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Karl Hegel an den Schweriner Regierungsrat Karl Friedrich Wilhelm Prosch, Rostock, 30. März 1848

Hochzuverehrender Herr Regierungsrath!

Ew.1 Hochwohlgeboren geneigtes Schreiben vom 21. dieses Monats2 spricht eine so ehrenvolle Anerkennung meiner schriftstellerischen Thätigkeit und ein so auszeichnendes Vertrauen zu meinem Charakter aus, daß ich mich dafür zu innigem Dank verpflichtet fühle und mit aller Anstrengung bemüht sein werde, mir diese Ihre gute Meinung mehr und mehr zu verdienen. Die Aufforderung, welche dasselbe enthält, mich auf dem neu eröffneten Felde schriftstellerischer Freiheit weiter und öfter als bisher zu bethätigen, verbindet sich mit der Anfrage, ob ich dazu, wie die schon kundgegebene Neigung, so auch bei den anderweitigen Beschäftigungen meines wissenschaftlichen Berufs die Muße haben werde, auf bestimmte Verpflichtungen der angedeuteten Art einzugehen. Ew. Hochwohlgeboren stellen mir sodann für die Übernahme solcher Verpflichtungen eine materielle Entschädigung in Aussicht, indem Sie mir auf der andern Seite die vollste Unabhängigkeit in der Darlegung meiner Überzeugung zusichern.

Ich nehme vor Allem diese Zusicherung mit Freuden an, indem ich darauf das hauptsächliche Gewicht lege und damit von vorn herein über die Bedenklichkeiten hinweggehoben werde, welche jene Aufforderung sonst für mich haben könnte. Ich bin demnach vollkommen überzeugt, daß es entfernt nicht in der Absicht der hohen Landesregierung liegt, eine von ihr bezahlte Presse zu stiften, welche, wie die Erfahrung an anderen Orten hinlänglich gezeigt hat, sich ebenso kostspielig als wirkungslos erweist, sondern dieselbe wünscht vielmehr nur freies Anschließen auf dem von ihr eingeschlagenen neuen Wege der Politik überhaupt, so wie festes und besonnenes Zusammenhalten gegen theils widerstrebende, theils überstürzende Tendenzen, endlich und hauptsächlich wahrhafte und gründliche Belehrung des Publikums über die politischen Tagesfragen in Beziehung auf die vorliegenden Landesbedürfnisse, um dadurch die öffentliche Meinung im Meklenburgischen Volke zur Reife heranzubilden und gegen den aufragenden Einfluß unverständiger Theorien oder böswilliger Verdächtigungen zu stärken. Wenn ich nun so die Absicht der hohen Regierung und den Zweck der geehrten Zuschrift von Ew. Hochwohlgeboren, wie ich glaube, richtig verstanden habe, so fehlt es mir durchaus nicht an der lebhaften Neigung in solchem Sinne schriftstellerisch thätiger zu werden, und wenn die hohe Regierung zu mir das Vertrauen besitzt, daß ich Ihr und dem Lande auf diese Weise in etwas nützlich sein könnte, so hängt es denn allein von Ihr selbst ab, inwiefern Sie mir dazu auch die unentbehrliche Muße und meiner Stellung die nöthige Unabhängigkeit gewähren will, um mich einer so ehrenvollen Aufgabe mit ganz freudigem Muthe hingeben zu können. Gestatten mir Ew. Hochwohlgeboren, daß ich mich über diesen Punkt ganz offen und ohne Rückhalt aussprechen darf.

Meine gegenwärtige Lage, in der ich mich nun schon seit 6 ½ Jahren befinde – als außerordentlicher Professor und mit einem Gehalt, welches nicht einmal so lange ich allein stehe für meine standesmäßigen Bedürfnisse ausreicht, so daß ich schon einen beträchtlichen Theil meines geringen Vermögens habe zusetzen müssen – ist auf die Länge so unbefriedigend, ja drückend, daß ich aus allen Kräften nach einer Veränderung und Verbesserung derselben strebe und, wenn sich mir dafür hier im Lande keine Möglichkeit zeigt, eine solche außerhalb suchen muß. Nun hat mein Werk über die italienische Städteverfassung3 allenthalben eine so günstige Aufnahme und rühmliche Beurtheilung gefunden, daß ich mit Grund zu der Erwartung berechtigt bin, bei der ersten Erledigung einer ordentlichen historischen Professur an irgend einer deutschen Universität die allernächsten Aussichten zu einer Berufung zu haben. Ich stehe daher so zu sagen auf dem Sprunge dies Land zu verlassen, wenn mir hier nicht eine Stellung dargeboten wird, die mich festzuhalten geeignet wäre, und ich muß, so lange dies nicht der Fall ist, vornehmlich darauf bedacht sein, meine wissenschaftlichen Studien in einer so allgemeinen Richtung zu halten, daß ich mich zugleich in weiteren Kreisen bekannt mache und überall mit Ehren aufzutreten befähigt bin. Wenn also jetzt die ehrenvolle Aufforderung an mich ergeht, hauptsächlich für einheimische Zwecke schriftstellerisch thätig zu sein und wenn ich hierfür nur insofern die Muße habe wie die Befähigung gewinnen kann, als ich meine wissenschaftlichen Studien in den engsten Zusammenhang damit bringe, so kann ich dagegen nicht unterlassen, meinen Wunsch dahin auszusprechen, daß hohe Regierung mich in eine Lage versetzen möge, welche mir verstatten würde, alle anderweitigen Aussichten so wie meine dadurch bedingte wissenschaftliche Thätigkeit in den Hintergrund zu stellen. Um aber in dieser Beziehung keiner Ungewißheit Raum zu geben, bin ich so frei mich noch bestimmter zu erklären, indem ich meine persönlichen Wünsche mit einem längst gefühlten und in jetziger Zeit gewiß noch allgemeiner als sonst erkannten Bedürfniß unsrer Universität vereinige.

Die Professur für die Staatswissenschaften ist seit lange erledigt und es sind mehrfache Anträge von Seiten des Concils wegen ihrer Wiederbesetzung an die hohe Regierung ergangen. Es ist zuletzt von dem Professor Hansen die Rede gewesen. Nun bin ich nicht gesonnen, mit diesem verdienten Gelehrten irgendwie in Concurrenz treten zu wollen, da ich mich mit den Fächern der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, in denen er sich auszeichnet, kaum beschäftigt habe; aber ich glaube doch, daß neben diesen auch die Geschichte der Politik, Statistik und Staatsrecht nicht weniger Berücksichtigung verdienen; ja ich meine nicht zu irren, wenn ich gerade diesen Theil der Staatswissenschaften in jetziger Zeit zu den wichtigsten Lehrgegenständen  für die Universität rechne, indem ohne Zweifel sehr viel darauf ankommt, daß die politischen Begriffe unsrer Meklenburgischen Staatsjugend über die neuen Formen des öffentlichen Lebens, in welche sie künftig eintreten soll, durch die nöthigen Kenntnisse erweitert und ausgebildet werden: und so erbiete ich mich nun dazu die erwähnten Disciplinen, für welche meine früheren schriftstellerischen Arbeiten mich schon sehr weit vorbereitet haben, neben den eigentlich historischen Vorlesungen mit zu übernehmen, um zugleich meine anderweitige öffentliche Wirksamkeit sei es durch die Presse oder in den sogenannten Volksversammlungen daran anzuknüpfen. Auf solche Weise begründet geht also mein ehrerbietiges Gesuch an die hohe Landesregierung schließlich dahin, daß sie mir eine ordentliche Professur für Geschichte und Staatswissenschaft an hiesiger Universität mit entsprechendem Gehalt verleihen möge, damit ich dadurch in die Lage versetzt werde, sowohl der an mich ergangenen ehrenvolle Aufforderung nach Kräften zu genügen als auch mehr als bisher diesem Lande angehören zu dürfen.

Genehmigen Sie, Herr Regierungsrath, die Versicherung meiner tiefsten Ehrerbietung, in der ich verharre Ew. Hochwohlgeborenem

ganz gehorsamster
Carl Hegel.

P.S. Es mag vielleicht nicht überflüssig sein noch hinzuzufügen, daß ich zwar über das erhaltene vertrauensvolle Schreiben die vollkommenste Discretion gegen Jedermann beobachtet habe, daß ich aber nicht habe verhindern können, daß die Ankunft desselben während meiner kurzen Abwesenheit von hier bekannt geworden ist, woraus bei Einigen allerhand Muthmaßungen über dessen Inhalt entstanden sind, denen ich erst nach meiner Rückkehr widersprechen konnte.