Herzliebster, theuerster Karl! Es ist mir oft ganz eigenthümlich zu Muthe, daß ich mir meine nächste Zukunft gar nicht recht ausmalen kann, was die äußern Umgebungen und Verhältnisse betrifft. Nichts ist mir klar und gewiß als Deine Liebe, mein Herzliebster, aber das genügt mir auch und die Frage, wohin ich Dir für die erste Zeit folge, wie Alles sich einrichten wird verschwindet vor der selige Gewißheit, daß Du mein bist und ich Dein, ob in Rostock oder in Erfurt. Noch drei bis vier Wochen und Du führst mich ein in ein neues, fremdes Leben, dem ich in freudiger Erwartung entgegensehe.
Heute, mein Geliebter, wurden schon ernstliche Verhandlungen wegen unsres Hochzeitstages gepflogen; ich schlug den Pfingstmondtag2 vor, aber die liebe Mutter meint, dann schon in den letzten Tagen der vorhergehenden Woche, durch die lieben erwarteten Gäste gestört und abgehalten zu werden, und stimmte für Dienstag, den 21ten Mai; nun ist aber unglücklicher Weise am Mittwoch der Jahrestag einer Stiftung, deren Executor mein armer geplagter Papa ist, und die ihm die Verpflichtung auferlegt, mit der Mutter, der auf den Stiftungstag verordneten Farth beizuwohnen. Da der Tag nach der Hochzeit durch die zu erwartenden Hausschenken eine so große Rolle spielt, dürfen natürlich die Eltern nicht dabei fehlen, und so wurde der Dienstag, natürlich der Mittwoch verworfen und dann der Donnerstag vorgeschlagen. Mein guter Vater meinte freilich, es sei doch sehr fatal, wenn er den Tag vor der Hochzeit gar nicht zu Hause sein könne, die Mutter könnte sich in diesem Fall davon Dispensiren lassen. – aber endlich fügte man sich meinen Bitten und Vorstellungen, wie lästig Dir jeder Tag des nutzlosen, unthätigen Zuwartens sein müsse, und ich erhielt die Erlaubniß, Dir meinem Liebsten, den Donnerstag den 23ten Mai als den schönen Tag unsrer Verbindung vorzuschlagen. Könnte ich nur den lieben Eltern einen Theil meiner ungeduldigen Aufregung mittheilen; aber der Vater besonders scheint ganz vergessen zu haben, wie sich das Herz sehnt, ganz Eins zu werden, mit einem geliebten zweiten Ich.
Schon gestern Morgen, mein Einzig-Geliebter, überraschte mich Dein theurer Brief3 zu meiner innigen Freude. Jeder Deiner Briefe vermehrt die Sehnsucht in mir, Dein zu sein für alle Zeit und Ewigkeit, und Dir jeden Augenblick beweisen zu können, daß und wie ich Dich liebe. – Ein wenig hat mich die Nachricht des baldigen Schlusses des Parlamentes erschreckt; wenn ich mir auch dachte, daß es so kommen könne, hegte ich doch immer noch die leise Hoffnung, es möchte sich vielleicht doch bis Pfingsten hinausziehen, was mir Deinetwegen sehr wünschenswerth erschien, denn ich möchte Dir gar zu gerne die unangenehme Zeit des Wartens entweder in Berlin oder nun gar in Rostock erspart sehen. Du bist so gut, mein Liebster alle Schuld unsrer Zögerung auf die ungewissen Verhältnisse, die Einfluß auf die Zeit unsrer Verbindung äußerten, zu schieben, aber Alles, was Dich unangenehm berührt, ist mir wie ein leiser Vorwurf, wenn ich die Möglichkeit sehe, daß es hätte abgeändert werden können, und so drückt mich der Gedanke ordentlich, daß wir jetzt fertig sein könnten, daß Du unmittelbar von Erfurt kommen könntest, mich zu holen, wenn wir den erst festgesetzten Termin Ende April unbeschadet vom Erfurter Reichstag festgehalten hätten; meiner Mama darf ich das gar nicht sagen, denn sie findet es ganz natürlich, daß man in Aussicht der durch das Parlament veranlaßten Zögerung, sich nicht so sehr geeilt habe. Doch, nun ist einmal nicht mehr zu helfen, und wir müssen uns schon darin ergeben, bis Pfingsten zu warten, ja vielleicht wird Deine Nachsicht noch länger in Anspruch genommen, denn jetzt, wo Du unabhängig von Rostock aus zu jeder Zeit kommen kannst, meinten die Eltern, wir sollten den Donnerstag nach Pfingsten der dem Vater nicht ganz gelegen ist, nicht festhalten, sondern vielleicht den Sonntag oder Mondtag den 26ten oder 27ten Mai bestimmen, weil es Dir ja gewiß einerlei wäre, einige Tage früher oder später von Rostock wegzugehen. Sollte sich unerwarteter Weise der Schluß des Parlaments verzögern, so würden diese Rücksichten wegfallen und Du, mein Liebster, kannst dann bestimmen, welcher Tag Dir am zweckmäßigsten scheint ob der 23te oder der 27te oder vielleicht doch noch der 20te Mai, der sich auch möglich machen ließe, wenn es sein muß. – Dieser Brief, mein liebster Karl, wird Dich wahrscheinlich in Berlin treffen, bei der lieben, theuren Mutter; ich fürchte sehr, daß die anhaltend kalte Witterung, die wir seit acht Tagen haben, störend auf ihre Genesung wirkt; ich möchte gerne einige Zeilen an sie beilegen, aber ich glaube nicht, daß mir noch Zeit bleibt und bitte Dich nur, sie viel tausendmal von mir zu grüßen in inniger Kindesliebe, je mehr der schöne Tag naht, an dem ich wirklich ihr Kind mich nennen darf, um so schwerer wird mir der Gedanke, sie nicht an diesem Tage umarmen zu können, es wird uns eine schwere Entbehrung sein, mein Geliebter.
Möchtest Du wohl so freundlich sein, in Deinem nächsten Brief eine Deiner Karten beizulegen, um die meinigen in Größe und Schrift darnach richten zu lassen, denn vor unsrer Abreise müssen wir doch zu allen Bekannten Karten schicken und – erschrick nicht – von den Näherstehenden persönlich Abschied nehmen, wo wir dann andre Karten nöthig haben als die, die wir bei unsrer Verlobung austheilten.
Wegen des Biers habe ich mit Kieser noch nicht gesprochen, wenn er auch dafür stimmt, es jetzt zu versenden, werden wir es doch nicht eher fortschicken, als bis ich gewiß weiß, daß Du in Rostock bist. Leb wohl, mein Geliebter, theurer Karl; ich zähle die Briefe, die ich Dir noch schreiben werde, und freue mich, daß es nur noch wenige sind, bald kann ich Dir Alles mündlich sagen und Dir durch Wort und That beweisen, wie sehr Dich liebt