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Karl Hegel an Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, Nürnberg, 1. Juni 1850

Theuerste Mutter!

Manuel und Friederike, Deine Kinder, reisen heute Mittag von hier2 ab, übernachten in Hof, gehen morgen weiter bis Leipzig, wo sie am Nachmittag und Abend bleiben, weil sie an demselben Tage doch nicht bis Berlin gelangen könnten, übernachten noch einmal in Leipzig und kommen am Montag3 Nachmittag um 3 Uhr bei Dir und ihren lieben Kinderchen an. Dies melde ich Dir, geliebte Mutter, in ihrem Namen und Auftrag, weil sie verhindert sind, selbst, wie sie wollten, noch an Dich zu schreiben, da sie durch Einpacken und Besuche heute morgen vollauf beschäftigt sind.

Wir, das ist meine liebe Frau und ich, werden wohl kaum am Dienstag fortkommen, da wir eine Menge von Abschiedsbesuchen vorhaben und außerdem auch noch die Verpackung von Hausschenken und der Ausstattung besorgen müssen. Dazu hat die liebe Mutter noch um einen Tag weiteren Aufschub gebeten, so daß wir heute morgen die Abreise auf Mittwoch4 anberaumt haben. Meine Reise wird wohl, wegen des verlängerten Aufenthalts hier, bis auf einen Abstecher nach Dresden, direct auf Berlin gerichtet sein, um Dir mein Susettchen so bald als möglich zuzuführen und den Aufenthalt in Berlin nicht zu kurz machen zu müssen.

Wir waren gestern sehr vergnügt in Simmelsdorf, gingen begünstigt vom schönsten Wetter durch das Uzmannsbacher Thal nach Helena, aßen um 4 Uhr unter der Veranda im Freien zu Mittag, 25 oder mehr Personen, und trafen um ½ 11 Abends hier wieder ein (um 5 Uhr Morgens wurde abgefahren). Leider mußten wir dabei wieder unsere liebe Mutter vermissen, die sich von Gottlieb nicht auf einen ganzen Tag trennen wollte. Und noch schmerzlicher berührte uns die betrübende Nachricht bei unsrer Rückkehr, daß das bedenkliche Symptom des Abweichens sich bei Gottlieb aufs neue und heftiger eingestellt habe. Es scheint wirklich wenig Hoffnung zu sein. Die lieben Eltern sind Gott ergeben auf Alles gefaßt.

Die Leitheimer5 reisen übermorgen, die Neuburger6 morgen.

Mein Susettchen, welches mich unendlich glücklich macht, Manuel und Friederike grüßen Dich geliebte Mutter mit mir in kindlicher Liebe.

Dein Karl.

NB. Ich brauche kaum zu sagen, daß Manuel und Frau am Montag um 3 Uhr ein Mittagessen erwarten – nimm mir die überflüssige Bemerkung nicht ungut, liebe Mutter.