Mein Herzliebster, theurer Karl. Wie wohl ist mir, wenn ich nach einem unruhigen, bewegten Tage mich in mein Stübchen verschließen kann, um Dir, mein Geliebter zu schreiben. Soeben haben uns Meiers und das junge Ehepaar verlassen, sie waren bei uns, um die lieben Leitheimer2, die nur kurze Zeit hier bleiben, für ein paar Stündchen zu sehen. Heute früh, nachdem ich den Brief3 an Dich fortgeschickt hatte, gingen wir Alle zu Kieser, um unsre kleinen Geschenke zu übergeben. Das Krüglein schien Kieser recht viel Freude zu machen, und fand überhaupt sehr viel Beifall. Im Allgemeinen erhielten sie recht schöne Sachen, und Auguste freut sich sehr, ihre Wohnung mit all den hübschen Dingen ausschmücken zu können.
Ich bin froh, daß diese Tage vorüber sind; es war mir manchmal recht schwer, sie so alleine zu verleben, denn trotz aller Liebe, mit der die Meinigen mich umschließen, die sich mir jetzt oft doppelt rührend zeigt, fühle ich mich doch immer alleine und unvollständig, wenn Du mein Geliebter, mir so fern bist, und so sehnte ich mich sehr nach meinem zweiten geliebten Ich in diesen Tagen, mehr als sonst.
Mein liebster, bester Karl. Wo magst Du wohl jetzt sein, mein Herz? an diesem schönen, stillen Sonntags-Abend? Sonst suchte ich Dich des Sonntags um diese Zeit immer am Schreibtisch und freute mich, daß Du manches liebe Wort für mich niederschriebst, jetzt aber ist diese bestimmte Sonntag-Beschäftigung durch die Unregelmäßigkeit der Post gestört worden, und ich weiß nicht, wo Dich meine Gedanken suchen sollen; doch Du denkst auch heute an mich, das weiß ich, und damit bin ich auch ganz befriedigt.
Es war heute ein wundervoll schöner Frühlingstag, so warm und mild, daß Alles ins Freie schwärmt, um sich nach dem langen schwierigen Winter an dem erwachten Leben zu erfreuen. Meine lieben Eltern waren mit Onkel Wilhelm und Tante Frida diesen Nachmittag spazieren, ich blieb aber doch lieber zu Hause und wollte an Dich schreiben; nun kam aber die liebe Fanny Fürer, die, in der Hoffnung, uns nicht zu treffen, sich in den Garten geflüchtet hatte, um die herrliche Luft, ungestört durch das Gewühl der Spaziergänger, zu genießen. Sie war recht lieb und herzlich, grüßt Dich mein Liebster, freundlichst, und erkundigte sich recht theilnehmend nach der guten Mutter, von deren Befinden ich ihr leider keine guten Nachrichten geben konnte. Heute Morgen bekam ich ein kleines Brieflein von der lieben Mutter, in dem sich aber neben rührender Liebe und Sorge für uns, eine große Schwäche ausspricht. Wenn sie sich nur bald so weit erholen würde, um die Reise nach Teplitz zu machen; sie scheint Vertrauen auf dieses Bad zu haben; Gott, der Herr, wolle Alles zum Besten führen! ich muß gestehen, ich bin recht ängstlich und trage ihr Leiden schwer auf dem Herzen. Wie gerne möchte ich recht bald zu ihr, um ihr zu danken für die sich selbst vergeßende Liebe und Treue, mit der sie für uns trotz aller Schmerzen und Leiden sorgt; mir erscheint sie wahrhaft rührend.
Heute gab die junge Frau Auguste ihre erste Gesellschaft, ein wichtiges Unternehmen! Wir waren Alle bei ihr zum Thee gebeten, und obwohl es nur die Verwandten und einige Bekannte waren, bildeten wir doch einen ziemlich großen Kreis. Ich sagte Augusten im Scherz, daß ich sie mir zum Vorbild nehmen wolle, für die Zeit, da ich mich in die Würde einer Hausfrau und Wirthin finden müßte; übrigens hat es Gustele4 viel leichter, da sie ihre Mutter und die Schwestern, die sie wahrhaft bedienen, an der Seite hat; doch fürchte ich mich jetzt nicht mehr, und denke mir immer: ich bin ja nicht die Erste und Einzige, die lernen muß, sich in fremden Umgebungen zu bewegen, und ich müßte doch wirklich recht ungeschickt sein, wenn ich es nicht auch bald lernen würde, und so denke ich mit vieler Zuversicht an meine Selbstständigkeit. Lache mich nicht aus, mein Geliebter, aber es freute mich neulich sehr, als mir von verschiedenen Seiten hinterbracht wurde, daß viele Norddeutsche, unter andern auch Hofmanns, gefunden hätten, ich passe ganz gut nach Norddeutschland und würde mich dort bald heimisch fühlen. Ich zweifle nicht am Letztern, wenn Du, mein liebster Karl, mir zur Seite stehst.
Heute verließen uns die lieben Leitheimer, die mir noch besondre Grüße an Dich, mein Liebster, auftrugen. Die liebenswürdige Tante Frieda lernte ich recht bei diesem Besuch näher kennen; sie ist ein kindlich frommes, holdseliges Wesen, wenn auch ein wenig verzogen durch die aufmerksame Liebe, die sie bis jetzt durchs Leben geleitete. Wie erschien, wie gefiel sie Dir, mein Liebster, bei Deinem Aufenthalt in Leitheim?5 – Mit der Abreise unsrer Gäste tritt jetzt wieder Ruhe bei uns ein, und frisch müssen wir wieder an die Arbeit gehen, denn sonst seid Ihr in Erfurt eher fertig als wir. Gott weiß, was aus diesem Reichstag noch wird; bei uns circuliren verschiedene Gerüchte in Bezug darauf, auch werden an unsrer Nordgrenze viele Truppen zusammengezogen, was man in Verbindung mit …6 bringt. Alles stellt sich feindlich zwischen uns, mein Geliebter, doch das kümmert unsre Liebe nicht.
So eben, mein Herzliebster, erhalte ich Deinen theuren Brief7, den ich am allerliebsten gleich beantworten möchte, aber wir sind diesen Abend zu Auguste gebeten, die das sogenannte Bauers -Kränzchen8 halten will, und ich muß mich also für jetzt schön begnügen, Dir nur meinen Dank für Deine liebevollen Zeilen auszusprechen, und Dir dazu sagen, wie lieb Du mir bist, wie jeder Tag mich Dir mehr zu eigen gibt, und jeder Brief mein Sehnen nach Deiner lieben Nähe mehrt.
Abends. Ich freute mich so sehr auf dieß Schreibstündchen, in dem ich ganz ungestört und froh mit Dir plaudern, mein Versäumniß nachholen und Dir von der Hochzeit erzählen wollte, mein Geliebter, aber ein trauriges Ereigniß, ein sehr bedeutender Brand, ziemlich in unsrer Nähe, nahm uns alle so in Anspruch, daß ich Dir nur diese wenigen Zeilen schreiben kann. Es brennt immer noch, und da ziemlich viel Gebäude beisammen stehen, werden wohl alle ein Raub der Flammen werden. Zum Glückmist es ein einzelstehender Hof, auch geht kein Wind. Gott erbarme sich der Armen, die jetzt obdachlos und vielleicht von allem Nothwendigen entblößt sind. Ich wollte, ich könnte sie Alle aufnehmen.
Guten Morgen, mein Liebster! mein erst Geschäfte soll heute sein, Dir zu schreiben, nachdem uns Gott gnädig vor aller Gefahr in der verfloßnen Nacht behütet hat. – Ich bin Dir noch den Bericht von Augustens Hochzeit schuldig, den ich in meinem letzten Brief9, allerdings in der Freude über Deinen lieben Brief10, vergaß. Morgens um 10 Uhr war die Trauung in der Spitalkirche, oder eigentlich in der Sakristei, da in der Kirche gebaut wird. Die eingeladenen Gäste wurden zuerst abgeholt, und als Alle versammelt waren, kam das Brautpaar. Gustele war ungeheuer bewegt, und sah sehr übel aus, doch recht lieblich in ihrem weißen Brautkleid. Als man sich gegenseitig begrüßt hatte, kam Herr Pfarrer Vorbrugg, auch unser Beichtvater, um die Trauung zu halten. Die Rede war recht einfach aber recht innig und herzlich. Mir wars als wenn das Alles zu mir gesagt wäre, und ich gelobte Dir, mein Liebster, von Neuem in meinem Herzen, Alles das zu sein, was Du wünschest und erwartest. Nach der Trauung verließ das liebe Paar nach dem Pfarrer zunächst die Versammlung, und wir fuhren dann Alle hinaus in den Garten zu Mewes, wo der große Saal unten festlich geschmückt, und Alles zu unsrem Empfang vorbereitet war. Heinrich war überselig, und wünschte mir recht herzlich eine recht baldige Nachfolge; daß Deiner, mein Geliebter, oft und freundlich gedacht wurde, nicht nur von meiner Seite, versteht sich. Um halb drei, nach reichlichem Dejeuné und Süßigkeiten, fuhren wir nach Hause um uns umzukleiden, da für Nachmittag ein kleiner Spaziergang verabredet war, um das herrliche Frühlingswetter zu genießen. Gustele machte schon die sorgsame Hausfrau und war überhaupt sehr liebenswürdig in ihrer neuen Würde. Des andern Tags wurden die vielen, schönen Hausschenken überbracht, was immer sehr lustig und nett ist, wenn so alle Augenblicke eine andre Überraschung geboten wird. Auch Guido hatte ein schönes Geschenk, ein Dutzend Bestecke in einem eleganten Etui, geschickt und es mit einem sehr heitern launigen Verschen begleitet. Von den Geschwistern der Mutter, also auch unsern Eltern, erhielten sie ein sehr schönes Theeservice, von Tante Fritz ein Paar silberne Leuchter, von Wiß eine sehr schöne Lampe und so von allen Verwandten und Bekannten. Sieh, mein Liebster, all diese angenehmen Überraschungen haben wir auch zu erwarten, wie freue ich mich auf unsern Reichthum.
Wenn es bei der ersten Bestimmung der Zeit, in welcher der Reichstag zusammentritt, bleibt, werde ich Dir meinen nächsten Brief nach Berlin schicken; doch brachte uns die gestrige Zeitung die Nachricht, daß der Termin auf den 4ten April verlängert sei, bitte schreibe mir in Deinem nächsten Brief darüber.
Heinrich, den ich gestern sprach, läßt Dich schönstens grüßen und Dir wegen der Besorgung des Biers sagen, daß es im Mai noch nicht zu spät zur Versendung sei, im Gegentheil könnte er Dir dann Bessres liefern, und es sei auch nicht gut, wenn es so lange vor uns dort sei, weil es dann nicht abgezogen werden kann. Was meinst Du? Wir können eben jetzt gar keine Zeit angeben in der wir wahrscheinlich nach Rostock kommen; und das ginge wohl doch nicht, es hinzusenden während Du nicht dort bist, oder könnte es Jemand für Dich annehmen? – Leb wohl, mein Herzliebster, von Allen die schönsten Grüße auch von Tante Bayerlein, die sehr glücklich über Dein freundliches Andenken sein wird. Leb wohl Liebster! Gott sei mit Dir und führe Dich recht bald und glücklich zu