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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 8. Februar 1848

Mein theuerer Sohn! Es soll kein so langes Stillschweigen mehr zwischen uns aufkommen – wenn ich Dir aus meinem Stillleben heraus, das sich immer mehr nur auf das innere Leben consentrirt, auch nicht viel interessantes mittheilen kann, so ist dies doch genug, daß die Mutter mit Liebe und zwar mit der innigsten Liebe an Dich denkt und daß Du diese Liebe zwischen den Zeilen heraus liest. – Übrigens kann ich ja auch dießmahl von mir und Manuel, Friederike und Gustli die allerbesten Nachrichten bringen; meine Gesundheit hält sich diesen Winter noch immer; da ich mich innerlich und äuserlich ruhiger verhalten kann als je, das scheint mir körperlich wohl zu thun – Manuel ist auch wieder ganz wohl und erstarkt, eben so Friederike und unser süßes Kind hustet zwar noch, ist aber dabei rosig und prächtig und entwickelt täglich neue Liebenswürdigkeiten – so daß ich mich recht zusammen nehmen muß, daß ich nicht eine, in das Kind ganz verliebte Großmutter werde. Sie sagen mir nach, daß ich nur Aug und Ohr für sie hätte und ich gestehe selbst, daß es meine größte Freude und Wonne ist, in das liebe Gesichtchen und dieses liebe Leben – dieß erwachende – mich hinein zu sehen. Es ist ein Band weiter, was mir das Leben noch lieb macht und versüßt. So viele Blüthen auch davon abgefallen sind – schenkt mir der liebe Gott in Euch, ihr geliebten Kinder, immer wieder Neue, über die das Herz noch mit verjüngter Freude sich freuen kann –

Ich soll dießen Mittag wieder hin zu unseren Lieben – und sie waren nun auch schon mehrere Sontage bei mir, mit Gustli – Trinkler war inzwischen hier und war sehr heiter – so daß ich nun wohl durchfühle, seine Bewerbung um Clara war mehr Sache der Überzeugung als Herzenssache und in so fern darüber getröstet bin, daß sichs Also entschieden hat. Sein Verhältniß zu Flottwells war bei seinem letzten Aufenthalt ein ganz ungetrübtes und unbefangenes, auch von Claras Seite; was ihre gegenseitige Liebe und Achtung nur erhöht hat und Einer dem Andern hoch anschlägt, daß diese Entscheidung keine Trübung zurückgelassen hat –

Von unseren Freunden und Bekannten hier kann ich nicht viel sagen, ich habe in der kalten Zeit keine weiteren Wege gemacht als in die Lennestraße1 – Doch war ich indeß noch einmahl bei Franz – an einem Vormittag – und da sie so angelegendlich fragten, wie es Dir geht und was Du schreibst, deutede ich ihnen an, wir wollten über die bewußte Angelegenheit ganz schweigen, unsere weitere Einmischung würde Dir ziemlich peinlich werden und Dich nur noch bedenklicher machen – das haben sie mir auch versprochen – und damit unterbleibt auch die Einladung die uns nur ganz unbefangener Weise zusammen führen soll vors Erste – Franz war immer noch sehr angegriffen, erstarkt, nun aber doch durch das kalte Baden – Ich habe beim Weggehen noch das liebe Mädchen gesehen, sie kam von der Schnaiderstunde auser Athem die Treppe herauf und sagte, wie sie die Frau darum schalt, sie hätte noch so viel zu thun – Es ist ein liebes Gesicht, ein guter Ausdruck im Auge und Mund –

Ich fragte neulich die sehr verständige gute Elise Busse nach Theresen, ob sie noch oft zu ihr käme – da meinte Elise, sie hat jetzt an Frl. Th. Eine Freundin, die ein treffliches Mädchen ist, sie fände dass Th. ein Umgang mit Besseren, fürs Bessere empfänglich – so wie sie mit leichtsinnigen und unbedeutenden Mädchen sich wohl auch gehen läßt – – Die Th. sei wie sie hieher kam sehr still und ernst gewesen und Th. wäre ihr ein erheiternder Umgang, da sie selbst keinen Umgang mit jungen Mädchen gehabt hätte – Dieß war mir ein recht unbefangen gut Zeugniß, was ich Dir nicht vorenthalten will – –

Die gute Klitzing hat mich im Schreiben unterbrochen. Sie war mit C.2 längere Zeit bei ihrem Schwager in Ratzdorf und hat C. bei einem Verwandten auf dem Lande zurück gelassen, und ist nun ganz allein, da sie jedem ihrer Kinder das Opfer bringen muß es von sich zu lassen. C. ist über dem langen Brautstand gedrückt und zu ihrer Erheiterung und Zerstreuung läßt sie die gute Mutter in der langen Zeit die sie noch hat, von sich. Wir sagten uns eben wieder, wie schön es wäre wenn wir zusammen wohnen und haushalten könnten – vielleicht macht es sich mit der Zeit –

Ich endige diesen Brief am Mitwoch Morgen – fand meine gute Friederike gestern an einer Erkältung wieder recht leidend und gehe nun wieder hin – in solcher Zeit wo Eins das Andere bedarf, erscheint mir die weite Entfernung von ihnen, recht beschwerlich doch dank ich Gott, daß ich noch aushelfen kann – Von Nürnberg hab ich nur von Lina einen Brief – sie schreibt als glückliche junge Frau und ist guter Hoffnung.3 4 Verhältniß in Henfenfeld ist leider wieder aufgelöst –

Ich war indeß auch mal bei Senfts angemeldet an einem Sontag Nachmittag – kann aber nicht sagen, daß es mir so recht gemüthlich wohl da würde – die sonstige Natürlichkeit der Mädchen ist doch nicht frei von Manier und Reflexen der Mutter – und Du kennst sie ja – steht auf einem Standpunkt der in seiner Absonderlichkeit nicht der Meine ist. – Der Vater ist nun Curator des Neuen Kranken-Hauses. Eine Gesellschaft von 16 Männern, davon Keiner eine Erfahrung, gewählt von Herrn Thiele und der Königin. –

Nun lieber alter Herzens Sohn noch ein herzinniges Lebewohl. Ich sitze noch im gelben Stübchen und spare nicht das Holz – und bei mildern Wetter friere ich auch nicht mehr. Karoline ist wieder wohl nicht aber am Ofen weil es ihr zu ruhig bei mir ist. Leb wohl und schreib bald Deiner Mutter