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Karl Hegel an Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, Nürnberg, 25. Mai 1850

Liebste Mutter!

Nur in wenigen Zeilen will ich Dir eine vorläufige Nachricht über unsere Lieben, bei denen ich gestern Abend um ½ 10 Uhr glücklich angekommen bin, geben. – Vater Siegmund empfing mich auf der Eisenbahn und berichtete mir über Gottliebs Befinden, daß dasselbe sich seit den letzten Nachrichten, die wir erhalten hatten, nicht schlimmer geworden, daß es vielmehr Grund gebe zu guten Hoffnungen, nachdem der arge Husten und allerdings bedenkliche Auswurf aufgehört und eine starke Geschwulst am Hals sich gebildet hat, welche jetzt zur Reife kommen muß, um dann geöffnet zu werden. Die Ärzte Ziel und Dieße hoffen, daß sich hier ein Absceß bilden werde, welcher die Krankheitsstoffe und bösen Materien im Körper ableiten könne, so daß am Ende die Krankheit unserem Gottlieb zum Heil gereichen müßte, wenn die Krisis in solcher Weise einen glücklichen Ausgang nimmt. Vielleicht findet dieser schon in den nächsten Tagen statt und würden wir dann unsere Hochzeitsfeier in froherer Stimmung begehen können. Übrigens fand ich die lieben Eltern gefaßt und meine Ankunft erregte ebenso bei ihnen, wie bei meinem Susettchen und den lieben Geschwistern große Freude. Susettchen fiel mir ganz athemlos vor erwartungsvoller Freude in die Arme, unten an der Treppe, wo sie mir entgegenstürzte, als sie mich von oben im hellen Mondschein erkannt hatte. – Die lieben Gäste sind zum Theil schon eingetroffen, die Tante Rosenhayn, die ich heute morgen besuchen werde, Wilhelmine aus Linz, die bei Major Haller wohnt; die Leitheimer2 und Neuburger3 treffen am Sonntag4 ein. – Die Hochzeitsfeier wird ganz einfach gehalten werden, Nachmittags 3 – 4 Uhr soll die Trauung in der Spitalskirche sein, Pfarrer Vorbrugg wird uns einsegnen. Nur die nächsten Verwandten, doch ein Kreis von 25 Personen, werden nach der Trauung in den Garten geladen. Die entfernteren Verwandten und Bekannten, einige 40 Personen, werden nur zur Trauung in die Kirche geladen. – Manuel und Friederike sollen durchaus hier im Garten wohnen und habe ich mich überzeugen müssen, daß ihre Aufnahme hier keine größere Störung verursachen wird, als ohnehin nicht zu vermeiden ist. Die liebe Mutter will sich nicht von Gottlieb entfernen, und der Vater schläft mit ihr im Nebenzimmer neben dem Zimmerchen, welches Gottlieb früher bewohnt hat – wo er vom Geräusch und der Unruhe des Hauses am weitesten entfernt ist. Das große Eckzimmer unten ist der Ausstattung eingeräumt. Ich und später auch Susettchen mit mir bewohnen das allerliebste Stübchen von Sophie, welche anderswo untergebracht ist.

Doch ich muß schließen, weil der liebe Vater mich abholt, um mit ihm zum Pfarrer Vorbrugg zu gehen.

Liebe theuerste Mutter gedenke unserer und segne uns in der feierlichen Stunde unserer kirchlichen Einsegnung – Lebe wohl, theuerste liebste Mutter: Möge es Dir wohl ergehen!

Dein Karl.

P. S. Mariechen ist schon den ganzen Tag außer Bett und war heute morgen beim Frühstück: sie wird auch in der Kirche sein können.