Ich ergänze was Dir hier unser lieber Immanuel geschrieben hat, nur noch mit einem Herzenswort und Händedruck in mütterlicher Liebe – Du lieber theuerer Sohn! Wir sehen aus dem Bild das uns Dein lieber Brief2 von Eueren Zuständen und Deiner politischen Thätigkeit entwirft, wie Du in dießer Zeit so viel bewegt warst und wie Du der Aufgabe, die Dir gemacht wurde, nachgekommen bist. Ich möchte wohl die Aufsätze die Du geschrieben hast lesen, oder vielmehr mir nur einen Überblick des Standpunkts, den Du damit vertrittst, verschaffen. Ich lese jetzt täglich so vieles, was mich mit schmerzlicher Theilnahme oder mit Unwillen und Unruhe erfüllt, in den Zeitungen. Was haben wir bereits erlebt und was werden wir noch erleben, wenn über all den inneren Zerwürfnissen, noch das Läuterungsfeuer eines Kriegs hinzukommt, als ein unabwendbares Wehe. – Ich werfe hier wohl meine Sorge auf den, der im Regimente sitzt und sage mir, es geschieht nichts ohne Gottes Willen und Zulassung, aber Wehe, bleibt darum doch Wehe – und wir werden alle dasselbe mit erleiden! Nun, schickt es Gott so wird es uns eine Schule oder Anderen ein Gericht oder ein Impuls zum Leben werden – Es wird die Zeit doch auch den Meister und die Träger, die unter der Sprachverwirrung dieses babilonischen Thurmbaus sich des Regiments bemächtigen, gebären – –
Mir schwindelt wenn ich daran denke, was uns der bevorstehende Landtag3, die Unruhen in Polen4 – die allgemeine Auflösung und Gesetzlosigkeit in den unteren Ständen der Arbeiter – zunächst bringen werden. Wie vielen Tausenden Arbeitern wird jetzt noch durch Mittel, die bald erschöpft sein werden, der Mund gestopft. Man sieht auf der Straße auf einem Klump 10–20 die für 15 Sgr5 die Straße kehren – hört solche außerordentliche Unterstützung durch Arbeit auf, so geht es ans Plündern – die Arbeiter machen die unsinnigsten Forderungen an ihre Fabriqherrn und Meister – und ach wie groß ist wohl auch die Noth, die nun solche Selbsthilfe gebraucht, Wo ist dafür ein Damm? – Man hört täglich von Unruhen – es geht durch alle Gewerbe – doch das liest Du ja zum Theil in den Zeitungen – Es wird Dir lieber seyn von unserer gemüthlichen Hauslichkeit etwas zu hören – erst daß es mir im Ganzen mit meiner Gesundheit gut geht, so daß ich Taglich zu unseren Lieben in die Lennéstraße gehen kann, worauf sich mein Ausgehen meist nur beschränkt. – Der lieben Rothe bin ich indeß wohl auch näher gekommen und fühle mich zu ihr hingezogen, sie sind auch so liebe Freunde von Manuel und Friederike; – es lag ihr 2ter Sohn am Nervenfieber, da half ich der lieben Frau, weil Friederike nicht konnte – Nun eben macht mir Manuel einige Sorge – er sieht sehr übel aus – und hat sich eigentlich von der Grippe her noch nicht vollständig erholt – dazu die Anstrengungen seiner Arbeiten, Wachen und die Berathungen, die er als Wähler und Ordner leitete – Nun zeichnen sich bei ihm Hemeruithen6 durch Blutentlehrungen die ihn doch sehr schwächen. Er muß diesen Sommer sich gründlich stärken und erhohlen wozu uns Gott das rechte finden lasse und ihm die Zeit schenke.
Friederike aber ist sehr wohl und Gustli erfreut uns Täglich durch ihre Liebenswürdigkeit Klugheit Gewandheit und Geschwätzigkeit – Daß die Mutter zum Wochenbett7 hieher kommt ist uns allen recht erfreulich, der Vater bringt ihr damit ein Opfer was ihm schwer wird, aber er fügt sich ihren Wünschen – Professor Franz und Frau grüßen Dich schönstens. Eine Rede, die er in einer Wahlversammlung hielt, aus seinen Erfahrungen in Griechenland und Paris hat sehr mißfallen (er sprach viel von sich selbst mit Überschätzung) – Es8
P. S. Mit meinen Mädchen bin ich zufrieden. Meine Wohnung wird so eben zum theil neu gestrichen die Thüren restorirt auf Kosten des Doctors