß ich, daß sich unsere Gedanken im Andenken des geliebten Vaters, besonders begegnen.3 Daher diese Zeilen ein fühlbarer Händedruck über seinem Grabe, in dankbarem Aufblick, und Rückblick auf eine glückliche Vergangenheit, in der wir das Beste ihm verdanken – Es ist meines Herzens Trost und Freude daß Ihr in seinem Sinne es forthaltet, daß ich in Euch, ihn noch besitze –

Wie freut es mich Dich bald wiederzusehen, Du lieber theurer Sohn! – Wie viel reicher findest Du mich und Schwester4 Friederike und Immanuel, durch unser liebes Augustchen. Die Augen der Liebe mit denen Du sie ansehen wirst, werden in der Kleinen unentwickelten Knospe schon alles finden was in ihr liegt – die Lebhaftigkeit unserer Friederike – und das Herz von Vater und Mutter blickt aus den klaren dunkelblauen Guck Aeugelein – In diesem Kindlein und in dem Glück ihrer Liebe muß unsere Friederike für die bevorstehende Trennung ihren Trost finden. Der theuere Vater reist den 10ten September – Anfangs October die Mutter die in der letzten Zeit auch noch nach Merseburg gehen und mit den Mädchen bei uns sich aufhalten wird. Den 15ten gehen schon die Meubel Wagen ab.

Also beeile Dein Hieherkommen – und werde nach vollendeter Arbeit Deiner Reise froh. Es freut mich daß Du mit Beselers die Reise machst – sie sind hier, Manuel hat ihn begegnet und er versprach ihn zu besuchen. Die lieben Senfs sehe ich öfter – so oft sie mich im Vorbeigehen erblicken, kommen die lieben Mädchen   und nöthigen mich zur Mutter im Garten. Ida ist jetzt bei der Freundin die sie Dir zugedacht, die in Neubrandenburg nun verheirathet ist – Wittwer mit 4 Kindern ein getaufter Jude – sie sey aber sehr glücklich. Die arme Mutter, war sehr krank an Ruhrleiden lag in Phantasien – dann in großer Ermattung – Der Vater verreist, da lag die Sorge allein auf den beiden lieben Mädchen. Ich wußte wie die Noth am größten war, nichts davon, weil ich in dieser Zeit täglich von Morgen bis Abend bei Friederike war. – Was sind das für liebe Herzen! Die Beiden lieben Mädchen! – Sie reden in ihrer kindlichen Offenheit so oft von Dir, wie viel sie Dir verdanken, wie Du ihr Trost warst – und ist nichts – was sie nicht wüßten – So waren sie dann längs sehr darauf gespannt Friederike zu sehen – und erst jetzt traf Lischen mit Schwester Friederike bei mir zusammen und sie war ganz so wie sie sichs dachte –

Was sagt Magister Karsten zu den Ergebnissen unserer General Synode – Das Formular nach dem die Geistlichen entpflichtet werden? – Dieser breite Schuh der allen recht ist – in dem das Fundament, der Inhalt unseres christlichen Glaubens Bekenntnisses und damit alles weggelassen und ignorirt ist – Göschel gehört zu den 14 der Minoritet und sagt Hegel hät auch dazu gehört – Sie werden ein Separat Votum abgeben – Goßner kämpft in seinen Predigten mit apostolischem Feuer, die Braut will ihren Bräutigam nicht so beschimpfen lassen wan ihre seine hochadelige Geburt empfangen vom Heiligen Geist Auferstehung Himmelfahrth – das wodurch Er unserer Gerechtigkeit Heiligung und Erlösung ist, streitig gemacht wird –

Ich streite mich darüber mit Keinem – aber die Sache bewegt mich sehr und kann sie nicht für so geringfügig ansehen – Nun bald ein weiteres mündlich – Laß mich den Tag Deiner Ankunft wissen damit ich mich und wir uns darauf freuen. Das liebe schöne Warnemünde! und Doberan! es ist mir eine so liebe Erinnerung wie wir da zusammen waren und ich versetz mich Mitwochs und Sontags mit Dir dahin – am Spühl5 – beim Sonnen Untergang – Wir hatten drückende Schwüle – Grüß mir die lieben Freunde die dort nach mir fragen – und sey von mir gegrüßt und geküßt in der Liebe mit der nur ein Mutterherz liebt.

Bring mir doch alle Briefe, die ich Dir mitgetheilt mit und alles Zerrissene an Wäsche –

Weißt Du daß Rosenkranz bis Ende August hieher kommen und mit uns etwaige Verbesserungen und Zusätze zur 2ten Ausgabe des Buches6 berathen und erholen will.