Mein lieber, theurer Karl! Je mehr sich die Zeit naht, in der ich ganz Dein eigen seie, Dir für immer angehören darf, um so mehr wächst meine Sehnsucht nach Dir, in dessen Liebe ich je länger je mehr mein eigentliches Leben, meine rechte Heimath gefunden habe und finde. Es erscheint mir lange, daß ich keine Nachricht von Dir erhalten, es ist das gewiß kein Vorwurf, das weißt Du, denn ich erkenne dankbar an, wenn Du nur hie und da ein Stündchen mir widmen kannst, aber meine Ungeduld möchte gerne das Unmögliche möglich machen und täglich sich von Neuem an Deiner Liebe erquicken. Um Dich zu mir sprechen zu hören, mein Geliebter, las ich eben wieder einen Theil Deiner frühern Briefe durch, und es überkam mich ein solches Gefühl des Dankes gegen Dich, gegen unsern lieben Gott, der uns endlich ohne alles menschliche Thun zusammenführte, daß ich mir gelobte, alle Kräfte meines Geistes dem einen Ziele zuzuwenden, Dich meinen Karl so viel als möglich zu beglücken, um so der reichen Güte Gottes werth zu werden.
Mein herzliebster, theurer Karl! Ein ganz lieber, interessanter Verbindungsweg meiner Gedanken mit Dir sind mir jetzt die Zeitungen, durch die Nachrichten, die sie uns von Erfurt bringen. So oft die Bahnhofpartei erwähnt wird, weiß ich, daß das auch Dir, meinem Liebsten gilt, jeder Sieg der Majorität freut mich, weil ich weiß, daß Du mitgestimmt hast, und so folge ich in der Stille und Ferne den Ereignissen in Erfurt, denen ja mein zweites, liebes Ich so ganz hingegeben ist. Ich freue mich doppelt auf jeden Deiner Briefe, die mir oft Klarheit geben über Dinge, die ich vorher nicht recht verstand und die mir doch vom größten Interesse sind. Über die Dauer des Reichstages läßt sich wohl mit Gewißheit noch Nichts bestimmen, auch beschäftigt mich das weniger als die Frage in wie weit die Hoffnungen, die darauf gesetzt wurden, erfüllt werden, und in dieser Hinsicht möchte ich Dir, meinem Geliebten, gerne jede Enttäuschung ersparen können.
Gestern Abend war ich bei Kieser gebeten, die einen entfernten Verwandten Heinrichs, einen Rostocker, bei sich hatten; und da sie glaubten, es würde mir interessant sein, einen zukünftigen Landsmann kennen zu lernen, ließen sie es mir sagen. Doch konnte mir dieser Herr eigentlich Nichts Neues mittheilen, da er schon 18 Jahre von Rostock entfernt ist und in Stuttgard als Tuchhändler wohnt; es war ihm also eigentlich das jetzige Leben und der Kreis Deiner Freunde und Bekannten ganz fremd, doch erzählte er mir viel Liebes von der Herzlichkeit der Mecklenburger und meinte, es würde mir gewiß recht gut dort gefallen, woran ich ja überhaupt jetzt gar nicht mehr zweifle, sondern mit freudiger Erwartung und frohem Muth meinem neuen Leben entgegengehe.
Schon gestern Morgen beglückte mich Dein lieber Brief2, mein treuer Geliebter, und ich hätte am allerliebsten Dir gleich geantwortet, um Dir zu danken für Deine Liebe, und Dir zu sagen, wie unendlich glücklich sie mich macht, aber meine Zeit ist jetzt so ausgemessen und ich verliere so ungerne Etwas davon, da ich sie ganz dem Zurichten und Fertigen meiner Ausstattung gewidmet habe, daß ich mich während des gestrigen Tages damit begnügte, immer immer in Gedanken während meiner Arbeit Briefe an Dich, meinen Geliebten, zu schreiben, aber die Ausführung derselben erst auf heute Morgen versparte. Dein gestern ausgesprochner Wunsch, mein Herzliebster, mich schon jetzt bei Dir zu haben, entzückt mich, so leid es für mich selbst ist, daß er unerfüllt bleiben muß, aber Dein zweiter Wunsch, die Hochzeit auf Pfingsten3 festgesetzt zu lassen, kann erfüllt werden, und obwohl die liebe Mutter am Anfang immer meinte, es gehe nicht, so hat sie jetzt doch meine Bitten und Vorstellungen, wie unangenehm es Dir sein müßte, noch lange Zeit nach Schluß des Parlaments hinbringen zu müssen, ohne hieher kommen zu können, nachgegeben, und ich arbeite mit allem Eifer, im ihr zu beweisen, daß es möglich zu machen ist, und um auch in dieser Thätigkeit meiner Sehnsucht nach Dir und der Zeit unsrer Verbindung eine zeitweilige Befriedigung zu geben. Du fragts mich, mein Einzig-Geliebter, ob auch ich die süße Qual der Sehnsucht nach Dir empfinde, gleich wie Du mich zu Dir wünschest? Zweifelst Du noch daran? Du weißt es ja, daß ich aufgehört habe, Ich zu sein und daß mein ganzes Wesen sich nur befriedigt und vollständig in Dir fühlt, und ich sollte mich nicht sehnen aus dem Zustande der Halbheit, in die mich die Trennung von Dir, nachdem Du mein Herz mit allen seinen Gefühlen in Besitz genommen hast, versetzt hat, zu kommen? Du, lieber theurer Karl!
Noch habe ich Dir meine Freude über die Besserung der theuren Mutter nicht ausgesprochen. Ich danke dem lieben Gott mit Dir, und gebe mich der frohen Hoffnung hin, daß der Sommer sie immer mehr stärken und kräftigen werde, daß wir uns noch recht lange ihrer Liebe und Treue erfreuen und sie liebend umgeben können. Ich schreibe heute einige Zeilen an sie, da meine liebe Mutter schrieb, und ich es doch nicht vermag, den Brief abgehen zu lassen, ohne einen Herzensgruß beizufügen. Die Liebe der theuren Mutter ist eine der köstlichsten Gaben, die ich Deiner Liebe verdanke, mein Herzliebster. – Wie freute ich mich über den Besuch Deines Freundes Gervinus, der Dich so liebenswürdig überraschte. Du erwähnst seine liebe Frau nicht, also ist sie wahrscheinlich nicht mit ihm, was meinem Egoismus eigentlich lieb ist, denn es wäre mir zu leid, wenn ich um die herrliche Gelegenheit gekommen wäre, sie schon jetzt kennen zu lernen. – Deine Grüße, mein Liebster, soll ich alle freundlich erwiedern; Lina und Luise sind beide leider unwohl; Lina unternahm die vorige Woche den Umzug ins Schwarzische Haus, wobei sie sich wahrscheinlich verdarb, und seitdem leidet sie an Zahnweh und geschwollenen Backen, so daß sie schon mehrere Tage zu Bett liegt.
Die Proklamation, mein Geliebter, ist hier schon vorgenommen worden, so daß also unsrer Verbindung kein Hinderniß mehr im Wege steht, als das Parlament und dann „die verwünschte Ausstattung“4, doch wird ja das auch bald beseitigt werden.
Nun leb wohl, mein Geliebtester, möge Euer Werk ferner einen erwünschten Fortgang nehmen, daß Du mit frischem, freudigem Muthe daran fortarbeiten kannst; meine Liebe möchte Dir so gerne alles Gute schenken können.