Es naht die Zeit in diesem Wonnemonat, wo ich Dich zu besuchen gedenke. Manuel schreibt mir, daß Du mich sehnlichst erwartest, und dies treibt mich noch mehr, nicht mehr lange auf mich warten zu lassen. Ich meine am nächsten Freitag oder Sonnabend Morgen bei Euch eintreffen zu können. Die gute Frau Becker, welche Dir diesen Brief mitbringt, wollte dis Mal meine Reisegefährtin sein; aber es hat sich wieder nicht so machen wollen: sie mußte schon früher fort.
Ich freue mich vor allem darüber, daß es mit Deiner Genesung guten Fortgang genommen, daß ich Dich nicht mehr als eine kranke Mutter antreffen werde. Gott wolle Dich in solchem Stande der Gesundheit erhalten!
Mir ist es in der letzten Zeit ganz gut gegangen, seitdem ich bessere Mittagskost und Nahrung bekommen. Dazu das schöne Frühjahr, das uns ins Freie hinauszieht unter die blühenden Bäume, in den frisch grünenden Wald!
Nun bin ich auch wieder unter die Druckerpresse gekommen und meine Arbeit naht sich dem ersehnten Ende. Für meinen 1. Band ist mir viel Ehre widerfahren; möchte der 2. nicht hinter der Erwartung zurückbleiben2! Wenn Du durch Manuel den Rheinischen Beobachter vom 18. April bekommen kannst, so wirst Du darin den Ruhm Deines Sohnes lesen. Es ist so viel, daß es wohl zu viel ist für den Anfang, denn mehr ist auch am Ende nicht zu erreichen. Nach dem, was mir Wunderlich von solchen Äußerungen und Absichten berichtet hat, muß ich vermuthen, daß der Aufsatz von ihm herrührt, und es vielleicht gut für mich ist, um den Neid und die Mißgunst abzuhalten, daß er an der Stelle, wo er steht, nicht eben von Vielen wird gelesen sein.
Es scheint nicht nöthig, daß ich in der Aussicht auf ein nahe bevorstehendes Wiedersehen, hier noch mehr hinzufüge als die herzlichsten und innigsten Grüße an Bruder und Schwester. Als bis auf Wiedersehen, liebe Mutter, lebe wohl!
Es folgt eine Beilage in Form eines Zettels, 20 x 10,5 cm, geschrieben in blauerTinte wohl von Sigmund Hegel (1863-1845), da die bedruckte Rückseite technische Zeichnungen und eine Überschrift zur Patentschrift 644175 Kl. 8m Gr. 1102 enthält; Karl Hegels Sohn Sigmund Hegel war 1898 Regierungsrat am Kaiserlichen Patentamt in Berlin.:
Rheinischer Beobachter 18.4.1847
In der Tat ist hier eine Sorgsamkeit und ein Fleiß, in dem Urteil eine Nüchternheit und Reife, in der äußeren Darstellung eine Ordnung und Reinlichkeit bewährt, musterhaftester Art, wie man sie selten in einem deutschen Buch zu rühmen hat, und es kann als ein seltenes Glück gepriesen werden, wenn, wie hier, der Sohn eines Meisters in der einen Wissenschaft sogleich mit seinem ersten bedeutenden Werk sich einen unbestreitbaren Platz unter den Meistern eines zweiten erringt.
(Auszug.) Sigmund Hegel.