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Karl Hegel an Georg Waitz, Rostock, 23. Oktober 1847

Verehrtester College und Freund!

Ich bin so frei, mich mit einer Anfrage an Sie zu wenden und mir Ihre gefällige Auskunft in einer Angelegenheit zu erbitten, welche Sie weit besser als ich zu beurtheilen im Stande sind. Es handelt sich nämlich darum, auch hier in Mecklenburg eine Sammlung für Ihren Beseler zu veranstalten, im Fall unsere Mitwirkung bei dieser Sache überhaupt wünschenswerth und ersprießlich erscheint. Meine Zweifel und Bedenken in dieser Hinsicht beziehen sich nicht sowohl darauf, ob es zu wünschen, daß Beseler seine Advocatur niederlege1, um sich ganz den politischen Dingen hingeben zu können, oder ob er auch geneigt sei, darauf einzugehen – denn ohne diese doppelte Voraussetzung würde man doch in Schleswig-Holstein selbst, würden seine Freunde das ganze Unternehmen niemals begonnen haben – als vielmehr darauf, ob denn von den Sammlungen in Schleswig-Holstein ein bedeutendes Resultat irgend zu erwarten steht und ob dort auch eine Betheiligung des übrigen Deutschland, daß die Patrioten von Schleswig-Holstein die Sache in ihrem Lande allein ausrichten wollen; in der ersteren aber bringen uns die Zeitungen so verschiedenartige Nachrichten, daß man den Glauben an das Gelingen kaum recht mehr forthalten kann. Ich wünschte also vor allem zu wissen, wie es eigentlich um die Sache gegenwärtig steht. Das Kieler Comité hat sich für abgenutzt erklärt, nachdem sein unpraktischer Plan, mit dem man zweierlei Zwecke zugleich erreichen wollte, gänzlich gescheitert ist, hat kein neues Comité in Schleswig ernannt: andrerseits ist vor kurzem ein Aufruf von Tiedemann ergangen, über dessen Erfolg mir ebenso wenig bekannt geworden, als über das Verhältniß von Tiedemann selbst zu dem neuen Comité.2

Diese Vorgänge geben uns anderen in Deutschland wenig Vertrauen zu dem Unternehmen, woraus sich dann auch wohl allein die gänzliche Theilnahmlosigkeit erklärt, welche hier bisher noch überall stattfindet, eine Gleichgültigkeit, die von dem im vorigen Jahre bewiesenen Eifer bei den Adressen höchst auffallend absticht. Auch ich selbst würde kaum auf den Gedanken gekommen sein, eine weitere Anregung zu der Sache in Mecklenburg zu geben, wenn nicht die Baiern so kühn vorangegangen wären und dadurch den Anfang zu einer allgemeinen Betheiligung der Deutschen Nation gemacht hätten, so daß es sich nicht wohl geziemt, sie dahin im Stiche zu lassen. Auf der anderen Seite aber möchte ich doch auch nicht mit vorangehen ohne einige ermuthigende Aussicht des Gelingens, eine Aussicht welche nur von den Schleswig-Holsteinern selbst gegeben werden kann, die jedenfalls das Beste und Meiste dazu thun müssen, etwa im Verhältniß von ⅔ zu ⅓: Denn es scheint mir überaus mißlich, so wohl für die gute Sache selbst wie für alle Betheiligten nur aufs Ungewisse loszugehn, auf die Gefahr hin, die Größe wie die Schmach eines Bankrotts noch zu vermehren.

Ich bitte Sie deshalb mir Ihre unparteiische Ansicht nach Ihrer Kenntniß von der Sache ohne Rückhalt mitzutheilen, wobei Sie sich auf die nöthige Discretion von meiner Seite unbedingt verlassen können.

Die Zeitungen melden Ihre Berufung nach Göttingen: Schreiben Sie mir doch auch, wie es damit steht, ob Sie den Ruf schon definitiv angenommen haben.

Mit aufrichtiger Hochachtung
der Ihrige
Carl Hegel.

P.S. Ich bitte, wenn möglich, um unverzügliche Antwort.