Dein Brief1 hat mich überrascht und tief ergriffen und ich fühle meine Sprache zu arm, um Dir die Erhebung zu schildern, die Deine fast ungeahnte, herzliche Liebe, in mir hervorrief.
Ich habe mich treulich vor Gott geprüft, und sage Dir mit vollster Überzeugung, und von Grund der Seele, daß ich mich mit ganzer Liebe und unbedingtem Vertrauen, Dir hingeben kann, in der festen Zuversicht, das höchste Lebensglück in der Verbindung mit Dir zu finden, und in Dein Vertrauen auf Gott und Deine Liebe, daß es auch mir gelingen werde, Dich, lieber Karl, glücklich zu machen.
Während der letzten Zeit Deines Aufenthaltes bei uns, ergriff mich der Gedanke oft mächtig, ob ich Dir mehr sei, als Andere, aber, da ich in Deinem Wesen nur die allgemeine, ver- wandtschaftliche Zuneigung zu bemerken glaubte, so verwarf ich alle ähnlichen Gedanken als unbegründet und zwecklos. In den letzten Stunden zwar, drängte sich mir der Gedanke gewaltsamer auf, und ich konnte nur in der Überzeugung, wie ich Dir so gar Nichts sein und bieten könne, Schutz dagegen finden; und sieh‘, mein lieber Karl, das ist auch der Zweifel, der mich bei Empfang Deines Briefes beschlich, ob Du in mir das finden wirst, was Du hoffst und erwartest, ob Du glaubst, in der Vereinigung mit mir, die Befriedigung zu erhalten, die Du bis jetzt vermißt hast.
Bist Du, mein theurer Karl, davon überzeugt, nun so übergebe ich mich Dir mit allen Schwächen und Fehlern, und gelobe Dir heilig, durch die völligste Hingabe meines Wesens , es Dir möglich zu machen, mich zu bilden, wie Du es haben willst, in der festen Über- zeugung, dadurch edler, vollkommener und Gott gefälliger zu werden. –
Ich thue diesen Schritt, den wichtigsten meines Lebens im Aufschauen zu Gott, der uns, das glaube ich fest, für einander bestimmte, ich thue ihn ohne Leidenschaft, aber mit aller Innigkeit, deren mein Herz fähig ist. Ich weiß, daß ich Vieles aufgeben muß, das mir bis jetzt lieb, ja unentbehrlich war, aber ich weiß und fühle auch, daß Du durch Deine, mir so theure Liebe, mir Alles reich ersetzen kannst, und so gebe ich Dir nochmals die Versicherung, daß ich die Deinige werden, und Dir ganz und für immer angehören will.
Deine theure Mutter, nun auch die meinige, hat mich durch die liebenden Zeilen2, womit sie Deinen Brief begleitete, hoch beglückt; sie nimmt mich mit Liebe auf, und ich bringe ihr ein Herz voll der reinsten, innigsten Zuneigung. Gott gebe, daß sie bald wieder ihr Schmerzenslager3 verlassen kann; die gute, theure Mutter. Ich schreibe ihr so bald, als möglich, denn es drängt mich, ihr meine Liebe und meinen Dank auszusprechen.4
Und nun, mein theurer Karl, habe ich Dir wahr und offen geantwortet, und sehe mit freudiger Sehnsucht einem Brief von Dir entgegen, der mir mein Glück von Neuem bestätigen soll.
Meine Eltern grüßen Dich mit der innigsten Liebe; ich aber, mein lieber Karl, begleite diese Zeilen mit dem heißen Gebete, Gott möge uns beide segnen und in seinen Schutz nehmen, daß wir in unserer Vereinigung Ihn immer mehr finden und erkennen, um so das höchste, dauernde Glück zu erlangen.
Lebe wohl, mein lieber, theurer Karl. Ewig in treuer Liebe die Deinige