Sie sind gewiß schon ganz – oder gewiß doch halb – böse auf mich, daß ich trotz der geschäftlichen Anforderungen noch immer nicht wieder an Sie geschrieben habe; doch entschuldigt mich vielleicht in etwas eine bedenkliche Unpäßlichkeit, die ich zu überstehen gehabt habe, wovon weiter unten.
Sie haben mir durch Ihre freundlichen Zeilen vom ? (das sollte mir beim Vater passirt sein!)1 eine Aussicht auf mehr Freiheit in bezug auf die dortige Zeitungsangelegenheit eröffnet, als ich in Anspruch nehmen zu können glaubte. Ich sagte Ihnen schon immer, daß ich eine dortige Beschäftigung ohne Sie und das angenehmen Verhältniß zu Ihnen schwerlich würde goutiren können, da die Politik einmal meine Neigung nicht ist. Deshalb wäre es auch unredlich, wenn ich einem Besseren wie es Wedemeier doch ist, im Wege stehen wollte. Nur fragt es sich, ob ich nicht verpflichtet bin, ihm, der so bereitwillig für mich eintrat, sei es in der Übernahme seiner Schule, sei es als Hülfsarbeiter später beizuspringen. Ich darf es nicht vergessen, daß er bei der Einwilligung in die Stellvertretung künftige anderweitige Gestaltungen im Auge hatte und haben mußte. Sagen Sie mir doch, wie Sie darüber denken. Ich habe hier zu Kugler mich immer auf diese Weise moralisch gebunden erklärt und werde auch Nichts Definitives ohne Rücksprache mit Ihnen respektive Wedemeier unternehmen. Von hiesigen Projecten zu reden, so sei nur Ihnen vertraut, daß Kugler’n von Otto Wigand der Antrag gemacht ist, das eingegangene Kunstblatt in seinem Verlage wieder hervorzurufen.2 Kugler hat es abgelehnt und sans façon3 mich vorgeschlagen, seine Beihülfe zusichernd. Darüber ist noch keine Nachricht. – Ein anderes Project, das ich mit mir herumtrage, ist eine „Geschichte der Costüme“ oder besser des Costüms (im weitesten Sinne) zu schreiben, wozu ich manches in früherer Zeit ohne die bestimmte Absicht gesammelt, manches aber bei Kugler zur Disposition vorfinde. Die Ausführung würde sich nur an die nöthigen Monate stoßen, die ich doch haben müßte, bis ich das Werk (wozu doch längere Zeit gehört) in Muße fertig machen könnte. –
Aus meiner Mittheilung, daß ich hier so zeitungslos bin, dürfen Sie indessen nicht entnehmen, daß mich überall nicht interessiert, was in der Welt vorgeht. Ich lese vielmehr jetzt bei völliger Ordnung meiner Beschäftigung so ziemlich täglich bei Kugler die Spenersche und den Staats-Anzeiger mitunter auch die Reform4. Und lese ich’s nicht selber, so laß‘ ich mir erzählen was darin steht. So wäre es mir besonders angenehm gewesen, wenn ich unsere Zeitung5 hätte haben können. Aber in dem verwichenen Quartal scheint es der Frau Elsner nicht gelungen zu sein, das zu arrangiren. Wie steht es nun mit dem laufenden Quartal. Was wird von hier aus den Kammern berichtet? Soll ich etwa für den künftigen Berichterstatter schon jetzt die Zeitung bestellen. Soll ich einen Berichterstatter beschaffen. Soll ich – kurz – irgend etwas thun und wenigstens bis dahin das Vergnügen haben, die Zeitung zu empfangen; worauf ich natürlich für mich allein keinen Anspruch habe und leider auch nichts übrig, um sie für mich zu bestellen.
Dabei fällt mir die Summe auf’s Herz, die ich Ihnen noch schuldige und die Sie vielleicht zu einer Reise, die Sie doch wohl machen werden, brauchen wollen. Ist es so, so erfahre ich es doch, nicht wahr? Ich hatte gestern wieder eine kleine Unpäßlichkeit, die an die Cholera erinnerte. Da habe ich heute Morgen in mein Cassabuch ein Verzeichniß von meinen Schulden hineingelegt und sollte mir etwas Menschliches begegnen, so wird man finden, daß ich Ihnen noch 40 …6 schuldige. Ohnehin haben Sie ja – wenn mir recht ist, ein Papier von mir in Händen.
Die andere Unpäßlichkeit, deren ich nun gedenken will, war ein neuer Ausbruch meines alten Brustübels. 4 Tage lang war ich in der traurigsten Verfassung und der Ausspruch von Kugler‘s Arzt (sie wollten sich nicht bei der Homöopathie beruhigen und ich selber wurde bedenklich) lautete auf – Salzbrunnen, weil die genaueste Untersuchung der Brust die Zweifel an der völligen Gesundheit der Lunge nicht hob. Da besserte es sich auf einmal, indem ein beunruhigender Auswurf aufhörte und die erneuten Untersuchungen ergaben – Gesundheit der Lunge. Mögen sich die Herren nicht irren. Ich meinerseits glaube, daß sie gesund ist. Nun soll ich aber partout in ein Seebad oder eine Fußreise in die Berge machen, damit ein Versuch gemacht werde, das alte Übel ganz zu heben oder mich vor Rückfällen sicherer zu stellen. Ich werde also auf einige Wochen im August nach Warnemünde oder mit Kuglers nach Heringsdorf gehen, werde aber Vorkehrungen treffen, daß hierher geschickte Briefe mir nachgeschickt werden, wo ich auch sei. –
Mein Schottländer7 hat seine Anwesenheit in Cöln durch Hersendung einer Kiste mit kölnischem Wasser bemerklich gemacht.
Beiliegend erfolgen nicht bloß die beiden Quittungen von mir, sondern auch eine neue von Aegidi, indem ich mich erinnerte, daß die früher von ihm ausgestellte auf ½ … zu wenig lautet. Ich bitte daher, die alte gegen diese zu vernichten.
Herrn Esmarch nebst Familie habe ich bei Aegidi’s kennen gelernt. Esmarch hat eine so liebenswürdige Tochter, daß es mir recht leid that, daß sie schon (mit dem Bruder von Lerner’s Schwager, Hauptmann von Wartenberg) verlobt ist. Ich dachte noch mehrere Tage an sie. Habe mich auch in ihr Album schreiben müssen und einen recht treuherzigen Händedruck zum Abschied bekommen.
Aegidi wird Ihnen sein neuestes Opus zugeschickt haben. Er bat mich beim Erscheinen desselben ob ich nicht veranlassen wollte, daß es als erschienen in unserer Zeitung ganz gelegentlich unter den Berliner Nachrichten angezeigt werde. – Ich finde das Büchelchen nicht ruhig genug geschrieben. Er hat die seltsame Art alle möglichen Gründe zuerst gegen sich aufzurühren, ohne sie hernach desto tiefer und gründlicher zu vernichten, wie es doch sein muß. Man liest das Werklein wohl, aber ich fürchte es wird nicht machen was es soll. Ich habe mein Exemplar mit Randglossen bedeckt und werde es ihm in der Gestalt zurückleihen.
Neulich Morgens brachte ich 1 Stunde bei Ihrer Frau Mutter im Garten zu und ehegestern hatte ich das Vergnügen bei Ihrem Herrn Bruder zu speisen. Ich fürchte, er wird mich für zu demokratisch halten, weil ich nicht haben wollte, daß man …8 so um die Ecke todtschießt. Man soll ihn und seine Parthei besiegen, aber man soll den Gefangenen nicht todtschießen. Die kleinen Mädchen (Auguste und Marie) haben mir wieder viel Vergnügen gemacht. Auguste und ich sind dicke Freunde geworden, ich habe all‘ ihre Bilder zu sehen bekommen. Wie sie da so herum rutschen an der Erde und so lustig toben, da könnte man stundenlang zusehen. Ihre Frau Mutter fand ich ziemlich wiederhergestellt, noch etwas schwach. Ich fürchte, sie giebt dem Gedanken Raum, die Reise zu Ihnen aufzugeben. – Über etwaiges dortiges Arrangement habe ich sie in allen stücken unterrichtet.
Ich bitte die Tischgenossenschaft … sowie die Zeitungsgenossenschaft …9 zu grüßen. Auch Flemmings und Prosch’s. Sähen Sie bei dem Ersteren Herrn Jessen so bäte ich Sie, ihm zu sagen, das Buch aus der Bärensprung’schen Bibliothek gefälligst an Assur zurückzugeben. –
P. S. Sonett.10
Man zürnt mir. Gut. Auch das ist Anerkennung!
Man zwingt mich nicht, die Segel einzulassen,
Mag züngelnd eitler Wogen Drang mich fassen
Mein Ziel steht fest, trotz ihrer Wuth Entbrennung.
Will meine Zeit denn der Parteien Trennung,
So sei es; – doch man zählet nicht nach Massen
Mit Zuversicht erwart‘ ich und gelassen
Wer für mich zeugt bei meines Namens Nennung.
Wer selber dem Gesetze nicht mag zollen,
Und übt des Meinungzwanges Tirannei
Auf Andre aus mit zielverdecktem Streben:
Er bleibt ein Knecht, mag Zunftgeschrei ihn heben.
Nur wer sich muthig zwingt ist wahrhaft frei,
Und nur dem freien Manne ziemt das Wollen! –