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Georg Beseler an Karl Hegel, Greifswald, 10. Januar 1847

Lieber Hegel!

ich will es doch nicht länger aufschieben, Dir für Dein schönes Weihnachtsgeschenk zu danken, wenn ich auch tief in der Arbeit sitzend, mich schwer zum Briefschreiben entschließen, und von hiesiger [!] Sachen nichts Besonderes zu berichten habe. Allein ich muß Dir doch sagen, wie sehr ich mich gefreut habe, daß Dein Buch, so zierlich in der äußern Ausstattung und so tüchtig im Inhalt, jetzt glücklich ans Licht der Welt getreten ist. Ich habe meine herzliche Freude dran gehabt, und fühle es lebhaft mit Dir, wie gehoben Du Dich jetzt in Deiner Stimmung finden mußt, und wie sehr sich die Aussichten für Deine Zukunft jetzt erhellen. Eine unmittelbare Wirkung wirst Du freilich nicht sogleich erfahren, wenn man sich nicht etwa jetzt in Schwerin entschließt, Dich zum Ordinarius zu machen; aber Du kannst sicher seyn, daß auch äußerlich Deine academische Stellung gesichert ist, und daß Du über Kurz oder Lang die guten Folgen davon erfahren wirst. Die wahre innere Thätigkeit, die sich auch äußerlich zu benöthigen weiß, findet gegenwärtig in Deutschland immer ihre Anerkennung. – Es wird mich intereßiren von Dir zu hören, wie Freund und Feind das Buch aufgenommen haben; später wird man das freilich aus der Litteratur entnehmen können.1

Über den Inhalt schreibe ich Dir nicht näher, da ich über die Hälfte des Bandes Dir schon mein Urtheil gesagt habe. Auch der zweite Abschnitt ist für mich im höchsten Grade belehrend gewesen, und so viel ich aus einer sorgfältigen Lectüre, ohne selbständiges Nachforschen habe entnehmen können, hast Du auch in Beziehung auf die langobardischen Sachen in allen wesentlichen Puncten das Rechte getroffen. Nur darauf muß ich Dich aufmerksam machen, daß es mir geschienen hat, die formelle Darstellung sey in diesem zweiten Abschnitt nicht ganz so gelungen, wie im ersten. Zuweilen kam es mir vor, daß die Untersuchung sich etwas schleppend darstelle und von einigen nicht nothwendigen Wiederholungen nicht ganz frei sey. Vielleicht liegt das im Gegenstande und der Beschaffenheit der Quellen, so daß Dich kein Vorwurf trifft; vielleicht aber hängt es damit zusammen, daß Du Dich bei der letzten Überarbeitung durch den schon begonnenen Druck genirt fühltest. Ist Letzteres der Fall, so wirst Du künftig Dich davor bewahren können. Laß Dich aber durch diese Bemerkung nicht verstimmen, sie betrifft, wie gesagt, nur das Formelle und auch nur in wenigen Partien.

In Berlin denke ich mir hast Du frohe Tage verlebt, und ich begreife ganz die Freude Deiner guten Mutter, daß sie wieder einen Profeßor Hegel2 als Schriftsteller hat feiern können. Schreibe mir, wie es Dir dort ergangen, und was Du von Staatssachen gehört hast. Mit scheint doch, daß der Berg noch immer im Kreisen ist.

Die Nachrichten, die Du von Rostock gabst, waren ja nicht sehr erfreulich. Den armen Ackermann wird doch sein trauriges Geschick wohl rettungslos erfaßen. Es geht viel in ihm verloren.3 – Auch hier giebt es viel Noth und Krankheit; wir halten uns aber doch Gott sey Dank noch immer frisch und munter, Ostern4 mußt Du uns einmal wieder aufsuchen.

Grüße die Freunde und Verwandtschaft, und sey von uns herzlich gegrüßt.
Treulichst
Dein GB

P. S. Hast Du von Gervinus etwas gehört? Mein Schwager5 schreibt, daß er wohl ist.