Deine Nachrichten sind mir mit von den liebsten; nach Ausdruck, Form, Umfang ganz nach Wunsch, so daß ich sie nicht mehr im Manuscript sondern im Druck lese. Damit bezeichne ich unsren ersten Rangs-Correspondenten. Fahre so fort. Dein kleines Verdienst vom alten Jahr wirst Du dieser Tage zugesandterhalten.
Wilhelm Grimm ist ein Philister. Ob wir uns inPreußen halten werden weiß ich nicht. Es wäre Schade um unsre Wirksamkeit. Gefährden würde ein Verbot unsre Existenz wohl nicht mehr; allein doch sehr hemmen; zumal da in Baiern ein ähnliches bevorstehen könnte. Ich weiß daß man am Berliner Hofe fleißig unsre gehässigen2 Nummern verschickt, die versöhnenden zurückhält. Dennoch ist die Prinzessin von Preußen3, höre ich, besser unterrichtet und besser gestimmt gegen uns. Sonst sind wir in Preußen schlecht bedient. Am Ende haben die Besten eine Art Vorurtheil gegen ein außerpreußisches Blatt4 und mit unserendeutschen Einigkeitsträumen ists noch eine trübe Sache!
Die Reyscher ist gestorben! Was Du mir von Thöls Frau sagst ist mir neu und leid. Jener Fall ist mir für den alten Dahlmann äußerst leid. Meiner Frau geht’s gut. Mir nicht so sehr. Ich muß diesen Sommer auf eine gründliche Ausspannung wieder denken, was der Deutschen Zeitung nicht gut bekommen wird. Sie so auf der Grenze zu halten, ist sehr schwer, und glückt nicht mir immer; einem anderen gewiß schwerer.
Victorie grüßt mit mir herzlich und fragt wann sie dann wohl die Deinige grüßen lassen dürfte?
Von ganzem Herzen Dein Gervinus.
P. S. Prosit Neujahr!
Heidelberg
Lieber Erich.5
Deine Nachrichten sind mir mit von den liebsten; nach Ausdruck, Form, Umfang ganz nach Wunsch, so daß ich sie nicht mehr im Manuscript sondern im Druck lese. Damit bezeichne ich unsren ersten Rangs-Correspondenten. Fahre so fort. Dein kleines Verdienst vom alten Jahr wirst Du dieser Tage zugesandt erhalten.
Wilhelm Grimm ist ein Philister. Ob wir uns in Preußen halten werden weiß ich nicht. Es wäre Schade um unsre Wirksamkeit. Gefährden würde ein Verbot unsre Existenz wohl nicht mehr, allein doch sehr hemmen; zumal da in Baiern ein ähnliches bevorstehen könnte. Ich weiß daß man am Berliner Hofe fleißig unsre gehässigen Nummern verschiebt, die versöhnenden zurückhält. Dennoch ist die Prinzessin von Preußen, höre ich, besser unterrichtet und besser gestimmt gegen uns. Sonst sind wir in Preußen schlecht bedient. Am Ende haben die Besten eine Art Vorurtheil gegen ein außerpreußisches Blatt und mit unseren deutschen Einigkeitsträumen ists noch eine trübe Sache!
Die Reyscher ist gestorben! Was Du mir von Thöls Frau sagst ist mir neu und leid. Jener Fall ist mir für den alten Dahlmann äußerst leid. Meiner Frau geht’s gut. Mir nicht so sehr. Ich muß diesen Sommer auf eine gründliche Ausspannung wieder denken, was der Deutschen Zeitung nicht gut bekommen wird. Sie so auf der Grenze zu halten, ist sehr schwer, und glückt nicht mir immer; einem anderen gewiß schwerer.
Victorie grüßt mit mir herzlich und fragt wann sie dann wohl die Deinige grüßen lassen dürfte?
Von ganzem Herzen Dein Gervinus.
P. S. PrositNeujahr.
1Es folgt auf dem Brief in Karl Hegels (1813-1901) Handschrift folgende Ergänzung: „NB Neckname im Freundeskreis.“; dahinter die Anmerkung von fremder Hand: „Hegels Handschrift“. Der „Neckname“ bzw. Spitzname „Erich“, den vornehmlich Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) gebrauchte, stammt aus Karl Hegels Heidelberger Studienzeit (1836-1836). 2Unsichere Lesart. 3Diese Äußerung scheint Bezug zu nehmen auf die liberal gesinnte Prinzessin Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811-1890), spätere Königin von Preußen. 4Hier bezieht sich der Brief-Verfasser wohl auf die zwischen 1847 und 1850 erschienene bürgerlich-liberale „Deutsche Zeitung“. 5Das Original dieses Briefes ist überliefert und entsprechend kommentiert (s. oben). Die Zweitüberlieferung wird hier bewusst der Anschaulichkeit wiedergegeben, zumal die Abweichungen zwischen Original und Abschrift Rückschlüsse auf sämtliche nur von Victorie Gervinus (1820-1893) überlieferte Briefe ihres Ehemannes Georg Gottfried Gervinus erlauben.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (StBPK), Berlin
NL Hegel 15, Fasz. IV, 3.
SBPK Berlin1000
UB Heidelberg
.
UB Heidelberg1000
Grimm, Wilhelm11854226517861859Grimm, Wilhelm (1786–1859), Bruder Jacob Grimms (1785–1863), war Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Wie sein Bruder wirkte er seit 1841 in Berlin und wurde ebenfalls Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Augusta11865110218111890Augusta (1811–1890), geborene Prinzessin Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach, Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin, Ehefrau des Königs von Preußen und ersten Deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797–1888).
Dahlmann, Dorothea, verh. Reyscher
Dorothea Dahlmann, verh. Reyscher124275062218221847Dahlmann, Dorothea (1822–1847), war die Tochter des Historikers und Politikers Johann Friedrich Dahlmann (1785–1860) aus dessen erster Ehe mit Julie Dahlmann (1795–1826), geb. Hegewisch, als Tochter des Historikers Dietrich Hermann Hegewisch (1746–1812) und frühere Verlobte des Juristen und Jugendfreundes Karl Hegels, Georg Beseler (1809–1888); seit 1844 war sie verheiratet mit dem verwitweten Rechtsgelehrten und Württemberger Politiker August Ludwig Reyscher (1802–1880), zeitweise ordentlicher Professor der Jurisprudenz an der Universität Tübingen, dessen zweite Ehefrau sie war und dem sie zwei weitere Kinder schenkte.
Lewenhagen, Elise, verh. Thöl-18141872 Lewenhagen, Elise (1814–1872), Ehefrau des ordentlichen Professors der Rechtswissenschaften an den Universitäten Rostock und Göttingen Johann Heinrich Thöl (1807–1884).
Dahlmann, Friedrich ChristophFriedrich Christoph Dahlmann11852336817851860Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860), Politiker und Historiker, war von 1842 bis 1860 ordentlicher Professor für Deutsche Geschichte und Staatswissenschaften an der Universität Bonn, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Staatenhauses für das Königreich Preußen im Erfurter Unionsparlament.
Schelver, Victorie (Victoria), verh. GervinusVictorie Schelver, verh. Gervinus11659528018201893Schelver, Victorie (Victoria) (1820–1893), Gesang- und Klavierlehrerin, Musikwissenschaftlerin, Ehefrau von Georg Gottfried Gervinus jun. (1805–1871).
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Preußen, Prusse Königreich Preußen (französisch: Prusse), auch Ostpreußen als östlichste Provinz des Königreichs.
Bayern (Baiern)Das Königreich Bayern bestand von 1806 bis 1918.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Erich, auch: Erec/Erek/ErikSpitz- bzw. Kosename für Karl Hegel (1813-1901) von seinem Jugendfreund Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) verwendet.
Manuscript, ManuskriptManuskript; Manuskript hier auch bezogen auf die Edition von Stadtchroniken Karl Hegels (1813-1901) im Sinne einer Niederschrift des editionsreifen Textes als Vorlage für den Setzer.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Berliner HofSynonym für Preußischen Hofstaat als funktionales und repräsentatives Zentrum der Hohenzollermonarchie, Gesamtheit der Personen in der Umgebung des Königs, dienstverrichtendes personelles Gefüge im Umfeld der Königsfamilie sowie Regierungssitz des Königreichs Preußen auch unter der fortschreitender Trennung von Staat und Monarchie.
Deutsche EinigkeitsträumeIm Kontext der Vormärzes und der Deutschen Nationalbewegung zu verortender Begriff.
Deutsche ZeitungBadische Liberale gründeten im Juli 1847 die „Deutsche Zeitung“, die bis 1848 unter der Leitung und Redaktion des Historikers, Literaturhistorikers und Politikers Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) für das konstitutionelle Repräsentativsystem sowie für eine einheitliche Gestaltung des deutschen Bundesstaates eintrat. Sie wurde zum wichtigsten und einflussreichen Sprachrohr der gemäßigt liberalen Nationalbewegung.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis