Mein liebster Karl! Gestern schon hätte ich Dir so gerne geschrieben, aber ich bin jetzt so außerordentlich fleißig an meiner Ausstattung, daß ehe ich es mir versehe, mein Schreibstündchen, von ½ 9 Uhr Abends anfangend, vorüber ist, ehe ich mein tägliche Aufgabe gelöst habe; die wahrscheinlich kurze Dauer des Erfurter Reichstags , unsre Abhängigkeit davon, in Bezug auf die Zeit unsrer Verbindung, und der Wunsch, mit allen Vorbereitungen fertig zu sein, so wie der Reichstag geschlossen ist, das Alles treibt uns, die Zeit so viel als möglich zu benützen und so opferte ich auch den gestrigen Abend meiner Häkelarbeit. Heute aber verlasse ich Alles um ganz bei Dir, mein Geliebter zu sein. Habe ich Dir ja außer dem, was ich Dir immer und immer wiederhole auch zu schreiben über die große Angelegenheit der Hausschenke. Es war mir so eine Freude, Etwas für Dich, mein Herzliebster, zu besorgen, es war mir ein Vorgenuß dieser lieben Pflicht und dieses Rechtes, das mir Deine Liebe einräumt. Ich kaufte ein sehr hübsches Bierkrüglein von Glas mit Deckel, das Heinrich gewiß recht gern für seinen Abendtrunk benützt. Deinen Namen ließ ich auf den Deckel graviren, und so denke ich, wird es Heinrich ein liebes Andenken an Dich sein; er hat Dich so herzlich lieb, und spricht sich so erfreut über unser Glück aus, daß ich ihn unwillkührlich lieber gewinne.
Bei meinem Gang in die Stadt traf ich heute mit Kieser und Auguste im Haus zusammen, sie beredeten mich, mit ihnen in ihre künftige Wohnung hinaufzusteigen um zu sehen, wie nett und heimlich Alles angerichtet wird. Ich mußte mir immer denken, wie wir uns unser Häuschen recht wohnlich machen wollen, und konnte mich des leisen Wunsches nicht erwehren, daß wir doch auch schon so weit wären. Kieser ist ganz überselig; Du, mein Geliebter, kennst ja seine lebhafte, heitre Art und Weise, sein Glück zu zeigen, und wirst Dir denken können, wie er jubelt, endlich nach 2 Jahren am Ziel seiner Wünsche zu sein. – Ich theilte ihm Deine Bitte mit, wegen des Biers, und er versprach mir, sich genau nach Allem zu er- kundigen und es dann zu besorgen. Wie freue ich mich, Deine Freunde damit zu bewirthen, wenn ich auch selbst gar nicht recht die Baierin in dieser Beziehung repräsentiren kann; es müßte nur sein, daß ich vielleicht in der Fremde das schätzen lerne, was ich bis jetzt in der Heimath nicht zu würdigen wußte. – Die Mutter treibt mich ins Bett, und Du erlaubst auch nicht, daß ich noch länger schreibe, mein Einzig-Geliebter! Drum, gute Nacht. Gott behüte Dich und mich, die Dich von ganzer Seele liebt.
So eben komme ich von einer Gesellschaft bei Crailsheim zurück, und nach all dem leeren Geschwätz dort, sehne ich mich doppelt nach ein Paar Minuten mit Dir, mein Geliebter, zu plaudern. Es war eine dieser großen Spielgesellschaften, wo die Nichtspielenden dann oft übel genug daran sind; doch ging es mir heute über Erwarten gut; außer einigen Damen, die nicht spielten, waren blos Elise Holzschuher und Luise Wiß, die mir Gesellschaft leisteten, und wir drei unterhielten uns noch ganz erträglich. Das gesellige Leben hier, erscheint mir jetzt so ganz anders als sonst, es hat so alles Interesse für mich verloren, daß ich mir jetzt oft schon als fremd erscheine; dadurch, daß ich diesen Winter gar keine größeren Kreise besuchte, finde ich jetzt so viel neue Erscheinungen, die ich mir aber gar nicht näher beschaue, um so mehr, da man mich auch schon als halb-abwesend ansieht, und neue Bekanntschaften sich mir nicht nähern. Alle meine geselligen Beziehungen beschränken sich auf Fragen nach Dir, mein Liebster, auf Erkundigungen über die Zeit unsrer Heirath, und über den für uns so wichtigen Reichstag. Jedermann spricht mir hier die Hoffnung ab, daß dort Etwas Befriedigendes zu Stande gebracht wird, doch mag daran auch die Stellung Bayerns dem engern Bunde gegenüber Schuld haben; ich will noch das Beste hoffen, es wäre mir zu leid für Dich und für Alle, die ihre Kräfte an das Werk setzen, wenn es abermals vergebens wäre. – So wenig einheitlich aber unser Vaterland bis jetzt noch erscheint, um so mehr suchen Einzelne ein recht inniges Ganzes zu bilden, und bauen gleich wie wir, mein Geliebter, ihren häuslichen Herd mitten unter den politischen Stürmen auf. Selten kann ich mir erin- nern, von so vielen Verlobungen gehört zu haben, und noch heute in der Gesellschaft wurden wir freudig überrascht durch die Nachricht, daß die älteste Aufseß (Du erinnerst sie Dir vielleicht) Braut sei, mit dem Rektor Begh in Fürth. Ich nehme jetzt doppelt innigen Antheil an dem Glück jeder Braut, weil ich weiß, wie es ein andres Leben ist, das Leben in einem theuren Du; und am liebsten möchte ich recht bald zu ihr um mich recht mit ihr zu freuen. – Es ist spät, mein liebster und so traulich es in meinem Zimmerchen ist in stiller Nacht, wenn mir der liebe klare Mond beim Schreiben zusieht, und alle Grüße zu Dir bringt, die erst den langen Weg von der Feder aufs Papier machen müssen, so will ich doch brav sein und schön folgen, und es den Träumen überlassen, Dir Alles zu sagen, was mein Herz für Dich, mein Einzig-Geliebter fühlt.
Du hast mich so verwöhnt durch Deine liebevolle Treue, mein Geliebter, mit welcher Du immer die bestimmten Brieftage einhältst, daß wenn, wie heute, ein so freudig erwarteter Tag vorübergeht, ohne mir Etwas zu bringen, ich ganz betrübt bin. Doppelt sehnte ich mich heute nach einem Liebesboten, um morgen an Augustes und Heinrichs Hochzeit, mich recht von Neuem in Deiner Liebe beseligt zu fühlen, denn ich kann und darf Dir wohl gestehen, daß der morgende Tag mir wehmüthig in meiner Einsamkeit erscheinen wird; doch die Zeit wird ja bald unsern Hochzeitstag bringen und so will ich fröhlich in Hoffnung sein.
Die Hochzeitsgäste von der Ferne sind heute angekommen da die Trauung schon morgen früh um 10 Uhr sein soll; und so ist das Haus ziemlich voll bei uns. Tante Sophie hat ihr Erkerstübchen in Besitz genommen, Onkel Wilhelm und Tante Frida bewohnen Dein Zimmerchen und Gottlieb ist auch für einige Tage wieder in sein Stübchen gezogen. Onkel Gottlieb und die liebe Tante Thekla konnten nicht kommen, sie versparen es zu unsrer Hochzeit, worauf sich die Tante schon jetzt unendlich freut. Gott schenke uns Allen ein fröhliches, seliges Wiedersehen!
Dieß Mal wurde meine Geduld auf eine harte Probe gestellt, denn so eben erst, ½ 11 Uhr Abends, konnte ich Deinen lieben, theuren Brief2 lesen, Einzig- und Ewig-Geliebter. Das liebe Kiesersche Brautpaar machte diesen Nachmittag mit den Hochzeitsgästen einen Spaziergang, und obwohl ich wußte, daß während der Zeit der ersehnte Liebesbote ankommen würde, und gerne zu Hause geblieben wäre, um ihn so bald als möglich zu erhalten, konnte ich doch nicht gut wegbleiben, und mußte mir eine um 3 Stunden verlängerte Wartezeit auflegen. Jetzt hab ich ihn aber, meinen lieben Brief, habe alle Deine innigen, theuren Worte mit Entzücken gelesen und fühle mich wieder überselig, nachdem ich wohl heute recht sehnsüchtig nach Dir, mein Einziger war, nach Dir, der Du mich fragst, wie es mit meiner Sehnsucht, mit meinem Denken an Dich, steht – als ob ich Dir erst sagen müßte, daß Du mein Gedanke zu aller Zeit, mein Liebster und mein Alles bist.
Die Hochzeitfeier war recht feierlich, mir wars eine Vorfeier der unsrigen. Deiner, mein Geliebter, wurde oft in Liebe gedacht, und Kieser kam ganz besonders herzlich zu mir, um auf Dein Wohl, auf unsre baldige Nachfolge und dauernde Freundschaft trotz der weiten Trennung anzustoßen.
Die Inlage von meinem lieben Vater war schon geschrieben3, ehe Dein lieber Brief ankam, doch ersiehst Du daraus, daß Du es Dir schon gefallen lassen mußt, außer der Bescheinigung über die erfolgte Proklamation, noch ein Zeugniß, daß Du dort in Rostock das Niederlassungsrecht besitzest, mitzubringen. Die Behörden bei uns sind entsetzlich gewissenhaft, und entlassen ein so theures Landeskind nicht, ehe sie bestimmt wissen, daß es eine andre Heimath findet; mein Papa wundert sich sehr, daß ich ohne alles Weitere das Heimathrecht in Mecklenburg erhalte, und daß man sich dort gar nicht darum bekümmert, was es mit dem neuen Landeskind für eine Bewandniß hat. – Es ist mir so leid, daß mein Brief4 wieder einen Tag zu spät gekommen ist; ich dachte es mir wohl, denn ich weiß, daß Du mein treues Herz mich nicht warten läßest. Ich bin um so unglücklicher darüber, da ich ganz unschuldig daran bin, also auch mit dem besten Willen nicht abhelfen kann. Meine Briefe sind regelmäßig bis 11 Uhr auf der Post um mit der 1 Uhr-Fahrt abzugehen, es ist also nur die Schuld des Postbeamten und allemal unverzeihlich. Ich übersehe gewiß nicht die Zeit, denn der liebe Tag, der mir Deine Briefe bringt, ist mir ein solches Fest, daß ich ihn nicht freiwillig verzögere. Wenn Du in Erfurt bist, werden ja ohnedieß unsre Briefe viel schneller laufen – ob Du aber dann Zeit für mich hast, mein Geliebter? –
Ich werde diesen Abend noch einige Zeilen für die theure Mutter schreiben.5 Da Frau von Mittnacht, Heinrichs erste Schwiegermutter auf einer Reise nach Berlin ist, und heute hier ankam; morgen wird sie ihre Reise fortsetzen, und da sie mir anbot, Briefe mitzunehmen, und die gute Mutter selbst besuchen will, um ihr von Augusten und uns Allen zu erzählen, so kann ich es nicht übers Herz bringen, sie ohne schriftlichen Gruß ziehen zu lassen. Was hast Du für Nachrichten von dem Befinden der guten Mutter? mein theurer Geliebter; wir hoffen, daß ihr die beßere Jahreszeit, und das wunderbar baldige Frühlingswetter gut thut.
Wir haben es seit ohngefahr 8 – 10 Tagen so herrlich warm, daß man recht gut im Freien sitzen kann; und der Himmel ist so prächtig tiefblau, daß ich mehr als je die Lerchlein beneide, die nicht nur fliegen können, wohin sie wollen, weit weit, so weit wie meine Gedanken, sondern auch sich empor schwingen können in diese entzückende Himmelsluft, um darin nach Herzenslust zu schwelgen und frisch und fröhlich zu jubeln.
Du fragst mich nach den lieben Hofmanns; ich sah sie nicht mehr, seitdem wir sie besuchten, weiß auch nicht, ob sie hier waren. Hoffmann wird sich freuen über die Berufung von Delitzsch nach Erlangen, nicht wahr? ich meine, er hätte schon an Weihnachten davon gesprochen.
Ich muß schließen, mein Herzliebster, denn für morgen darf ich mir nicht versprechen, noch schreiben zu können. Von allen meinen Lieben, von meiner lieben Lina, die heute meine Einsamkeit theilte, von Meiers, Onkel Wilhelm Tante Frida Tante Sophie die schönsten Grüße. Sie freuen sich Alle, wenn Du kommst; brauche ich Dir wohl zu sagen, wer sich am meisten freut, wer jetzt schon glücklich ist in dieser Aussicht? Du weißt es ja ohnedieß schon, daß Dich über Alles liebt