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Friedrich Eggers an Karl Hegel, Berlin, 29. Dezember 1848

Mein lieber Herr Professor,

Mir ist gestern unterwegs noch eingefallen, daß ich vergessen habe, Sie auf Etwas aufmerksam zu machen, das Ihnen Ihre (meine) Arbeit etwas erleichtern kann: „Der Überblick“ nämlich „auf die Tagesordnungen der voraufgegangenen Nummern.“ Diese liegen auf meinem Arbeitsplatze über einer Lage von Löschpapier nach der Reihenfolge, die jüngsten zu oberst. Wenn Sie sich nun nicht sicher erinnern, ob wir eine Nachricht schon gegeben haben oder nicht und Sie blättern zurück, so sehen Sie leicht ob wir aus dem 1/37stel und von welchem Datum wir etwas gegeben haben. Es thut mir nun um so mehr leid, daß ich die kurze Inhaltsangabe nicht deutlich geschrieben habe, um Ihnen auch noch den Blick in die Zeitung zu ersparen. – Seien Sie nur, mein guter Herr Professor, recht heiter bei Ihrer jetzt vermehrten Arbeit: den Mecklenburger Correspondenten gegenüber so ruhig, wie ich und in Bezug auf mich und der von mir überkommenen Arbeit wenigstens überzeugt, daß Sie mir eine große, große Freude gewähren. – Ich habe den gestrigen Abend schon so glücklich und angenehm verbracht, daß ich diesen Becher voll recht mit Andacht des Genusses weiter trinken werde. Ihren Gruß an Herrn Heyse habe ich bestellt. Er freute sich, daß Sie sich seiner erinnern. Das Gespräch verweilte eine lange Zeit bei Ihnen und den Ihrigen und er hat mir einen herzlichen Gegengruß schon im Voraus aufgetragen, den ich also schon im Voraus expedire. Dank Ihrer Fürsorge bin ich trotz der IIIten Klasse1 sehr warm hergekommen. Auch hatte ich in Bezug auf die Gesellschaft sehr viel Glück: Nichts als Demokraten vom reinsten Wasser und – „verthierte Söldlinge“ – Angenehmes Spiel der Gegensätze. Die Söldlinge waren Soldaten welche vom Urlaubsbesuch heim kamen, so wie nach einigen Tagen. Es kamen davon bei jeder Station welche zu, „es hing Gewicht sich an Gewicht“ wie Max Pikolomini sagen würde2 und unser Coupé wurde ganz voll. Die Demokraten aber waren: – der Redakteur des Landtagsboten3: Herr Dr. W. Ich brauche hier wohl mit Recht den Plural nach dem Muster des Berliner Komödienzettels: „Mehrere Banditen …… Herr Prediger S. – Herr W. war sehr freundlich und höflich und war auch bei dem Legitimationsact plötzlich in meiner Nähe, um sogleich die Macht seines Regierungspasses auf mich überzuleiten, im Falle ich versäumt haben sollte, mir dergleichen zu besorgen. Die Militärperson, die sich eben meine Legitimation ausgebeten hatte, erkannte das an und so hat der 2te Vicepräsident der Kammer mich allen Weitläufigkeiten überhoben. Unterwegs wollte aber ein Gespräch nicht recht fort. Es saßen aber auch immer Soldaten dazwischen. Einer legte sein Zündnadelgewehr auseinander und hielt eine belehrende Vorlesung. In Hagenow erlebten wir einen politischen Act. – Nach dem Bahnhof, wo wir den Hamburger Zug erwarteten, kamen in Reih und Glied eine Menge Hagenowraner Demokraten gezogen. Vorne ein Musikcorps und 3 deutsche Fahnen. Im vordersten Gliede Boldt und Dr. Brockmann. Er galt dem aus Frankfurt zurückkehrenden Reinhard. Man stellte sich auf dem Bahnhofe in Reih und Glied auf. Ich studierte Demokraten sich hiesig vereinen. Schade, daß ich nicht genug zeichnen kann! Mich dünkt in meiner, mehr charakteristischen Ausprägung habe ich „die Zukunft“ nie auf Menschengesichtern gesehen. Endlich kam der Erwartete. Ich drängte mich hinzu: Ein baumstarker, riesiger Mann mit kühnen Zügen, nicht allzu langem Barte, aber einem Gebüsch von Augenbrauen. Sie schrieen: Hoch! und er ließ es sich gefallen und sagte: „Na was macht Ihr, Kerls?“. – Ich kann nicht sagen, daß er nun aussah, als glaube er die ihm gebührende Ehre entgegen – im Gegentheil schien er etwas verlegen. Er sprach aber Frankfurtisch und das mochte ich nicht leiden, hörte also nicht weiter der Bewillkommnungsscene. Dr. Raber war natürlich auch gegenwärtig.

So, jetzt will ich meinen Freund, Paul Heyse, wecken. Er hat gleich gestern an Abeken nach Braunschweig geschrieben und glaubt, daß der auch gleich kommen wird. Heute Morgen sehe ich Kuglers4. Hurrah! O was werde ich für schöne glückliche Tage erleben! – Und unterdessen plagen Sie sich mit meiner Arbeit. Aber ich bitte Sie mehreres: Sein Sie heiter dabei, so heiter, wie ich jetzt bin. – Noch eine Bitte. Wenn von Hause Briefe an mich anlangen sollten, hätten Sie wohl die Güte, dieselben herzuschicken? Sie wissen: ich liebe Cumulirung der Genüsse. – Und dann noch eins: Kriegen Sie ja bei Zeiten den Arzt für ihren Furunkel, ich glaube, daß die Kälte die Geschichte unangenehm verzögert. –

Adieu, adieu; während Paul sich anzieht, werde ich meinen Morgengang ins 5 nach dem Bahnhofe machen.

Der Ihrige
Fritz Eggers